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Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Magengeschwüre
31.08.2023 / News

Ein erheblicher Teil der Pferde leidet an Magengeschwüren. Diese können schwerwiegende gesundheitliche Folgen für das Pferd haben und die Kolikgefahr deutlich erhöhen. Wir haben Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl nach Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen gefragt.

Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at


ProPferd: Man liest und hört immer wieder, dass viele Pferde an Magengeschwüren leiden – aber wie groß ist das Problem tatsächlich?

Mag. Wolfgang Himsl: Das Problem ist leider sehr groß und beschäftigt auch uns Pferdetierärzte intensiv. Aktuellen Studien zufolge leiden rund 37 % aller Freizeitpferde und 63 % aller Turnierpferde unter Magengeschwüren, sogar bei Fohlen sind es 50 % und bei Galopprennpferden besorgniserregende 90 %.

DEFINITION

ProPferd: Was ist ein Magengeschwür überhaupt – was darf sich der Laie darunter vorstellen?

Mag. Wolfgang Himsl:  Ein Magengeschwür ist eine Schädigung der Schleimhaut des Magens. Geschwüre können je nach Schweregrad und nach Lokalisation im Magen eingeteilt werden: Der Magen des Pferdes besteht aus zwei verschiedenen Arten von Schleimhaut, der kutanen Schleimhaut und der drüsenreichen Schleimhaut. Dazwischen befindet sich der sogenannte Margo plicatus, der den Übergang zwischen den beiden bildet. Je nachdem, wo sich das Geschwür befindet, ist dies anders zu beurteilen. Die Tiefe und Form des Geschwürs ist natürlich auch relevant.

ProPferd: Hängen Magengeschwüre per se mit einer Magenschleimhautentzündung zusammen?

Mag. Wolfgang Himsl: Ja, meist steht eine sogenannte Gastritis mit Magengeschwüren in Verbindung.

UNTERSCHEIDUNG ESGD & EGGD

Oben: Magengeschwüre der kutanen Schleimhaut im oberen Teil des Magens (= ESGD). Darunter: Gesunde drüsenhaltige Schleimhaut ohne Magengeschwüre im Bereich des Magenausgangs. Fotos: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

 

ProPferd: Wenn der Tierarzt vom Equine gastric ulcer syndrome (EGUS) spricht – was meint er damit?

Mag. Wolfgang Himsl: EGUS ist ein Überbegriff zwei Typen von Magengeschwüren, nämlich ESGD und EGGD. ESGD (= Equine squamous gastric disease, Anm.) bezeichnet ein Magengeschwür der kutanen Schleimhaut, also im oberen Teil des Magens. Im Gegensatz dazu bezeichnet EGGD (= Equine glandular gastric disease, Anm.) ein Geschwür in der drüsenhaltigen Schleimhaut also im Bereich des Magenausgangs.

ProPferd: Inwiefern ist die Lokalisation des Magengeschwürs ausschlaggebend für die Einstufung des Schweregrades?

Mag. Wolfgang Himsl: Bei ESGD gibt es ein international anerkanntes Scoring System, nach dem Geschwüre bei einer Magenspiegelung eingeteilt werden. Dabei ist 1 der leichteste Grad und 4 der schwerwiegendste Grad.
Bei EGGD ist es etwas schwieriger, weil es hier noch nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, um ein Scoring System zu benutzen, daher werden hier die Schäden vor allem beschrieben. Allgemein kann man sagen, dass EGGD oft schwieriger zu behandeln ist als ESGD.

AUSLÖSER

ProPferd: Was ist der Hauptauslöser für Magengeschwüre bei Pferden?

Mag. Wolfgang Himsl: Magengeschwüre entstehen, wenn die Schleimhaut über längeren Zeitraum durch einen niedrigen, sauren pH-Wert gereizt ist. Risikofaktoren für eine Entstehung eines sauren Mageninhalts sind lange Futterpausen, limitierter Zugang zu Wasser, rohfaserarme Fütterung und stärkehaltige Fütterung. Weitere Ursachen sind außerdem Stressoren (Eingliederungs-/Rangordnungsprobleme, Bewegungseinschränkung, Überbeanspruchung im Training).
Häufig verwendete Schmerzmittel (nicht steroidale Antiphlogistika) hemmen die Bildung von wichtigen Prostaglandinen, die an einer funktionierenden Schleimhaut-Barriere des Magens beteiligt sind. Die Verabreichung kann potenziell die Bildung von Magengeschwüren begünstigen.

ProPferd: Gehören häufige oder lange Hänger-Fahrten auch zu potentiellen Stressfaktoren, die ein Magengeschwür bedingen könnten?

Mag. Wolfgang Himsl: Lange Transporte können einen Risikofaktor darstellen.

ProPferd: Erzeugen vorangegangene Koliken immer auch die potentielle Gefahr eines späteren Magengeschwürs?

Mag. Wolfgang Himsl: Kolik ist ein Symptom, dass grob „Bauchschmerzen“ beschreibt. Die Ursachen einer Kolik können vielfältig sein, aber einige Koliken lassen sich mit Magengeschwüren begründen, daher empfiehlt es sich, bei wiederholten Kolikepisoden eine Gastroskopie durchzuführen.

SYMPTOME

ProPferd: Welche Symptome weisen bei erwachsenen Pferden auf ein potentielles Magengeschwür hin?

Mag. Wolfgang Himsl: Typische Symptome neben Koliksymptomatik sind Gewichtsabnahme, wechselhafter Appetit, Koppen, Leerkauen, vermehrtes Gähnen und Leistungsintoleranz. Zudem sind betroffene Pferde häufig empfindlich beim Satteln, zeigen Gurtenzwang oder gar Unrittigkeit.

ProPferd: Sind die Anzeichen beim Fohlen die gleichen, die ein Magengeschwür vermuten lassen?

Mag. Wolfgang Himsl: Auch Fohlen, die noch Milch trinken oder gerade abgesetzt werden, können von Magengeschwüren betroffen sein. Sie zeigen ähnliche Symptome wie erwachsene Tiere wie z.B. Koliksymptome, Abmagerung oder Zähneknirschen.

VORGEHENSWEISE

ProPferd: Wenn sich der Verdacht einer Magenschleimhautentzündung oder eines Magengeschwürs erhärtet – was ist der nächste Schritt, wie sehen sinnvolle Untersuchungen zur Absicherung der Diagnose aus?

Mag. Wolfgang Himsl: Um die Magenschleimhaut zu beurteilen ist eine Gastroskopie – also eine Magenspiegelung – die sinnvollste Untersuchung. Nur hier kann wirklich beurteilt werden, ob Magengeschwüre vorhanden sind und welchen Schweregrad sie aufweisen.

ProPferd: Man liest in online Medien immer öfter, dass Tierärzte oder Heilpraktiker auf „gut Glück“ „etwas“ für den Magen verabreichen, ohne die von Ihnen gerade beschriebene Untersuchung vorzunehmen. Was sagen Sie dazu?

Mag. Wolfgang Himsl:  Es ist aus mehreren Gründen besser, eine Magenspiegelung durchzuführen, bevor man die Therapie startet. Erst durch eine Gastroskopie kann man sicher sein, dass wirklich Magengeschwüre die Ursache für das Problem sind, schließlich kann es zum Beispiel für Abmagerung oder Leistungsintoleranz auch noch andere Ursachen geben. Außerdem hat man durch eine Gastroskopie einen „status quo" erhoben. Bei einer eventuellen Kontrolle kann man dann die Befunde miteinander vergleichen und dadurch feststellen, ob die Therapie erfolgreich war.

BEHANDLUNG

ProPferd: Wie geht es nach der Diagnose weiter – welche Behandlungsoptionen stehen zur Verfügung?

Mag. Wolfgang Himsl: Je nachdem, wo und wie schwer die Geschwüre sind, kann sich die Therapie unterscheiden. Auch deshalb ist eine Gastroskopie vor der Therapie unbedingt sinnvoll. Magengeschwüre können in der Regel gut mit speziellen Medikamenten behandelt werden, die im Wesentlichen die Ausschüttung der Magensäure in den Magen reduzieren und so zu einer allmählichen Abheilung der Läsionen führen.

HEILUNGSCHANCEN

ProPferd: Wie sehen die Heilungschancen aus?

Mag. Wolfgang Himsl: Magengeschwüre haben prinzipiell eine gute Prognose, allerdings gibt es eine gewisse Rezidivgefahr. Das heißt, Medikamente allein lösen das Problem nur teilweise. Eine gewisse Haltungsoptimierung und Fütterungsumstellung ist mit großer Wahrscheinlichkeit notwendig.

ProPferd: Greifen die Medikamente und das Umstellen des Futter/Haltungsmanagements nicht, müssen Magengeschwüre dann operativ entfernt werden?

Mag. Wolfgang Himsl:  Nein, eine chirurgische Therapie wird beim Pferd nicht gemacht.

NACH DER THERAPIE

ProPferd: Was müssen die BesitzerInnen von Pferden mit Magengeschwüren nach der Behandlung beachten?

Mag. Wolfgang Himsl: Abgesehen von den Medikamenten, die von der Tierärztin oder dem Tierarzt verschrieben werden, sollten einige Grundsätze in Bezug auf die Haltung und Fütterung berücksichtigt werden:
Die betroffenen Pferde sollten qualitativ hochwertiges rohfaserreiches Heu bekommen. Lange Fresspausen sollten vermieden und das Fresstempo möglichst verlangsamt werden, dies kann zum Beispiel durch ein Heunetz gewährleistet werden. Kohlenhydratreiche Futtermittel sollten ebenfalls vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden.
Die Pferde sollten möglichst stressfrei gehalten werden, das heißt häufiger Stallwechsel oder ständige Änderungen der Herdenzusammenstellung sowie lange Transporte sollten vermieden werden. Auch sehr intensives Training kann Magengeschwüre fördern.

PRÄVENTION

ProPferd: Welche präventiven Maßnahmen sind für Pferde, die Magengeschwüre hatten, empfehlenswert – und wie beuge ich effektiv vor?

Mag. Wolfgang Himsl: Die bereits genannten Empfehlungen in Bezug auf die Haltung und Fütterung sollten auch dann weiter beherzigt werden, wenn das Pferd wieder gesund ist.

ProPferd: Herzlichen Dank für das interessante und aufklärende Gespräch!

Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.

 

ZUR PERSON

 

Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.

Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!

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