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Secretariat-Besitzerin Penny Chenery im Alter von 95 Jahren verstorben
20.09.2017 / News

Penny Chenery und Secretariat, der bis zu seinem Tod 1989 im Zuchteinsatz stand.
Penny Chenery und Secretariat, der bis zu seinem Tod 1989 im Zuchteinsatz stand. / Foto: Courtesy of Secretariat.com
Penny Chenery – hier mit Secretariat und Jockey Ron Turcotte – war eine der ersten Frauen in der Männer-Domäne des Turf.
Penny Chenery – hier mit Secretariat und Jockey Ron Turcotte – war eine der ersten Frauen in der Männer-Domäne des Turf. / Foto: Courtesy of Secretariat.com
Penny Chenery im Jahr 2015 – bis zuletzt hatte sie all ihre Kraft und Energie dem Rennsport und den Pferden gewidmet.
Penny Chenery im Jahr 2015 – bis zuletzt hatte sie all ihre Kraft und Energie dem Rennsport und den Pferden gewidmet. / Foto: Courtesy of Secretariat.com

Sie war die „First Lady des Galopprennsports" und schrieb als Besitzerin des legendären Triple Crown-Gewinners Secretariat Rennsport-Geschichte. Am 16. September 2017 ist Penny Chenery 95-jährig in Colorado verstorben.

 

Sie war die ,Grande Dame' des Pferderennsports in den USA – und viel mehr als das. Sie war eine der ersten Frauen, die es in der Männer-Domäne des Turf nicht nur zu Ruhm und Ansehen brachte, sondern die Dank ihrer Energie, ihrer Intelligenz und ihres Charismas dem Rennsport in der Öffentlichkeit ein neues Gesicht geben konnte.

Helen „Penny" Chenery wurde am 27. Jänner 1922 in New Rochelle im Bundesstaat New York als Tochter von Helen und Christopher Chenery geboren. Ihr Vater hatte es als Ingenieur, Geschäftsmann und mehrfacher Firmengründer zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht und in den 30er und 40er Jahren das Vollblut-Gestüt Meadow Stud samt zugehörigem Rennstall in Ashland/Virginia aufgebaut. Von ihrem Vater erbte sie die Leidenschaft für Pferde und ritt in ihrer Kindheit und Jugend, so oft es ihre Zeit zuließ. 1943 schloss sie am Smith College ab, arbeitete in einem Konstruktionsbüro, das Landungsboote für die Invasion in der Normandy entwarf, diente als Hilfs-Krankenschwester in einem Krankenhaus und arbeitete später beim Amerikanischen Roten Kreuz in Frankreich und Deutschland, wo sie abgerüstete US-Soldaten betreute. Es sollte eine der prägendsten Erfahrungen ihres Lebens sein, wie sie später zugab.

Nach Hause zurückgekehrt begann sie ein Studium an der Columbia Business School. Während des Studiums lernte sie ihren späteren Mann John Bayard „Jack" Tweedy kennen – und brach auf Wunsch ihres Vaters sechs Monate vor ihrem Abschluss das Studium ab, um sich ganz ihrer neuen Rolle als Ehefrau und Mutter zu widmen. Es war für Penny Chenery – fortan Tweedy – eine äußerst schwierige Entscheidung, doch nachdem sie getroffen war, folgte sie ihr mit großer Konsequenz. Penny und Jack übersiedelten 1950 nach Denver, wo ihre vier Kinder zur Welt kamen: Sarah (1950), Kate (1952), Chris (1955) und John (1960). Penny machte sich in diversen Wohltätigkeits-Organisationen und Hilfsvereinen nützlich und unterstützte ihren Mann bei der Gründung des heute berühmten Ski-Resorts in Vail/Colorado, wo die Familie auch ein Haus erwarb.

Doch die Zeiten der Charity-Events und der Freiwilligen-Arbeit sollten schon bald der Vergangenheit angehören: Ein Telefongespräch an einem November-Nachmittag veränderte alles. Pennys Vater Chris ging es, nachdem seine Frau Helen im November 1967 verstorben war, gesundheitlich immer schlechter – und als Penny den Anruf erhielt, wieder nach Hause zurückzukehren, wusste sie, dass ihr Vater Hilfe brauchte. Die beschaulichen Zeiten als Mutter und Hausfrau waren damit vorbei – aber in gewisser Weise war es für Penny auch ein Befreiungsschlag, der neue Kräfte freisetzte. Es galt, das Vermächtnis ihres Vaters und sein geliebtes Gestüt ,The Meadows' zu retten – und dieser Aufgabe widmete sich Penny fortan mit all ihrer Energie und großem Ehrgeiz.

Sie übernahm mit Hilfe ihrer Geschwister Margaret Carmichael und Hollis Chenery sowie der Sekretärin ihres Vaters, Elizabeth Ham, die Leitung des Rennstalls, der trotz einiger beachtlicher Erfolge in Schwierigkeiten steckte und rote Zahlen schrieb. Penny stürzte sich in die Arbeit, pendelte jeden Monat von Colorado nach Virginia – aber die Verluste blieben, der Verkauf des Stalls schien unvermeidlich.

Doch 1971 sollte sich das Blatt wenden: Der von Meadows Stable gezüchtete Riva Ridge entpuppte sich als Ausnahme-Talent und gewann in seiner ersten Saison nicht weniger als fünf Rennen und wurde zum „Zweijährigen des Jahres" gekürt. 1972 gewann er das Kentucky-Derby und erfüllte damit den Traum von Chris Chenery in seinem letzten Lebensjahr. Und er erlebte auch noch mit, wie ein anderes seiner Pferde – ein gewisser Secretariat – 1972 wie ein Komet am Turf-Himmel erschien und Fachleute und Öffentlichkeit gleichermaßen faszinierte: Er gewann ebenfalls fünf Rennen und wurde zum ,Pferd des Jahres' gekürt. 

Secretariats unwiderstehlichen Lauf in die Unsterblichkeit sollte Pennys Vater jedoch nicht mehr miterleben: Er starb am 3. Jänner 1973, doch er durfte sich gewiss sein, dass er mit Riva Ridge und Secretariat zwei Pferde hinterlassen hatte, welche die Zukunft der Meadows-Farm sichern würden. Und das taten sie – insbesondere Secretariat – in einzigartiger Manier.  

Noch heute gilt Secretariat bei vielen Experten als das beste Rennpferd, das die Welt jemals gesehen hat. Er galt schon zu Lebezeiten als Wunder auf vier Beinen und schaffte 1973, was 25 Jahre lang niemand geschafft hatte und an dem auch sein Stallkollege Riva Ridge ein Jahr zuvor gescheitert war: die Krone des US-Turfsports, die Triple Crown zu gewinnen, also in einem Jahr das Kentucky Derby, die Preakness Stakes und die Belmont Stakes für sich zu entscheiden. Doch nicht nur die Tatsache, dass Secretariat diese Krone erobern konnte, sollte ihn unsterblich machen, sondern vor allem die unglaubliche Art und Weise, wie er es tat.

Schon beim ersten Saison-Höhepunkt, dem Kentucky-Derby, präsentierte sich der imposante Fuchs in prächtiger Verfassung: Er war ein Modellathlet, groß und kräftig – und sein Spitzname „Big Red" verwies auf ein Pferd, das bis dahin als das größte Rennpferd aller Zeiten gegolten hatte: Man O'War. Das vierbeinige Kraftpaket wurde von Jockey Ron Turcotte lange zurückgehalten, kam im Rennverlauf aber unwiderstehlich nach vor und zog nach einem großen Duell mit seinem Herausforderer Sham auf der Schlussgeraden energisch davon – welch ein Sieg! Sein dabei erzielter Streckenrekord von 1,59,40 wurde von keinem Pferd mehr erreicht und ist bis heute gültig. Während Pferde im Rennverlauf üblicherweise immer langsamer werden, schaffte Secretariat das Kunststück, jede Viertelmeile schneller als die vorige zu laufen – wie Analysen nach dem Rennen ergeben haben.

Wohl noch eindrucksvoller verliefen die Preakness Stakes, die zweite Station der Triple Crown. Wieder war es Sham, der als einziger in der Lage war, Secretariat einigermaßen Paroli zu bieten – der aber schließlich mit zweieinhalb Längen Rückstand auf Secretariat nur Platz zwei holen konnte. Nach verhaltenem Start lag Secretariat nur an letzter Stelle des sechsköpfigen Feldes – doch wie er das gesamte Feld im ersten Bogen von hinten aufrollte und in der ungünstigen Außenposition mit unwiderstehlichem Speed stehenließ, war schlicht atemberaubend und eine Demonstration eindrucksvoller Kraft und Überlegenheit. Kein Wunder, dass die Lobeshymnen nach dem Rennen immer lauter wurden und Charles Hatton – Veteran unter den Turf-Reportern, der noch den legendären Man o' War miterlebt hatte – Secretariat als das beste Pferd bezeichnete, dass er je gesehen hatte. Und wäre die Zeitnehmung nicht während des Rennens ausgefallen, so würde Secretariat zweifellos auch hier den ewigen Streckenrekord halten.

Man kann sich kaum vorstellen, mit welchen Erwartungen Secretariats Antreten bei den Belmont Stakes, der dritten Station der Triple Crown, entgegengefiebert wurde. Die ganze Nation – nicht nur die Turf-Fans – saßen vor den Fernsehschirmen, und Secretariat enttäuschte sie nicht. Nur vier Konkurrenten traten gegen „The Big Red" an – und diesmal ließ Jockey Ron Turcotte seinem Pferd freien Lauf: Bereits kurz nach dem Start kam Secretariat kraftvoll nach vorne und zog nach kurzem Zweikampf mit Sham unaufhaltsam davon. Keiner konnte glauben, was sich auf dem Track abspielte – Secretariat schrieb Geschichte und bot eine der großartigsten sportlichen Leistungen aller Zeiten: Er gewann mit 31 Längen Vorsprung und vollendete seinen Mythos. Seine Zeit von 2,24,00 Sekunden über die anderthalb Meilen (2,4 km) sind nicht nur Streckenrekord, sondern nach wie vor Weltrekord über diese Distanz: Nie zuvor und nie wieder nachher konnte ein Pferd diese Strecke schneller laufen. Auch sein Vorsprung von 31 Längen ist nach wie vor Rekord in Belmont Park.

Nach weiteren eindrucksvollen Siegen wurde Secretariat nach der Saison 1973 aus dem Sport verabschiedet und in die Zucht genommen, wo er einige exzellente Pferde hervorbrachte. Nach einer schweren Hufrehe musste Secretariat am 4. Oktober 1989 eingeschläfert werden. Er wurde auf der Claiborne Farm in Kentucky beerdigt. Eine zuvor durchgeführte Autopsie an der Universität von Kentucky förderte ein erstaunliches Detail zutage – Secretariat hatte ein überdurchschnittlich großes Herz, das ihn wohl zu solch außerordentlichen Leistungen befähigte: Während das Herz eines normal großen Pferdes ca. 3,2 kg wiegt, wog jenes von Secretariat 9,6 kg. Auch darin war er einzigartig.

Penny Chenery war – in den glorreichen und in den traurigen Tagen – stets an Secretariats Seite und wurde ein wesentlicher Teil seines Mythos: Ihr anfangs ungläubiger und schließlich überschwänglicher Jubel bei den Belmont Stakes 1973 sind ebenso in die Geschichte eingegangen wie die Fotos des Zieleinlaufs, die ein einsam dahinfliegendes Pferd zeigen – und dahinter lange nichts. Penny Chenery erwies sich als kraftvolle, charismatische und kluge Verwalterin von Secretariats Ruhm und Erbe, die in den folgenden Jahren ihre Popularität nutzte, um dem US-Pferderennsport – der schwierige Jahrzehnte durchmachen sollte – als Vorbild, Beispiel und Identifikationsfigur zu dienen.

Sie war – und blieb es ihr ganzes Leben lang – eine Botschafterin des Rennsports: Sie war die erste weibliche Präsidentin der Vollblut-Besitzer und -Züchter-Vereinigung und Präsidentin der Grayson-Jockey Club Research Foundation. Sie war Mitbegründerin der Thoroughbred Retirement Foundation und rief den ,Secretariat Vox Populi Award' ins Leben, der jährlich an das populärste Rennpferd der USA verliehen wird – und sie gründete die ,Secretariat Stiftung', die zahllose Hilfs- und Wohltätigkeits-Projekte innerhalb der Rennsport-Szene finanziert und unterstützt. Sie setzte sich bis zuletzt für eine bessere medizinische Betreuung im Rennsport ein, sprach sich für mehr Hufrehe-Forschungsprojekte aus und war eine entschiedene Befürworterin von noch strengeren und effizienteren Anti-Doping-Regeln. Ihre Leistungen und ihr lebenslanges Engagement wurden in vielfältiger Weise gewürdigt: 2006 wurde sie mit dem ,Eclipse Award of Merit' für ihr Lebenswerk ausgezeichnet

Penny Chenery war eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Frau, was der großen Öffentlichkeit spätestens durch den Walt Disney-Film ,Secretariat' im Jahr 2010 bewusst wurde. Denn die Geschichte des legendären Rennpferdes und Triple Crown-Gewinners war nicht zuletzt auch die Geschichte ihres eigenen Lebens. Schauspielerin Diane Lane verkörperte sie in wunderbarer Weise – und es ist mehr als nur eine Geste oder eine sentimentale Reminiszenz von Regisseur Randall Wallace, wenn am Ende des Films auch Penny Chenery persönlich kurz zu sehen ist: Es war die Verbeugung vor einer großen Persönlichkeit und einer bewundernswerten Frau, die ihr Leben dem Rennsport und den Pferden gewidmet hat.

Penny Chenery ist am 16. September 2017 in ihrer Heimat Colorado an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Sie hinterlässt vier Kinder und sechs Enkelkinder.

Alles über das legendäre Rennpferd und seine ebenso legendäre Besitzerin erfährt man auf der Website www.secretariat.com. Dort ist auf der Startseite auch jenes unglaubliche Foto zu sehen, das Secretariats Sieg bei den Belmont Stakes zeigt – mit 31 Längen Vorsprung: Ein Bild für die Ewigkeit.

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