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Studie: Selektive Entwurmung reduziert Medikamenten-Einsatz um 65 %
18.12.2020 / News

Die Schweizer Studie zeigt: Ein selektiver, evidenzbasierter Ansatz kann den Einsatz von Entwurmungsmitteln um fast zwei Drittel reduzieren.
Die Schweizer Studie zeigt: Ein selektiver, evidenzbasierter Ansatz kann den Einsatz von Entwurmungsmitteln um fast zwei Drittel reduzieren. / Symbolfoto: Archiv

Im Rahmen einer Studie konnten Schweizer Wissenschaftler nachweisen, dass durch einen sogenannten selektiven, also auf Eizählungen basierenden Ansatz bei der Parasitenbekämpfung die eingesetzten Entwurmungsmittel um mehr als 65 % reduziert werden konnten.

 

Bereits seit vielen Jahren warnen Wissenschaftler vor zunehmenden Resistenzen gegen die handelsüblichen Entwurmungs-Mittel – ein Problem, das häufig als Folge der sogenannten strategischen Entwurmung auftritt, wie sie noch immer in etlichen Pferdeställen eingesetzt wird. Dabei werden in bestimmten Intervallen sämtliche Pferde eines Bestandes entwurmt – ungeachtet der individuellen Parasiten-Belastung. Diese Methode hat zwar manche Vorteile (und ist insbesondere bei Fohlen und Jährlingen ohne echte Alternative) – führt aber mittel- und langfristig dazu, dass die immer wieder behandelten Pferde Resistenzen gegen die eingesetzten Wurmkuren entwickeln können und diese immer weniger wirksam sind. Um dieser negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten, raten Experten in den letzten Jahren daher vermehrt zur sogenannten selektiven oder auch zeitgemäßen Entwurmung, bei der mittels Kotprobenuntersuchungen und Zählung der Parasiteneier die individuelle Wurmbelastung jedes Pferdes festgestellt und erst dann entsprechend behandelt wird. Nur Pferde, die einen bestimmten Grenzwert an Parasiteneiern (meist gelten 200 Eier pro Gramm Kot als ,Schwellenwert’) überschreiten, werden entwurmt.

Dieser selektive bzw. zeitgemäße Entwurmungs-Ansatz wird seit vielen Jahren von Experten empfohlen (nach dem Motto: Regelmäßige Tests – nicht regelmäßiges Entwurmen) und hat sich mittlerweile auch in der Praxis gut etabliert. Bis vor kurzem wurden jedoch keine Studien durchgeführt, um festzustellen, ob in Betrieben, die diese Methode verwendeten, der Einsatz von Entwurmungsmitteln (Anthelminthika) tatsächlich reduziert wurde – und wenn ja, in welchem Ausmaß.

Genau dieser Frage haben sich die Schweizer WissenschaftlerInnen Dr. Liselore Roelfstra, Marion Quartier und Kurt Pfister angenommen. Sie untersuchten fünf landwirtschaftliche Betriebe in Frankreich und der Schweiz, die 2014 auf ein selektives, evidenzbasiertes Entwurmungsprotokoll für ihre Pferde umgestellt hatten, um die langfristige Reduktionsrate von Anthelminthika zu bestimmen. Bei den Betrieben handelte es sich primär um Reitställe mit entsprechenden Paddocks bzw. Weideflächen für die Pferde. Insgesamt umfasste die Studie 90 Pferde und drei Ponys im Alter von 3 bis 32 Jahren.  

Seit 2014 wurde bei jedem Pferd im Frühjahr und Herbst zweimal im Jahr Kotproben genommen und eine Zählung der Parasiteneier durchgeführt – insgesamt wurden im Rahmen der sechsjährigen Untersuchungsdauer 757 derartige Analysen (Eizählungen) durchgeführt. Ein Pferd erhielt nur dann eine Dosis Entwurmungsmittel, wenn die Analyse ergab, dass es eine Wurmlast von 200 Eiern pro Gramm Kot oder mehr aufwies.

Wie sich herausstellte, war das nur bei 263 der 757 analysierten Kotproben erforderlich – es musste somit nur bei 34,7 % der Untersuchungen dem betreffenden Pferd ein Entwurmungsmittel gegeben werden. Ohne eine Umstellung auf dieses evidenzbasierte Entwurmungsmodell wäre jedem Pferd – wie das bis 2014 auch tatsächlich der Fall war – zwei bis dreimal jährlich eine Wurmkur verabreicht worden, insgesamt wären dies 757 gewesen. Mit dem neuen Ansatz waren es hingegen nur 263 – sprich: Die Anthelminthika-Behandlungen konnten um beachtliche 65,3 Prozent reduziert werden!

Dr. Liselore Roelfstra und ihre Kollegen sagten, die Ergebnisse zeigten, dass es auch in klassischen Reitställen mit vielen unterschiedlichen Pferdebesitzern und Wechseln im Pferdebestand leicht möglich ist, zweimal im Jahr Eizählungen für jedes Pferd durchzuführen. „Zweifellos ist das Einverständnis bzw. die Unterstützung des Stallbetreibers eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Kontrollsystems. Diese Feldstudie zeigt jedoch deutlich, dass viele Pferdebesitzer – alle Pferdebesitzer in dieser Studie mussten für die Analysekosten selbst aufkommen – bereit sind, für eine gut gesteuerte Parasitenbekämpfung zu zahlen, trotz einiger wirtschaftlicher Bedenken hinsichtlich der Laborkosten für die Kotanalysen."

Die Parasitenbekämpfung mit Kotproben-Analysen und Eizählungen habe sich in ihrer Studie als flexibel und auch großteils erfolgreich erwiesen, so die Forscher. Ein weiterer Vorteil sei, dass jegliche Anthelminthika-Behandlung dabei spezifisch je nach dem erkannten Parasitenspektrum durchgeführt werden kann. Vor allem aber seien die Ergebnisse von besonderer Bedeutung für die Verlangsamung der Entwicklung von Arzneimittelresistenzen bei Pferdeparasiten, so das Resümee der Wissenschaftler: „Die erzielte Gesamtreduktion zeigt deutlich das Potenzial für eine Reduzierung der Anzahl der Anthelminthika-Behandlungen in Reitställen, wenn dies angemessen durchgeführt wird."

Die Schweizer Wissenschaftler betonten außerdem, dass in keinem der Betriebe während des gesamten Untersuchungszeitraums ein Krankheitsproblem auftrat, das mit Parasitenbefall in Verbindung gestanden wäre.

Die Studie „Preliminary Data from Six Years of Selective Anthelmintic Treatment on Five Horse Farms in France and Switzerland" von Liselore Roelfstra, Marion Quartier und Kurt Pfister ist am 15. Dezember 2020 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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