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Die rotierenden Augen der Pferde
10.08.2015 / News

Wenn Pferde den Kopf zum Grasen senken, bleiben die Pupillen parallel zum Boden gerichtet, um den absichernden Rundum-Blick beizubehalten.
Wenn Pferde den Kopf zum Grasen senken, bleiben die Pupillen parallel zum Boden gerichtet, um den absichernden Rundum-Blick beizubehalten. / Foto: Irene Gams
Diese vier unterschiedlichen Pupillenformen wurden bei den 214 untersuchten Tierarten nachgewiesen.
Diese vier unterschiedlichen Pupillenformen wurden bei den 214 untersuchten Tierarten nachgewiesen. / Foto: Martin Banks, UC Berkeley
Hier ist deutlich zu sehen, wie die Augen beim Grasen nach oben rotieren und die Pupillen parallel zum Erdboden ausgerichtet bleiben.
Hier ist deutlich zu sehen, wie die Augen beim Grasen nach oben rotieren und die Pupillen parallel zum Erdboden ausgerichtet bleiben. / Foto: Martin Banks, UC Berkeley

Pferde haben die Fähigkeit, ihre Augen rotieren zu lassen und so ihre Pupillen, unabhängig von der Kopfhaltung, immer parallel zum Boden auszurichten – ein wichtiger Bestandteil ihrer Überlebens-Strategie, so eine neue Studie.

 

Pferde sind visuelle Wesen – und müssen sich in vielen Lebenssituationen auf ihre leistungsfähigen Sehorgane verlassen können. Neue und bemerkenswerte Facetten dieser Leistungsfähigkeit hat Prof. Martin Banks von der Universität von Kalifornien in Berkeley mit weiteren Kollegen in einer aufsehenerregenden Studie aufgezeigt, die nun in der Zeitschrift ,Science Advances' unter dem Titel „Why do animals eyes have pupils of different shapes?" („Warum haben Tieraugen Pupillen unterschiedlicher Form?") erschienen ist.

Prof. Banks untersuchte dabei die Augen und Pupillen von insgesamt 214 landbewohnenden Arten, darunter auch Pferde – und fand heraus, dass die unterschiedlichen Pupillen-Formen jeweils optimal auf die Lebensbedingungen und die ökologische Nische der Art abgestimmt sind. So haben Raubtiere – vor allem, wenn sie am Tag und in der Nacht aktiv sind – in der Regel vertikal verlängerte Pupillen. Auf der anderen Seite verfügen Pflanzenfresser wie Pferde oder Schafe meist über seitlich am Kopf liegende Augen sowie über horizontal verlängerte Pupillen. Worin aber liegen die konkreten Vorzüge der jeweiligen Pupillen-Form – welche Vorteile bringen sie der jeweiligen Spezies im Detail?

Horizontal oder vertikel?

Diese Frage haben Prof. Banks und seine Kollegen von der Durham Universität in Großbritannien anhand von Computer-Modellen studiert – und dabei interessante Details entdeckt. So zeigte sich, daß horizontal verlängerte Pupillen an der Oberfläche des Bodens ausgerichtet sind und mehr Lichtreize von vorn, von hinten sowie von den Seiten aufnehmen können. Diese Pupillenform hilft auch dabei, das von oben kommende grelle Licht der Sonne zu begrenzen bzw. auszufiltern, sodaß Tiere mit einer solchen Pupillenform die horizontalen Strukturen in Bodennähe besser erkennen können. Dadurch sind sie, so Banks, optimal dafür gerüstet, mögliche Gefahren deutlicher wahrzunehmen und rasch die Flucht anzutreten: „Die horizontale Pupillenform erfüllt zwei entscheidende visuelle Erfordernisse für diese Tierarten: Sie können sich nähernde Raubtiere – die üblicherweise am Boden jagen – mit ihrem Rundum-Blick optimal wahrnehmen und haben nur minimale ,blinde Flecken' dabei", so Banks. Und weiter: „Das zweite entscheidende Erfordernis ist: Sobald ein Raubtier erkannt wurde, müssen sie ihren Fluchtweg so gut wie möglich ausmachen können. Sie müssen auch noch aus den Augenwinkeln gut genug sehen, um rasch laufen und über Hindernisse hinwegspringen zu können."

Rotierende Augen

Bei Beobachtungen unterschiedlicher Pflanzenfresser in Tiergärten sowie auf Farmen haben Prof. Banks und seine Kollegen auch noch eine zweite, bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Wenn Ziegen, Antilopen oder auch Pferde ihren Kopf senken, um Gras zu fressen, rotieren ihre Augen nach oben, um die horizontale Ausrichtung der Pupillen und damit den absichernden Rundum-Blick beizubehalten. Grasende Tiere können ihre Augen bis zu 50 Grad oder mehr rotieren lassen – das ist fast zehn Mal mehr, als es Menschen können, so die Forscher.

Der Raubtier-Blick

Gänzlich andere Kriterien gelten für Raubtiere, deren Augen meist auf der Vorderseite des Kopfes liegen und die überwiegend vertikal verlängerte Pupillen aufweisen. Für sie ist es von entscheidender Bedeutung, die Distanz zu ihren Beutetieren so exakt wie möglich zu bestimmen. Vertikel verlängerte Pupillen sorgen für eine ,astigmatische Schärfentiere', so die Forscher, das bedeutet, daß vertikale Konturen unabhängig von der fokussierten Distanz schärfer wahrgenommen werden als horizontale Strukturen, die unscharf erscheinen. Das ist vorteilhaft für Raubtiere, die aus dem Hinterhalt angreifen: Sie können ihr räumliches Sehvermögen gezielt dazu nutzen, die Distanz zu vertikalen Strukturen zu bestimmen bzw. diese zu fokussieren – und anhand der Unschärfe der horizontalen Strukturen deren Entfernung abschätzen.

Vertikal verlängerte Pupillen sind jedoch nicht bei allen Raubtieren gleichermaßen anzutreffen – so eine weitere überraschende Entdeckung der Forscher: „Hauskatzen haben vertikale Pupillen – aber größere Katzen wie Tiger oder Löwen haben sie nicht. Ihre Pupillen sind rund, wie die von Menschen und Hunden." So zeigte sich, daß von den 65 untersuchten Lauer-Jägern mit vorn liegenden Augen lediglich 44 vertikale Pupillen haben. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, daß vertikal verlängerte Pupillen besonders für jene Raubtiere vorteilhaft sind, die eher klein sind – von den 44 Arten mit vertikalen Pupillen sind 36 (also 82 Prozent) kleiner als 42 cm Schulterhöhe. Vertikale Pupillen scheinen also vor allem für kleine Jäger wertvoll zu sein, um die Distanz zu ihrem Beutetier besser bestimmen zu können, so die Wissenschaftler.

Ihr abschließendes Resümee: „Wir lernen die ganze Zeit, wie bemerkenswert Auge und Sehen sind. Unsere Arbeit ist nur ein weiteres Puzzle-Teilchen, um zu verstehen, wie dieses faszinierende Sinnesorgan funktioniert." Und sie möchten schon demnächst ihre Studien fortsetzen und Sehvermögen und Pupillenform bei Tierarten untersuchen, die im Wasser, in der Luft oder auf Bäumen leben. Man darf gespannt auf die Ergebnisse sein...

Die Studie „Why do animals eyes have pupils of different shapes?" („Warum haben Tieraugen Pupillen unterschiedlicher Form?") von Martin S. Banks, William W. Sprague, Jürgen Schmoll, Jared A. Q. Parnell und Gordon D. Love ist im Journal ,Science Advances' am 7. August 2015 erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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