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Studie zur Pferdefütterung: Es ist nicht egal, wie hoch das Heunetz hängt
15.03.2021 / News

Die Fütterung vom Boden ist den natürlichen Bedingungen am ähnlichsten, die Halsposition ist tief und der Kieferwinkel sehr groß.
Die Fütterung vom Boden ist den natürlichen Bedingungen am ähnlichsten, die Halsposition ist tief und der Kieferwinkel sehr groß. / Foto: Federica Raspa et.al.
Bei der tiefen Heunetz-Position ist die Halsposition etwas höher und der Kieferwinkel geringer.
Bei der tiefen Heunetz-Position ist die Halsposition etwas höher und der Kieferwinkel geringer. / Foto: Federica Raspa et.al.
Bei der hohen Heunetz-Position muss das Pferd den Hals hoch tragen, der Kieferwinkel ist dabei eng.
Bei der hohen Heunetz-Position muss das Pferd den Hals hoch tragen, der Kieferwinkel ist dabei eng. / Foto: Federica Raspa et.al.

Unnatürliche Fütterungspositionen für Pferde – etwa bedingt durch zu hoch gehängte Heunetze – könnten das Wohlbefinden von Pferden beeinträchtigen und negative Langzeitfolgen haben, darauf weisen Forscher der Universität Turin in einer Untersuchung hin.


Die Langzeiteffekte unnatürlicher Fütterungspositionen für Pferde verdienen – so die Forscher-Gruppe rund um Federica Raspa von der Universität Turin – mehr Aufmerksamkeit. In ihrer Studie untersuchten sie die Auswirkungen von unterschiedlich hoch aufgehängten Heunetzen auf die Winkel von Rücken, Nacken und Kiefer von Pferden. Den Wissenschaftlern zufolge werden Heunetze mittlerweile so häufig in der Pferdehaltung eingesetzt, dass mögliche negative Effekte der dabei eingenommenen Fütterungsposition näher untersucht werden sollten. Denn wenn Heunetze verwendet werden, dann ist das Pferd oft gezwungen, eine unnatürliche Fütterungspositionen einzunehmen und über längere Zeiträume beizubehalten, so Federica Raspa.

Für ihre Studie wurden sechs gesunde Warmblutpferde mittels Videoanalyse aufgezeichnet, während sie ihr Heu aus drei verschiedenen Fütterungspositionen zu sich nahmen: 1) vom Boden aus (Kontrollposition), 2) in einer niedrigen Heunetzposition, bei der der Hals etwa 15 Grad unter der Widerristhöhe gehalten wurde und 3) in einer hohen Heunetzposition, wobei der Hals ungefähr 15 Grad über der Widerristhöhe gehalten wurde.

Die Auswertung der Videosequenzen zeigte, dass die niedrige Heunetzposition es den Pferden ermöglichte, weitgehend eine Rückenform beizubehalten, die der beim natürlichen Fressen vom Boden aus ähnelte. Der Hals- und Kieferwinkel für beide Heunetzpositionen unterschied sich jedoch – wie vorherzusehen war – klar von denen, die beim Fressen in natürlicher Haltung vom Boden aus beobachtet wurden: Bei Pferden, die in natürlicher Position vom Boden aus gefüttert wurden, war der Kieferwinkel signifikant größer und lag im Durchschnitt bei 153,25 Grad. Bei der Fütterung in einer niedrigen Heunetzposition wurde der Kieferwinkel deutlich geringer und lag nur noch bei durchschnittlich 113,12 Grad. Bei der Fütterung in einer hohen Heunetzposition zog sich der Kieferwinkel noch weiter zu und lag im Durchschnitt nur noch bei 97,74 Grad.

Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: „Dementsprechend beeinflussten beide Fütterungspositionen die Größe des Kieferwinkels, und dies ist aus Sicht des Wohlbefindens ein wichtiges Ergebnis", so die ForscherInnen. Schließlich hätten frühere Untersuchungen gezeigt, dass eine Einengung des Kieferwinkels, sprich: eine Hyperflexion des Halses bei gerittenen Pferden letztlich zu Stress und einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens geführt hat. Ein enger Kieferwinkel war dabei mit einer Zunahme des Halsumfangs und der Dicke des Kiefermuskels verbunden, was eine Kompression des Kehlkopfes, einen verringerten Luftaustausch und einen höheren Strömungswiderstand beim Atmen zur Folge hatte.

Die ForscherInnen kamen daher zu einem durchaus kritischen, ja, warnenden Resümee: „In Anbetracht der Ergebnisse der vorliegenden Studie könnten wir die Hypothese aufstellen, dass eine Fütterung, die Pferde in eine bestimmte Körperhaltung zwingt – etwa bei der hohen Heunetzposition – das Kiefergelenk im Laufe der Zeit beeinflussen könnte. Es braucht daher weitere Untersuchungen, um das Vorhandensein langfristiger anatomischer Variationen im Kiefergelenk zu klären, die Risikofaktoren für Krankheiten wie Arthritis sein könnten. (...)  Da bereits eine nur um wenige Grad veränderte Fütterungsposition die Rücken- und Nackenhaltung von Pferden beeinflussen kann, sollte dieser Aspekt weiter untersucht werden." Die ForscherInnen abschließend: „Es gilt, den richtigen Kompromiss zwischen dem Wohlergehen der Pferde, ihrer Sicherheit und praktischen Haltungs- und Management-Aspekten zu finden und dabei auch die langfristigen Folgen im Auge zu behalten.“

Raspa und ihre KollegInnen betonten, dass die Haltung von Pferden in einer Art und Weise erfolgen sollte, die ihre natürlichen Lebensbedingungen und -umstände möglichst umfassend berücksichtigt – das sei wichtig, um das Wohlergehen der Pferde zu gewährleisten. Eine dauerhaft unnatürliche Fütterungsposition – etwa bedingt durch zu hoch aufgehängte Heunetze –  könnte hier möglicherweise kontraproduktiv sein und sollte daher intensiver erforscht werden, das sei „ein wichtiges Ergebnis aus Sicht des Pferdewohls“, so die Forscher.

Die Studie „Studying the Shape Variations of the Back, the Neck, and the Mandibular Angle of Horses Depending on Specific Feeding Postures Using Geometric Morphometrics" von Federica Raspa, Angela Roggero, Claudia Palestrini, Martina Marten Canavesio, Domenico Bergero und Emanuela Valle ist am 10. März 2021 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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