News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Selen-Mangel könnte Ursache für Koppen sein
16.11.2017 / News

Die meisten koppenden Pferde sind sogenannte ,Aufsetzkopper
Die meisten koppenden Pferde sind sogenannte ,Aufsetzkopper' – sie setzen ihre Schneidezähne auf einen festen Gegenstand (etwa einen Zaun oder sonstige Absperrung) auf. / Symbolfoto: Martin Haller

Eine neue Studie gibt erstmals Hinweise darauf, dass hinter der lästigen Verhaltensstörung ein Mangel an Selen stecken könnte.

 

Koppen ist eine lästige und bei vielen Pferdehaltern gefürchtete Verhaltensstörung – eine sogenannte Stereotypie, bei der das Pferd zwanghaft Luft in die Speiseröhre einsaugt und dabei ein typisches Geräusch (Kopperton) erzeugt, ähnlich dem Rülpsen beim Menschen. Die Ursache des Koppens ist bis heute nicht eindeutig geklärt: Einige Studien legen einen Zusammenhang mit bestimmten Haltungs- und Trainingsbedingungen nahe. Dass Koppen auf Magenprobleme bzw. Magengeschwüre zurückführen ist, wurde von einigen Wissenschaftlern angedeutet, konnte bislang aber nicht definitv bestätigt werden. Als gesichert gilt mittlerweile eine genetische Komponente – d.h. die Neigung zum Koppen kann vererbt werden, wobei vermutlich aber auch äußere Faktoren (Haltung, Training etc.) begünstigend und verstärkend hinzukommen müssen.

Einen neuen Ansatz verfolgten die Wissenschaftler Dr. Arash Omidi von der Universität Shiraz (Iran) sowie Dr. Matthew Parker von der Universität Portsmouth (Großbritannien): Sie untersuchten erstmals die mögliche Rolle von Spurenelementen bei der Entstehung des Koppens – und stießen dabei auf bemerkenswerte Ergebnisse.

DIe Forscher untersuchten Blutproben von koppenden Pferden auf insgesamt neun wichtige Spurenelemente – wobei die Proben im Ruhezustand sowie unmittelbar während des Koppens bzw. kurz danach entnommen wurden. Konkret untersucht wurde die Konzentration der Mineralstoffe Selen, Mangan, Magnesium, Kupfer und Zink sowie der Elektrolyte Natrium, Kalium,, Kalzium und Phosphor. Weitere Untersuchungen betrafen Enzyme, Glucose, Endorphine und einige Hormone, darunter auch das sogenannte Stress-Hormon Cortisol. Als Kontrollgruppe dienten einige gesunde, nicht-koppende Pferde, bei denen die gleichen Blut-Analysen vorgenommen wurden.

Die Auswertungen zeigten ein höchst interessantes Ergebnis: Die Selen-Konzentration war bei den koppenden Pferden signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe – und die niedrigsten Konzentrationen zeigten sich unmittelbar während des Koppens. Die anderen gemessenen Parameter zeigten keine nennenswerte Abweichung zwischen koppenden und nicht-koppenden Pferden.

Für die Wissenschaftler ist das Resultat in hohem Maße bemerkenswert – denn die niedrigen Selen-Werte könnten tatsächlich der auslösende Faktor der Verhaltensstörung sein, so Dr. Matthew Parker: „Selen ist ein wichtiges Antioxidans, das dem Körper hilft, sich vor Schäden durch freie Radikale oder oxidativen Stress zu schützen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein Mangel an Selen in der Nahrung die oxidative Schädigung neurologischer Systeme erhöht und damit die Verhaltensstörung verursacht oder verschlimmert.“

Von „oxidativem Stress“ spricht man dann, wenn zu viele freie Radikale im Körper gebildet werden, für deren Abbau zuwenig Antioxidantien zur Verfügung stehen. Oxidativer Stress kann die Reparatur- und Entgiftungsfunktionen der Körperzellen beeinträchtigen sowie zu einer Reihe von Erkrankungen und Beschwerden führen. Bei der Entstehung von oxidativem Stress spielt auch die Ernährung eine entscheidende Rolle – bei der oft zu wenig Mikronährstoffe und Antioxidantien aufgenommen werden, um die Reduktion von freien Radikalen effizient zu unterstützen.

Die Beobachtung, dass ein Selen-Mangel in letzter Konsequenz zu Krankheiten und auch zu Verhaltensstörungen führen kann, ist durchaus nicht neu: So wurden etwa bei Menschen mit Schizophrenie auffallend geringe Selen-Konzentrationen festgestellt – und die Erkrankung tritt tatsächlich häufiger in Regionen auf, in denen der Boden ein niedriges Selen-Niveau aufweist.

Die Forscher bleiben jedoch bezüglich der koppenden Pferde vorsichtig: „Es ist noch zu früh, um mit Sicherheit sagen zu können, dass mehr Selen in der Ernährung diese Verhaltensstörung lindern oder sogar vollständig heilen kann – aber die von uns getesteten Pferde wiesen eindeutig einen Selen-Mangel auf.“

Zudem müsse man – so die eindringliche Warnung der Forscher – bei der Verabreichung von Selen höchst vorsichtig sein, denn zuviel Selen ist für Pferde giftig: Die empfohlene Tagesmenge liegt bei 0,1 mg/kg Futter – doch mehr als 2 mg/kg sind für das Pferd giftig. Pferde decken ihren Selen-Bedarf auf natürliche Weise beim Grasen auf der Weide sowie durch Heu und Getreide. Bei kommerziellem Pferdefutter wird jedoch häufig Selen hinzugefügt – was bei der Rationsgestaltung vom Pferdebesitzer unbedingt berücksichtigt werden muss, damit es zu keiner Überdosierung kommt. Dr. Matthew Parker: „Man sollte in der Tat sehr vorsichtig bei der Gabe von Selen sein. Einige Böden – speziell in den USA – sind sehr reich an Selen, und eine zusätzliche Verabreichung über ein Fertigfutter kann tatsächlich gefährlich sein.“

In einer weiteren Studie wollen die Wissenschaftler die Auswirkungen von Futterzusätzen auf das Koppen näher untersuchen – vor allem bei Produkten mit hohem Selengehalt und anderen Antioxidantien.

Die Studie „Potential roles of Selenium and Zinc in the pathophysiology of crib-biting behavior in horses" von  Arash Omidi', Reza Jafari, Saeed Nazifi und Matthew O. Parker ist im ,Journal of Veterinary Behaviour' erschienen und kann in englischsprachiger Kurzfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen