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Die neuen Fälle des Dr. K.: Die stummen Leiden der Pferde, Teil 2
12.10.2024 / News

Unglück und Schmerz zählen leider nicht selten zum Alltag vieler Pferde – Reit- und Ausbildungsfehler sind dafür ebenso ursächlich wie schadhafte oder falsch eingesetzte Ausrüstung, Unwissenheit und Gedankenlosigkeit, wie Beispiele aus dem Archiv von Dr. K. beweisen.

Eine nicht unbekannte Firma wirbt in einem Werbespruch mit dem Versprechen: das wohl größte Tierwohl-Sortiment zu führen - wohlan, es gibt genug zu tun, viele Pferde, die unter die Fittiche genommen werden sollten, nicht wenige Pferdebesitzer, die am Schlafittchen gepackt werden sollten.

 

Der falsche Knick – Anlehnung hinter der Senkrechten - ein schwerer Ausbildungsfehler, den die Turnierrichter immer ansprechen sollten – denn er hat Tierschutz-Relevanz. Dazu empfehlenswert Lektüre: „Der falsche Knick“ Seite 92 ff in Dr. Gerd Heuschmann „Finger in der Wunde“ WuWei 2006

 

Nasenriemen und Sperr-Riemen zugeknallt – Backenstück zu kurz – Anlehnung gleichbleibend – aber Sporen ran!

 

„Cobbler, stick to your last"                                                                              
„Schuster bleib bei deinen Leisten…“

 

An Personen, die sich als „Fachleute“ bezeichnen, ist ein hoher Sorgfalts-Level im Umgang mit Pferden zu legen – mit hohen Sicherheitsstandards, korrekten Ausrüstungen und pferdegerechtem Longieren.

„Für das gerittene Pferd ist der Kopf-Hals-Hebel die Balancier-Stange, die es dazu benutzt, sich mit dem Reitergewicht abzufinden, auf dass die Muskelgruppen des Rückens und der Kruppe für ihre ureigenste Tätigkeit, die Fortbewegung, frei bleiben.“ [zit.]

Bürger/Zietschmann: Der Reiter formt das Pferd, Schaper, Hannover 1939

 

Dieses Pferd hatte eine große, sehr schmerzhafte Druckstelle an den Dornfortsätzen am Widerrist, wurde aber dennoch geritten – von zwei Reiterinnen mit ein- und demselben Sattel – beide waren Vorderzwiesel- und Vorhand-Reiterinnen……

 

……mit sehr unterschiedlicher figürlicher Ausstattung. Der Sattel ist die – sehr individuelle – „Bandscheibe“ zwischen Pferd und Reiter. Den beiden Frauen würde vermutlich nicht einfallen, eine einzige gemeinsame Reithose zu verwenden??!!

 

Gestüts-Paraden sind nicht selten auch eine Parade von Selbstdarstellern……

 

…… nicht zwingend wird auf Sinnhaftigkeit des „Tuns“ geachtet – dies dürfte wohl kein Freudensprung sein….

 

Es ist zweifellos beeindruckend, wenn ein angespannter Sechserzug auf einem LKW „verpackt“ wird – die Sinnhaftigkeit eines solchen „Unterfangens“ sollte sich am Wohlergehen der Pferde und nicht an der Sensationslust orientieren – cui bono??

 

Die Fesselbeuge – ein Ort einiger Probleme – muss speziell bei Pferden mit pigmentloser Haut und reichem Kötenbehang gut gepflegt werden: sorgfältiges Ausbürsten und Auftragen von Melkfett bewährt sich. Unterlässt man diese Pflege, können die Folgen schwerwiegend und für den Pferdepatienten sehr schmerzhaft sein.

 

Meiner Erfahrung zufolge sind luftdurchlässige, elastische Schlauchverbände (z.B. mehrfach verwendbare Tubigrip Gr. D) luftdichten Salbenverbänden vorzuziehen. Die Krusten können – in einem ersten Schritt - sehr gut mit warmer Milch manuell vorsichtig gelöst werden, das Wundgebiet wird dann trockengeföhnt, wenn möglich mit Laser behandelt und sanft mit Wund-Öl [auf 10 ml Jojoba als Träger-Öl kommen je 5 Tropfen Geranium- und Bergamotte-Öl] bedeckt. Der Schlauchverband nimmt auch die unangenehme Spannung aus dem Gewebe und muss über das Saumband gezogen werden, um Stauungen zu vermeiden.

 

Die Pflege der äußeren und inneren Geschlechtsteile ist nicht nur eine Frage Hygiene, sondern auch des Wohlbefindens von Hengsten und Wallachen. Vorhautsack und Penis müssen regelmäßig (z.B. mit medizinscher Schmierseife – sapo kalinus medicinalis) gereinigt und anschließend eingeölt werden. Vielfach ist dazu die Hilfe der tierärztlichen Betreuung zu erbitten.

 

Das üble Schlauchgeräusch, das für eine mangelhafte Losgelassenheit eines männlichen Pferdes spricht, kann auch durch einen ungepflegten Penis gefördert werden – deshalb ist Pflege kein SOLL, sondern ein MUSS!

 

Meine Ausführungen zum Hufbeschlag in der letzten Folge wurden von Manchen als übertrieben angesehen, als nicht mehr zeitgemäß in unseren Tagen; die folgenden Fotos sind nicht älter als drei Jahre, die dazu gehörenden Pferden standen unter der Betreuung von Hufschmieden – es sei jedoch hier klipp und klar ausgesprochen: Der Pferdebesitzer ist in der Verantwortung!

Zu „klein“ gelegtes Hufeisen führt zu schmerzhaftem Druck im Bereich der Trachten – da solch ein Bild leicht vermeidbar ist, muss der Pferdebesitzer auf korrektem Beschlag bestehen – das setzt Wissen und Einhaltung vernünftiger Beschlagperioden voraus.

 

Diese Hufe – mit zu kurzen Eisen (nämlich solchen für Hinterhufe), ohne Zehenrichtung beschlagen – weisen unterschiedliche Winkel auf. Dieses Pferd kann nicht „gerade“ gehen!

 

Die Pferdebesitzerin klagte einen Hufschmied (aus einem fernen Bundesland), weil er ihrer Meinung nach Verantwortung für eine Hufrehe des von ihr vor einem halben Jahr gekauften Pferdes trage – die Befundaufnahme durch den (unerwartet angereisten) Gerichtssachverständigen zeigte jedoch einen völligen Mangel an Hufpflege und beginnenden Hufkrebs.

 

Pferde sind meist sehr reinliche Tiere – um ihnen Wohlbefinden zu sichern, ist ein vernünftiges Maß an Sauberkeit und Hygiene zu gewährleisten – insbesondere der dauernde ungehinderte Zugang zu sauberem Wasser ist eine Lebens- und Gesundheitsgrundlage.

 

Die Figur von Pferden kann sich aus verschiedenen Gründen verändern: Alter und Wachstum, Training oder Krankheit. Die beliebten Sattel-Unterlagen aus Stoff oder Fell lassen keine Aussage zu Passform des Sattels zu, außerdem dienen sie dem Schutz des Sattels, aber nicht dem des Pferdes: um die Passform des Sattels zu überprüfen, wird er beim Beritt ohne Sattel-Unterlage aufgelegt und die gleichmäßige Auflage am Pferderücken beurteilt. Ich ziehe die „altmodischen“ Filz-Satteldecken allen anderen vor – die meisten Pferde auch. Schlechte Besattelung verhindert Wohlbefinden.

 

Der „Hallenboden“ gibt immer wieder einmal Anlass zu Streitereien – gegenständlich wurde von einem Pferdeeigentümer behauptet, die Lungenprobleme seines Pferdes hängen mit dem „Hallenstaub“ zusammen.
Mittels einer speziellen „Rüttelbox“ wurden die Bodenbestandteile getrennt, der Staubanteil mit einer Körnung von 1-2 mm überwog deutlich – zumindest eine Korrelation zwischen Staub und Husten lag nahe.

 

Unfall-Rekonstruktion, bei denen Pferde beteiligt sein müssen (wie vorliegend Kollision mit tödlichem Ausgang für einen Menschen) stellen für die Tiere eine hohe Belastung dar – größtmögliche Sicherheitsmaßnahmen und große Abstände sind einzuhalten – die Beamten der Polizei sind in der Regel äußerst kooperativ.

 

Ansammlungen einander nicht bekannter Pferde stellen eine psychisch hochbelastende Situation dar, die durch unvernünftige und unvorsichtige Zuschauer noch verschärft wird. Das lange Stehen in fremder Umgebung ist speziell für junge Pferde ungewohnt; fordernder und unerträglicher Harndrang kann zu unliebsamen und gefährlichen Zwischenfällen führen. Eine „wissende“ Bezugsperson sollte immer beim Kopf stehen.

 

Einem „Aufsetz-Kopper“ ist das Wohlbefinden gänzlich abhandengekommen – die allgemeine Ansicht, Langeweile wäre die Haupt-Ursache, kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Der Schimmel rechts geht mit Passion seiner Tätigkeit nach, lebt aber in einem modernen Bewegungsstall. Ich halte Koppen für eine Ersatzhandlung, heute vielfach auch als Übersprungshandlung bezeichnet, die aus Konfliktsituationen entsteht und – obwohl im Augenblick sinnlos erscheinend – kurzzeitige Beruhigung und Ablenkung verschafft: jedenfalls liegt eine schwere Störung des Wohlbefindens vor. Ich habe vielfältige Ursachen erlebt: chronisch rezidivierende Schmerzen (auch bei Lahmheiten), unsympathische Boxennachbarn, regelmäßige Störungen der Nachtruhe durch (Verkehrs-)Lärm und Licht, grobe oder lieblose Behandlung, Verlust von Gefährten und Stallwechsel, Zahnprobleme durch zu feinkörniges Futter.

Der Kopper zeigt, dass er unglücklich ist, der Verzweiflung auf die Spur muss sein Mensch, manchmal mit kundiger Hilfe, kommen.  

 

Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.

Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zu Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!

Sollten Leser meiner Aufsätze einzelne Themen vertiefen wollen, so kann auch - unter den oben angeführten Bedingungen - aus dem reichen Fundus der kostenlosen Downloads auf www.pferd.co.at  geschöpft werden.

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