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Corona-Krise: Das ist die aktuelle Rechtslage für Pferdebetriebe und Pferdebesitzer
21.03.2020 / News

Dr. Nina Ollinger ist Rechtsanwältin in Purkersdorf/NÖ und Spezialistin für Rechtsfragen rund ums Pferd.
Dr. Nina Ollinger ist Rechtsanwältin in Purkersdorf/NÖ und Spezialistin für Rechtsfragen rund ums Pferd. / Foto: privat

Die Rechtsanwältin Dr. Nina Ollinger hat die aktuell geltende Rechtslage nach den div. Corona-Verordnungen auf Landes- und Bundesebene zusammengefasst – und einen Leitfaden erstellt, wie sich Reiter, Pferdebesitzer und Pferdebetriebe in Zeiten der Corona-Krise verhalten sollen.


Seit 15.3.2020 sind wir mit dem im Eiltempo erlassenen COVID-19-Maßnahmengesetz und der darauf basierenden Verordnungen des Sozialministeriums konfrontiert. Auf den ersten Blick, vielleicht auch auf einen zweiten, sind diese nicht eindeutig für Reitbetriebe und Einsteller auszulegen. Für diese kommen durch den Faktor Pferd besondere Fragestellungen hinzu, die sich selten in anderen Bereichen des täglichen Lebens finden. Hauptthema: Das Pferd im Eigentum des Einstellers befindet sich auf fremdem Grund; damit beginnt die ganze Problematik.

Was gilt für Reitschulen?
Aber langsam. Das Sozialministerium erließ die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, worin zu lesen ist:
§1 „Das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbes von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.“

In § 2 sind die Ausnahmen geregelt, unter die Reitställe naturgemäß nicht fallen.
Es hat sich wohl mittlerweile herumgesprochen, dass Reitschulen geschlossen sein müssen und kein Unterricht von Trainern, etc stattfinden darf. Warum? Reitschulen zählen zu den Freizeit- und Sportbetrieben; zudem herrscht dort Kundenverkehr.

Was gilt für Einsteller und Einstellbetriebe?
Für Einstellbetriebe trifft das schon weniger zu. Wieso? Der Einstellvertrag enthält nach Rechtsprechung des OGH miet- als auch verwahrungsrechtliche Elemente (OGH 25.05.2016, 9 Ob 47/15z). Der Einsteller ist nicht Kunde, der Einsteller ist Mieter und Hinterleger (des Pferdes beim Verwahrer). Damit besteht auf jeden Fall kein Betretungsverbot.

Doch es gibt eine 2. Verordnung, nämlich jene, warum wir nun alle zuhause sitzen, anstatt uns irgendwo zu amüsieren, denn das Betreten öffentlicher Orte wurde ebenfalls verboten. Doch ein Reitstall ist kein öffentlicher Ort!

Was gilt für Selbstversorger?
Doch selbst wenn es so wäre bzw da man ja argumentieren kann, ich muss öffentliche Orte (Straße) passieren, um hinzukommen: Öffentliche Orte dürfen – neben Einkaufen etc – betreten werden, um die „notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“ zu decken. Mittlerweile hat auch das Sozialministerium klargestellt, dass dazu der Besuch des eigenen Pferdes zur Betreuung und notwendigen Bewegung gehört. Das gilt für große Reitställe wie auch für Selbstversorgerställe; für letztere noch viel mehr, da es ja sonst niemanden gäbe, der die Pflichten übernehmen könnte.

Abgesehen davon steht das Pferd im Eigentum des Einstellers. Eigentum, ein wichtiges Wort, denn es ist ein Grundrecht und damit im Verfassungsrang. Um mein Eigentum darf (Grundrecht) und muss (Tierschutzgesetz) ich mich kümmern. Da das Pferd im Eigentum des Eigentümers steht, entscheidet auch der Eigentümer, wer es bewegt.

Verhaltensregeln und Sicherheitsmaßnahmen
Für andere Personen (Verwandte, Freunde etc) besteht derzeit kein Grundbedürfnis, im Reitstall aufhältig zu sein. Wenngleich dieser Privatgrund ist, sollte davon abgesehen werden (Anreise über öffentlichen Ort nur zu den gemäß Verordnung erlaubten Zwecken wie Einkaufen, alleiniges Spazierengehen oder Spazieren, Laufen, Motorradfahren etc bzw mit jenen Personen, die mit mir im Haushalt leben).

Auch im Reitstall sollten alle Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus eingehalten werden (Händewaschen, Gruppenbildung vermeiden, Mindestabstände etc).

Die Frage des Betretungsverbots
Ein Betretungsverbot darf der Einstellbetrieb meines Erachtens nur gegenüber Dritten aussprechen, nicht jedoch gegenüber Einstellern, da diese eine Mietern ähnliche Rechtsstellung haben. Tut er dies trotzdem, dann hat der Einsteller einen außerordentlichen Kündigungsgrund. Kündigt der Einsteller nicht, haftet ihm der Einsteller für sein Pferd und bei nicht ordnungsgemäßer Betreuung und Bewegung des Pferdes durch den Einstellbetrieb hat er für dadurch entstandene Schäden aufzukommen, zB Kosten der Kolik-OP (Verwahrerhaftung).

Dringend empfehlenswert für Einstellbetriebe ist es, dass Regeln aufgestellt werden, wer wann wie lange zu seinem Pferd darf, weiters empfehlen sich Hygienemaßnahmen, Stüberl sperren, Personenanzahl, die gleichzeitig im Stall ist, begrenzen, Sattelkammer nur einzeln betreten lassen etc.

Die Situation in Tirol
In Tirol ist das Leben zwar derzeit anders, die Regeln für Einsteller und Einstellbetriebe aber im Wesentlichen gleich. Der Ausnahmezustand in Tirol, der seit 19.3.2020 gilt, ist in der Quarantäneverordnung des Landes Tirol geregelt. Den Wohnsitz darf man nicht verlassen, außer man fällt in eine Ausnahmebestimmung. Landeshauptmann Platter, der schon am Wochenende vor Erlass des COVID-19-Maßnahmengesetzes darauf hinwies, dass die Versorgung des eigenen Pferdes zur Grundversorgung zählt, hat dies nun auch in der Quarantäneverordnung festschreiben lassen. Der Wohnsitz darf somit verlassen werden zur „Versorgung von Tieren“. Dass man aus diesem Grund seinen Wohnsitz verlässt, muss man der Polizei gegenüber bescheinigen können. Das kann man zum Beispiel mit der Kopie des Pferdepasses und des Einstellvertrages machen, am besten mit sich führen.

Was ist nun die Versorgung von Tieren? Wenn man an die Klarstellung des Sozialministeriums denkt, dann zählt wohl die Betreuung und die notwendige Bewegung dazu.

Was bedeutet die Quarantäne für Pferdebesitzer?
Das Ziel der Quarantäneverordnung ist es, dass die Gemeindegrenzen möglichst nicht überschritten werden, um eine Verbreitung über Gemeinden hinweg möglichst zu unterbinden. Weitere Verhaltensregeln sind darin nicht vorgesehen, sohin gelten für alle anderen Fragen die seit 15.3. bekannten Verordnung. Es ist sicher empfehlenswert, in Tirol noch strikter auf sein eigenes Verhalten zu achten als in Restösterreich; aus einem Gesetz ableitbar ist das aber nicht.

Sonderregelungen bestehen derzeit von den jeweils zuständigen Bezirkshauptmannschaften für St. Anton, Paznauntal und Sölden; diese Gemeinden dürfen nur aus triftigen Gründen verlassen werden. Die Versorgung von Tieren wird dort nicht genannt. Einzig relevante Ausnahmebestimmung könnten „individuell unaufschiebbare Fahrten“ sein. Wenn nun sonst niemand das eigene Pferd versorgen kann, wird es sich wohl um eine solche Fahrt handeln. In diesen Gemeinden wird aber davon auszugehen sein, dass man dafür zu sorgen hat, dass jemand anderer in den nächsten Wochen die Versorgung des Tieres übernimmt und muss man wohl damit rechnen, dass ein Verlassen der Gemeinde nur aus triftigen Gründen toleriert werden wird. Hier ist definitiv Vorsicht geboten.

Mehr und laufend aktualisierte Informationen zur Rechtslage findet man unter diesem Link!

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