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Geringere Fitness, schlechtere Blutwerte: Schon geringes Übergewicht belastet Pferde
21.09.2021 / News

Bedenklich: Schon geringes Übergewicht kann negative Effekte auf Fitness und Gesundheit haben, wie eine Studie an Islandpferden nun gezeigt hat.
Bedenklich: Schon geringes Übergewicht kann negative Effekte auf Fitness und Gesundheit haben, wie eine Studie an Islandpferden nun gezeigt hat. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Pferde, die zuviele Kilos mit sich herumschleppen, müssen beim Training mehr körperliche Anstrengung aufwenden – und das nicht nur wegen des zusätzlichen Gewichts. Laut einer neuen Studie beeinflusst Körperfett die Leistungsfähigkeit auch auf chemischer Ebene und erhöht Bewegungsasymmetrien.

 

Dass Übergewicht schlecht für die Gesundheit ist, ist undbestritten und gilt für Menschen und Pferde gleichermaßen. Bei Pferden fällt der Blick dabei oftmals auf die Folgen von sehr deutlicher Fettleibigkeit – die etwa zu EMS oder Hufrehe führen kann. Wissenschaftler in Schweden und Island haben nun aber herausgefunden, dass bereits ein geringer Anstieg des Körperfetts zu unerwünschten Veränderungen der Blutwerte während und nach dem Training sowie zu Bewegungsasymmetrien führen kann, ebenso zu niedrigeren Leistungswerten bei körperlicher Anstrengung, wie Anna Jansson, PhD, Professorin am Institut für Anatomie, Physiologie und Biochemie an der Schwedischen Universität für Landwirtschaft und Wissenschaften in Uppsala, und ihre Forscherkollegen herausfanden.

Prof. Jansson war schon seit längerem aufgefallen, dass Reiter manchmal mit Pferden bei Turnieren antreten, die fülliger sind, als sie sein sollten – was sie als Wissenschaftlerin beschäftigte. „Wir sehen viele übergewichtige Pferde, und oft sind sich die Besitzer dessen nicht bewusst“, so Jansson gegenüber dem Portal TheHorse.com. „Sie denken, das Pferd sei in Ordnung oder sogar ‚muskulös‘.“

Jansson fragte sich, inwieweit der Fettgehalt selbst die Art und Weise beeinflussen würde, wie der Körper Energie auf molekularer Ebene nutzt. Deshalb entwarfen sie und ihre Kollegen eine bemerkenswerte Studie, mit der sie untersuchen konnten, ob bzw. wie mehr oder weniger Körperfett den Stoffwechsel und die Leistungsfähigkeit ein und derselben Pferdes beeinflusst.

Dazu arbeiteten sie mit neun isländischen Wallachen im Alter von 6 bis 8 Jahren, die alle ungefähr die gleiche Größe, das gleiche Gewicht (ca. 400 kg), die gleiche Körperkondition und das gleiche Trainingsniveau hatten. Dann, 36 Tage lang, erhöhten oder verringerten sie ihre normale Kalorienaufnahme um etwa 20-25%. Am Ende dieses 36-tägigen Zeitraums wechselten sie zum entgegengesetzten Fütterungsprogramm, was bedeutete, dass die Pferde, die zuvor überfüttert worden waren, nun 36 Tage lang unterfüttert wurden und umgekehrt.

Währenddessen wurden die Pferde weiter wettkampfmäßig trainiert. Zu Beginn der Studie und am Ende jedes 36-tägigen Testzeitraums wurden die Pferde Belastungstests vor erfahrenen Richtern, die nicht über die jeweilige Testphase der Pferde informiert waren, sowie auf Laufbändern mit standardisierten wissenschaftlichen Verfahren unterzogen. Die Forscher sammelten Daten über die Pferde durch Bluttests, Bewegungsanalysesensoren und klinische Bewertungen.

Im Durchschnitt waren die Pferde am Ende der Überfütterungsphase um 19 kg schwerer als in der Unterfütterungsphase, sagte Jansson. Bei Überfütterung wiesen sie an den meisten Körperstellen eine größere Rumpffettdicke, einen größeren Körperfettanteil, eine größere Fettmasse sowie erhöhte Körperzustandswerte (Body Condition Scores) an etlichen Körperregionen auf. An Körperstellen, die oftmals als zuverlässige ,Fettanzeiger’ gelten – etwa am Rücken oder beim Halsumfang – waren die BCS-Werte jedoch nicht erhöht, die Pferde wiesen auch nicht den typischen Fettansatz am Hals (cresty neck) auf.

Das erhöhte Körpergewicht war also nicht einfach auf den ersten Blick erkennbar – aber es zeigte sich, dass es sehr deutliche Auswirkungen auf den Körperzustand, die Bewegungen und andere wichtige Gesundheits-Parameter hatte: Beim Training zeigten Bewegungssensoren an, dass die Pferde im Vergleich zu den zu dünnen Pferden leicht asymmetrisch waren. Wenn die Pferde schwerer waren, zeigten ihre Blutwerte zudem eine schlechtere Laktatentfernung und Glukoseverfügbarkeit sowie eine verringerte anaerobe Energieschwelle, die Pferde hatten zudem einen geringeren Anteil an roten Blutkörperchen, die im Blut zirkulierten. Sie brauchten auch länger, um nach dem Training ihre normale Atemfrequenz wieder zu erreichen.

All diese Faktoren deuten auf eine schlechtere metabolische und physiologische Fitness hin, so die Wissenschaftler zusammenfassend. „Wir wollten den physiologischen und metabolischen Hintergrund für den Leistungsabfall untersuchen – mit anderen Worten, um zu wissen, ob mehr dahintersteckt, als nur mehr Gewicht zu tragen, was natürlich die Leistung einschränkt“, so Prof. Jansson. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass dem tatsächlich so ist.“

Der relative Rückgang der roten Blutkörperchen – ein unerwarteter Befund – ist ein Beispiel dafür, so Prof. Jansson: „Dies deutet auf erhebliche Veränderungen der Gewebefunktion hin, die die Leistung einschränkt“, sagte sie. Reduzierte Hämatokritwerte (Prozentsatz der roten Blutkörperchen im Blut) als Reaktion auf Veränderungen des Körperfetts wurden bisher bei keiner Spezies festgestellt, erklärte sie. All das lasse nur eine Schlussfolgerung zu – und die sei in hohem Maße besorgniserregend: „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass bereits eine Erhöhung des Körperfettanteils, des Körpergewichts und des Körperzustandswerts (BCS) um 5 bis 8 % die physiologische und metabolische Fitness senkt und die tatsächliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt“, so das Resümee der Wissenschaftler.

Die Studie unterstreicht auch, wie wichtig es ist, Pferde fit zu halten und zu erkennen, wann sie übergewichtig werden. „Lernen Sie, wie Sie die Körperkondition bewerten und Ihre Freizeit- und Sportpferde in einer moderaten Körperkondition halten. Das unterstützt sowohl die Gesundheit als auch die Leistungsfähigkeit“,  so Prof. Jansson abschließend.

Die Studie „Increased body fat content in horses alters metabolic and physiological exercise response, decreases performance, and increases locomotion asymmetry" von Anna Jansson, Vikingur Þ Gunnarsson, Sara Ringmark, Sveinn Ragnarsson, Denise Söderroos, Einar Ásgeirsson, Tanja R. Jóhannsdóttir, Charlotta Liedberg und Guðrún J. Stefánsdótti ist am 10. Juni 2021 in der Zeitschrift ,Physiological Reports' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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