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Pferde suchen bei Problemen menschliche Hilfe
19.12.2016 / News

Im Laufe der Domestikation bildete sich ein starkes Band zwischen Mensch und Pferd, das ein tiefes gegenseitiges Verständnis ermöglicht.
Im Laufe der Domestikation bildete sich ein starkes Band zwischen Mensch und Pferd, das ein tiefes gegenseitiges Verständnis ermöglicht. / Symbolfoto: Irene Gams
Das Pferd möchte den Menschen auf das Futter im Eimer aufmerksam machen. Foto a) zeigt, wie das Pferd den Pfleger sanft anstubst – Foto b) wie es den Pfleger anschaut und seine Aufmerksamkeit erregen will.
Das Pferd möchte den Menschen auf das Futter im Eimer aufmerksam machen. Foto a) zeigt, wie das Pferd den Pfleger sanft anstubst – Foto b) wie es den Pfleger anschaut und seine Aufmerksamkeit erregen will. / Foto: Kobe Universität

Pferde sind sozial und kommunikativ zu erstaunlichen Leistungen fähig und suchen bei unlösbaren Aufgaben gezielt menschliche Hilfe – das fanden Wissenschaftler der Kobe Universität in Japan in einem Experiment heraus.

 

Je mehr wir über Pferde wissen, umso erstaunlicher und eindrucksvoller sind ihre vielfältigen sozialen, kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten – dies bestätigt auch die Forschungsarbeit der Wissenschaftler Monamie Ringhofer und Prof. Shinya Yamamoto von der Kobe Universität in Japan. Die beiden Wissenschaftler konnten in einem Experiment nachweisen, daß Pferde gezielt visuelle und taktile Signale einsetzen, um bei unlösbaren Problemen die Aufmerksamkeit des Menschen und seine Hilfe zu erhalten. Im Rahmen ihrer Studie konnte auch gezeigt werden, daß Pferde ihr ,kommunikatives Verhalten' auch exakt auf den jeweiligen Wissensstand des Menschen abstimmen und es nötigenfalls auch verändern.

Mit anderen Individuen kommunizieren zu können, um Informationen über ergiebige Futterplätze oder bedrohliche Raubtiere zu bekommen, ist eine äußerst wertvolle Überlebenshilfe. Schimpansen etwa, die dem Menschen evolutionär sehr nahe stehen, haben diesbezüglich besondere Fähigkeiten ausgebildet. In Studien konnte gezeigt werden, daß Schimpansen nicht nur den Aufmerksamkeits-Status anderer Individuen exzellent einschätzen können (sieht er mich oder sieht er mich nicht), sondern sogar deren Wissensstand zuverlässig beurteilen können (weiß er etwas – oder weiß er nichts). Manche Haustiere können sehr gut mit dem Menschen kommunizieren – wie jüngste Untersuchungen demonstrieren konnten, verstehen etwa Hunde eine Vielzahl menschlicher Gesten und Ausdrücke ganz exzellent. Man nimmt an, daß diese Fähigkeiten im Laufe des Domestikationsprozesses erworben und kontinuierlich verfeinert wurden.

Seit Pferde vor mehr als 6.000 Jahren domestiziert wurden, haben Pferde in vielfältiger Weise einen Beitrag zur menschlichen Zivilisation geleistet – als Trag- und Transporttier ebenso wie als Gefährte und Partner. Reiten hat unbestreitbar positive Einflüsse auf unsere physische und mentale Gesundheit. Die hohe soziale Kompetenz von Pferden dem Menschen gegenüber ist eine mögliche Erklärung für den Umstand, daß Pferde und Menschen heute durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit verbunden sind – dennoch gibt es nur wenig wissenschaftliche Beweise für diese außergewöhnliche Fähigkeit.

In ihrer Studie haben Monamie Ringhofer und Prof. Shinya Yamamoto die sozialen und kognitiven Fähigkeiten von Pferden gegenüber Menschen untersucht, und zwar in Situationen mit einem für sie unlösbaren Problem, bei dem Futter an einem Ort versteckt war, der nur vom Menschen erreicht werden konnte. Die Experimente wurden in einem Paddock des Reitclubs der Kobe Universität durchgeführt, insgesamt nahmen daran acht Pferde sowie ihre studentischen Pfleger teil.

Beim ersten Experiment versteckte ein Assistent Karotten in einem Eimer, der für das Pferd unerreichbar war. Die Wissenschaftler beobachteten, ob und wie das Pferd Signale an seinen Pfleger übermitteln würde, als dieser (ohne über die Situation Bescheid zu wissen) eintraf. Das Pferd stellte sich tatsächlich ganz nahe an seinen Pfleger, schaute ihn an, berührte und schubste ihn. Diese Verhaltensweisen zeigte das Pferd über einen signifikant längeren Zeitraum im Vergleich zu Versuchen, in denen zuvor kein Futter versteckt worden war. Die Ergebnisse zeigten eindeutig, daß – wenn Pferde ein Problem nicht selbstständig lösen konnten – klare visuelle (indem sie sie ansahen) und physische (indem sie sie berührten und schubsten) Signale an ihre menschliche Bezugsperson richteten.

Aufbauend auf diesen Resultaten führten die Wissenschaftler ein zweites Experiment durch: Sie untersuchten, ob sich das Verhalten der Pferde ändern würde, wenn der Pfleger über das versteckte Futter Bescheid wusste (also das Verstecken der Karotten gesehen hatte und dies vom Pferd beobachtet worden war). Tatsächlich gaben die Pferde deutlich mehr und intensivere Signale, wenn der Pfleger nichts vom Verstecken des Futters bemerkt hatte – was beweist, daß sich das Verhalten der Pferde verändert, und zwar abhängig vom Wissensstand der menschlichen Bezugsperson.

Beide Experimente bestätigten, daß Pferde bestimmte Verhaltensweisen und Signale einsetzen, um mit Menschen zu kommunizieren. Sie legen auch nahe, daß Pferde große kognitive Fähigkeiten haben, die sie in die Lage versetzen, ihr Verhalten flexibel an den jeweiligen Wissensstand des Menschen anzupassen. Diese beachtliche soziale Intelligenz haben sich die Pferde vermutlich während des Domestikations-Prozesses angeeignet. Um herauszufinden, welche besondere Eigenschaft es Pferden ermöglicht, eine so enge Verbindung zum Menschen aufzubauen, möchte das Wissenschaftler-Team nicht nur die Kommunikation zwischen Pferden untereinander vergleichen, sondern auch die soziale Intelligenz von Pferden in der Kommunikation mit Menschen noch genauer unter die Lupe nehmen.

Die Wissenschaftler abschließend: „Durch die Vertiefung unseres Verständnisses der kognitiven Fähigkeiten, die von einer Spezies entwickelt wurden, die eine enge Beziehung zu Menschen haben, und durch Vergleiche mit den kognitiven Fähigkeiten anderer Spezies wie Primaten, die evolutionär eng mit dem Menschen verwandt sind, können wir die Entwicklung einzigartiger kommunikativer Fähigkeiten bei domestizierten Tieren untersuchen. Dies hängt eng mit dem Einfluss der Domestikation auf die kognitiven Fähigkeiten von Tieren zusammen – und dieses Wissen kann möglicherweise dazu beitragen, die Beziehung zwischen Mensch und Tier zu stärken."

Die Studie „Domestic horses send signals to humans when they face with an unsolvable task" von Monamie Ringhofer und Prof. Shinya Yamamoto ist am 24. Nov. 2016 in der Zeitschrift „Animal Cognition" erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.

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