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Studie beschreibt schweren equinen Coronavirus-Ausbruch in der Schweiz
21.07.2022 / News

Der Ausbruch des Equinen Coronavirus (ECoV) auf einem Pferdehof in Bern zeigt auch, wie wichtig Überwachungssysteme für ansteckende Pferdekrankheiten sind, da sie schnelle Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchs ermöglichen, so die StudienautorInnen.
Der Ausbruch des Equinen Coronavirus (ECoV) auf einem Pferdehof in Bern zeigt auch, wie wichtig Überwachungssysteme für ansteckende Pferdekrankheiten sind, da sie schnelle Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchs ermöglichen, so die StudienautorInnen. / Symbolfoto: Archiv

Auf einem Pferdehof im Kanton Bern kam es Ende 2020 zu einem schweren Ausbruch des Equinen Coronavirus (ECoV), in dessen Folge zwei Pferde starben. Es war der erste derartige Ausbruch in der Schweiz und brachte wichtige neue Erkenntnisse über das Virus, das künftig wohl ernster genommen werden muss als bislang.


Beim Menschen werden Coronaviren hauptsächlich mit Erkrankungen der Atemwege und des Darms in Verbindung gebracht. Das Equine Coronavirus (ECoV) wurde im Jahr 2000 als Ursache für Durchfall bei Fohlen erstmals festgestellt. In jüngerer Zeit wurde es auch mit Fieber und Darmerkrankungen bei erwachsenen Pferden in Verbindung gebracht – doch bislang herrschte die überwiegende Meinung vor, dass Erkrankungen mit ECoV insgesamt eher mild verlaufen und üblicherweise gut beherrschbar wären (siehe auch unseren ausführlichen Artikel dazu). Im Lichte der aktuellen Studie aus der Schweiz muss diese Ansicht möglicherweise revidiert werden.

Forscher der Universität Bern und der Universität Zürich beschrieben in der Zeitschrift ,Transboundary and Emerging Diseases’ einen schweren Ausbruch der Coronavirus-Erkrankung bei erwachsenen Pferden, der im Rahmen des freiwilligen Überwachungsprogramms Equinella in der Schweiz entdeckt wurde. Diese Plattform erlaube ein schnelles und konzertiertes Vorgehen zur Diagnose und Eindämmung der Krankheit, so Autorin Melanie Hierweger und ihre ForscherkollegInnen.

Über Equinella wurden die WissenschaftlerInnen auf einen Krankheitsausbruch auf einem Pferdehof im Kanton Bern im Januar 2021 aufmerksam. Der Hof beherbergte 26 ausgewachsene Pferde. Im Monat davor hatte eines der Pferde Fieber entwickelt und Anzeichen einer schweren Atemwegserkrankung gezeigt. Therapeutische Interventionen blieben erfolglos, das Tier wurde eingeschläfert. Postmortem-Untersuchungen wurden nicht durchgeführt.

In den folgenden Wochen zeigten sechs weitere Pferde Fieber und Appetitlosigkeit, aber im Gegensatz zum ersten Pferd entwickelten sie eine Darmerkrankung und/oder eine niedrige Anzahl weißer Blutkörperchen. Eines der Pferde wurde mit Fieber und Durchfall ins Pferdespital der Universität Bern gebracht. Das Tier zeigte Anzeichen eines toxischen Schocks, mit schneller Herzfrequenz und schneller Atmung, sowie verstopfte Schleimhäute und eine verlängerte Wiederauffüllzeit der Kapillaren. Das Tier starb kurz nach der Ankunft. Die Obduktion des Tieres ergab eine schwere, akute, nekrotisierende Enterokolitis. Bakteriologische Tests schlossen eine Infektion mit Salmonella-Arten, Clostridium perfringens und Clostridium difficile aus, und die Untersuchung des Pferdekots schloss Parasiten als Ursache aus.

Ein zweites Pferd vom Hof wurde mit Lethargie, Durchfall und Appetitlosigkeit ins Krankenhaus gebracht. Dieses Pferd erholte sich mit einer unterstützenden Behandlung vollständig und wurde nach 10 Tagen entlassen. Zu diesem Zeitpunkt schien das entstehende Bild mit dem zu korrelieren, was für Coronavirus-Infektionen bei Pferden gemeldet wurde, mit Ausnahme des ersten Pferdes.

Molekularbasierte Tests von Kotproben der beiden ins Krankenhaus gebrachten Pferde waren positiv auf das Virus. Folglich wurden Kotproben von allen anderen Pferden auf dem Hof – vier betroffene Tiere und 19 Kontaktpferde – auf ähnliche Weise getestet. Eines der Pferde, das klinische Anzeichen gezeigt hatte, und zwei symptomfreie Kontaktpferde waren positiv auf das Virus. Es wurden umfangreiche Maßnahmen getroffen, um die Krankheit einzudämmen – mit Isolierung kranker und virus-positiver Tiere, täglichen Messungen der Körpertemperatur aller Pferde auf dem Betrieb und spezifischen Hygienemaßnahmen wie der Verwendung von medizinischen Handschuhen, Stiefeldesinfektion, spezieller Ausrüstung und Bewegungseinschränkung für vier Wochen. Diese Maßnahmen zeigten Erfolg – es wurden keine weiteren klinischen Fälle beobachtet.

Das Studienteam vertiefte sich weiter in das Virus durch weitere Analysen archivierter Proben von betroffenen Tieren. Es wurde festgestellt, dass Gensequenzen einen gemeinsamen Ursprung haben und zum selben Stamm gehören, der als Equines Coronavirus CH21 bezeichnet wird. Der CH21-Stamm ist eng mit anderen Coronavirus-Stämmen von Pferden verwandt. Insgesamt unterstützen die Ergebnisse die Infektion mit dem Equiden Coronavirus CH21 als Ursache des Ausbruchs.

Die Autoren stellten fest, dass Ausbrüche von mit dem Pferde-Coronavirus assoziierten Krankheiten in der Schweiz bisher nicht gemeldet worden waren und Fälle in Europa nur sporadisch festgestellt wurden. Der Ausbruch mit schwer betroffenen Tieren und Todesfällen während eines der Höhepunkte der Covid-19-Pandemie beim Menschen hatte zu großer Verunsicherung und Besorgnis in der Reitergemeinschaft und der breiten Öffentlichkeit geführt. Im Rahmen des Überwachungssystems wurde eine klare und abgestimmte Kommunikationsstrategie umgesetzt, um die Veröffentlichung faktengestützter Informationen sicherzustellen.

Die Wissenschaftler betonten, sie hätten vollständige Genom-Coronavirus-Sequenzen von Pferden verifiziert und keine Hinweise auf eine Spill-over-Infektion von Menschen auf Pferde oder virale Rekombinationsereignisse mit SARS-CoV-2, dem Virus, das Covid 19 verursacht, gefunden: „Wir haben vielmehr festgestellt, dass das Equine Coronavirus CH21 den zuvor beschriebenen Equine Coronavirus-Stämmen sehr ähnlich ist.“

Die Autoren unterstrichen, dass die Krankheit, die das erste verstorbene Pferd betraf, wahrscheinlich nichts mit dem Pferde-Coronavirus zu tun hatte. Tests bei betroffenen Pferden bis zu zwei Wochen nach der Rekonvaleszenz und bei gesunden Kontakttieren bestätigten, dass es zu längerer Virusausscheidung und subklinischen Infektionen kommt. „Dies“, sagten sie, „ist eine wichtige Erkenntnis und hat entscheidende Auswirkungen auf die Maßnahmen zur Bekämpfung von Coronavirus-Krankheiten bei Pferden.“ Bislang war die Wissenschaft überwiegend davon ausgegangen, dass Equine Coronaviren nur kurz – Experten gingen von zwei bis drei Tagen aus – überlebensfähig wären, diese Ansicht muss im Lichte der neuen Forschungsergebnisse wohl korrigiert werden.

Insgesamt, so die Wissenschaftlerinnen abschließend, zeigen die Ergebnisse den hohen Stellenwert von Überwachungssystemen für ansteckende Pferdekrankheiten, da sie schnelle Maßnahmen zur Eindämmung des Ausbruchs ermöglichen. „Diese Studie war in der Lage, die genetische Ausstattung des Pferde-Coronavirus-Stammes zu charakterisieren, aber zukünftige Studien müssen sich darauf konzentrieren, ein besseres Verständnis der Prävalenz von Pferde-Coronavirus-Infektionen und der damit verbundenen Krankheitspathogenese zu entwickeln.“

Die Studie „Outbreak of equine coronavirus disease in adult horses, Switzerland 2021" von Melanie M. Hierweger, Franziska Remy-Wohlfender, Jan Franzen, Michel C. Koch, Désirée Blau, Angelika Schoster, Pamela Nicholson, Vinzenz Gerber, Corinne Gurtner, Nathalie Fouché, Lucia Unger und Torsten Seuberlich ist am 3. März 2022 in der Zeitschrift ,Transboundary and Emerging Diseasis' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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