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Pferde können menschliche Emotionen aus der Stimme heraushören
17.09.2018 / News

Pferde können Emotionen nicht nur aus Mimik, Gesten und Körperhaltung ablesen, sondern auch aus der menschlichen Stimme, wie Forscher nun herausfanden.
Pferde können Emotionen nicht nur aus Mimik, Gesten und Körperhaltung ablesen, sondern auch aus der menschlichen Stimme, wie Forscher nun herausfanden. / Symbolfoto: Irene Gams

Wer von uns hat nicht schon böse gebrummt, wenn sein Pferd nicht das gemacht hat, was man eigentlich wollte? Aber können Pferde mit solchen akustischen Äußerungen auch etwas anfangen und sie korrekt interpretieren? Britische Forscher wollten das herausfinden – und kamen auf interessante Ergebnisse.

 

Dass Pferde menschliche Emotionen aus Gesichtszügen, Gesten und der Körpersprache mit überwältigender Treffsicherheit ablesen und interpretieren können, ist reiterliches Alltagswissen und auch in zahlreichen Studien eindrucksvoll dokumentiert. Wie aber steht es um die Emotionen in der menschlichen Stimme – sind Pferde auch in der Lage, allein aus akustischen Äußerungen unterschiedliche Gefühlslagen oder Stimmungen herauszuhören? Dieser Frage ging ein Forscherteam der Universität Sussex in Großbritannien nach und analysierte in einer Reihe von Tests die Reaktionen von Pferden auf stimmliche menschliche Äußerungen, die gleichsam die entgegengesetzten Endpunkte des menschlichen emotionalen Spektrums markierten: nämlich fröhliches Lachen auf der einen sowie zorniges Knurren bzw. Brummen auf der anderen Seite.

Für ihre Versuche verwendeten die Wissenschaftler insgesamt 28 Pferde aus zwei Reitschulen in East Sussex. Jedem Testpferd wurden insgesamt acht Tonband-Aufnahmen mit akustischen menschlichen Stimuli vorgespielt, wobei der Ton aus einem Lautsprecher kam, der in etwa 15 m Entfernung außerhalb des Blickfelds des Pferdes aufgestellt war. Die acht Laut-Proben waren feinsäuberlich nach Geschlecht getrennt: Zwei Frauen und zwei Männer durften je zweimal lachen sowie zweimal brummen. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, waren die einzelnen Tests jeweils von einer einwöchigen oder längeren Pause unterbrochen.

Die Reaktionen der Pferde wurde von Verhaltensspezialisten beobachtet und dokumentiert. Was sie zu Gesicht bekamen, war durchaus erstaunlich: Bei Ertönen des ,negativen’ Stimulus – also des zornigen Knurrens – verharrten die Pferde deutlich länger in einer Haltung der ,Schockstarre’ als beim Abspielen des fröhlichen Lachens. Diese Körperposition deutet darauf hin, dass sich die Pferde in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit befinden und den wahrgenommenen Impuls eindeutig als eher bedrohlich auffassten. Diese Interpretation wurde auch dadurch unterstützt, dass die Pferde ihre Ohren länger nach vor gerichtet hatten und weniger Ohrbewegungen ausführten, was ebenfalls auf eine erhöhte Wachsamkeit hindeutet.

Darüber hinaus zeigten die Pferde eine klare Präferenz, auf das fröhliche Lachen mit dem rechten Ohr (gesteuert von der linken Gehirnhälfte) zu reagieren, was ebenfalls darauf hinweist, dass sie das Lachen eindeutig als positiver empfanden als das Knurren. Diese ,auditorische Lateralität’ (auditory laterality) sei bei Pferden zwar noch nicht gründlich untersucht, jedoch bei zahlreichen anderen Spezies belegt: Eine Präferenz zur Wahrnehmung mit dem rechten Ohr zeige an, dass die Signale bevorzugt in der linken Gehirnhälfte verarbeitet werden und allgemein mit der Wahrnehmung vertrauter bzw. positiver Stimuli verbunden sind, so die Wissenschaftler.

Dies alles deutet darauf hin, dass Pferde sehr wohl in der Lage sind, zwischen unterschiedlichen menschlichen ,Stimmlagen’ zu unterscheiden, und das allein aufgrund der akustischen Wahrnehmung, ohne jeglichen anderen Anhaltspunkt (z. B. Gestik, Mimik, Körperhaltung etc.): Sie nehmen zornige stimmliche Äußerungen als negativ und bedrohlich wahr, während sie fröhliche eindeutig positiv interpretieren – wobei sie interessanterweise nicht zwischen männlichen und weiblichen Stimmen unterscheiden. Speziell dieser Punkt überraschte die Wissenschaftler durchaus, wie sie zugaben: „Wir hatten eigentlich erwartet, dass Pferde negativer auf männliche Stimmen reagieren würden, speziell auf negative Männerstimmen, weil sie – im Vergleich zu weiblichen Stimmen – relativ niedrige Grund- bzw. Formant-Frequenzen haben“, so Co-Autorin Amy Victoria Smith. Doch diese Vermutung habe sich nicht bestätigt – und dafür gäbe es auch eine schlüssige Erklärung: „Es gibt ähnliche Hinweise, dass Hunde auch nicht hinsichtlich des Geschlechts eines menschlichen Signalgebers unterscheiden, wenn sie emotionale Stimmäußerungen hören, obwohl sie in der Lage sind, das Geschlecht des Sprechers zu erkennen. Es ist daher möglich, dass bei ,emotionalen Inhalten’ die Botschaft der Emotion deutlich mehr Gewicht hat als das Geschlecht des Signalgebers und daher auch stärker darauf reagiert wird.“

Die Position der ,Schockstarre’, die mit der Wahrnehmung des zornigen Knurrens einhergeht, interpretierten die Wissenschaftler als Teil der arttypischen ,Kampf, Flucht oder Erstarrung’-Reaktion (fight, flight or freeze), mit der Pferde auf eine wahrgenommene Bedrohung reagieren. Typischerweise wird die Erstarrung dann als Antwort gewählt, wenn die Bedrohung als eher weit entfernt und eher geringgradig eingeschätzt wird, während näherliegende und stärkere Bedrohungen auch vehementere Reaktionen (lautes Wiehern, Vermeidungs-Reaktionen oder sogar Angriffsverhalten) provozieren können.

Die Wissenschaftler sehen ihre Untersuchung im Zusammenhang mit aktuellen Forschungen über die Fähigkeit von Hunden, emotionale stimmliche Äußerungen des Menschen zu unterscheiden – und dieses Forschungsinteresse auch eine andere Haustier-Art zu übertragen. Frühere Studien haben nahegelegt, dass Pferde nicht zwischen harschen oder beruhigenden menschlichen Stimmen unterscheiden – doch das könnte mit bestimmten Trainingsmethoden zu tun haben, die bei diesen Tests zum Einsatz gekommen sind und so die Ergebnisse verfälscht haben könnten. Ihre aktuelle Untersuchung zeigt tatsächlich ein anderes Bild: „Unsere Ergebnisse stellen eine Ergänzung der bisherigen Forschungen über die Fähigkeit von Hunden dar, den emotionellen Gehalt menschlicher Stimmen zu unterscheiden; sie erweitern auch unser Wissen über die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten und werfen interessante Fragen darüber auf, ob stimmliche emotionale Signale gleichsam universell unterschieden werden können oder diese Kompetenz durch Erfahrung erlernt wird.“

Die Studie „Domestic horses (Equus caballus) discriminate between negative and positive human nonverbal vocalisations“ von Amy Victoria Smith, Leanne Proops, Kate Grounds, Jennifer Wathan, Sophie K Scott und Karen McComb ist in der Zeitschrift ,Scientific Reports’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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