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Festgelegenes Pferd musste eingeschläfert werden, Feuerwehr in der Kritik
23.01.2021 / News

Das Anheben eines festgelegenen Pferdes stellt für Einsatzkräfte immer eine besondere Herausforderung dar – und nicht immer steht ein professionelles Rettungsgeschirr dafür zur Verfügung ...
Das Anheben eines festgelegenen Pferdes stellt für Einsatzkräfte immer eine besondere Herausforderung dar – und nicht immer steht ein professionelles Rettungsgeschirr dafür zur Verfügung ... / Symbolfoto: Archiv

Die Versuche der Feuerwehr Speyer, ein festgelegenes Pferd aus seiner Notlage zu befreien, führten nicht zum erhofften Ergebnis – das Tier überlebte nicht. Seine Besitzerin macht den Einsatzkräften nun Vorwürfe, auch Experten äußern Kritik.

 

Sie werden immer dann gerufen, wenn Pferde in eine Notlage geraten sind und man als Besitzer nicht mehr weiter weiß – und oft genug werden sie zurecht als Helden gefeiert, wenn ein Einsatz erfolgreich gemeistert wurde und ein Tier gerettet werden konnte. Kritik an den Einsatzkräften wird nur höchst selten laut, selbst dann, wenn eine Rettungsaktion nicht zum erhofften Ergebnis führt und einem Tier nicht bzw. nicht mehr geholfen werden kann.

Nun ist nach einer misslungenen Pferderettung in Speyer (Bundesland Rheinland-Pfalz) genau das passiert: Dort war die Feuerwehr am 5. Jänner von einer Pferdebesitzerin zu Hilfe gerufen worden, nachdem sich ihr Pferd in seinem Boxenpaddock festgelegen hatte und nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen konnte. Die Feuerwehrkräfte versuchten, mit Hilfe von Schläuchen und einem Radlader das 28 Jahre alte Pferd wieder auf die Beine zu bekommen – was jedoch misslang. Nach Angaben der Besitzerin gegenüber der Zeitung ,Die Rheinpfalz’ hatten die Einsatzkräfte zugegeben, keinerlei Erfahrung mit Pferden oder Großtierrettungen zu haben und auch über kein Rettungsgeschirr zu verfügen. Ihrer Meinung nach scheiterte die Rettung vor allem am mangelnden Know-how der Feuerwehr – man befestigte die Schläuche falsch, sodass das Pferd in seitlich liegender Position über dem Boden schwebte, statt in aufrechter Position, und hatte daher keine Möglichkeit, wieder auf die Hufe zu kommen.

Weil alle Aufstellversuche scheiterten und die Feuerwehr zum nächsten Einsatz musste, überließ man das Pferd seinem Schicksal und brach den Einsatz ab – ein Verhalten, das für die Besitzerin absolut unverständlich war: „Mit ihrem Nichthandeln haben sie meinem Pferd vermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt“, meinte sie gegenüber der Zeitung. Für sie war der Tod ihres Pferd „unnötig und vermeidbar". Sie habe sich deshalb auch an das Veterinäramt gewedet und prüfe rechtliche Schritte.

Auf Nachfrage betonte Stadtfeuerwehrinspekteur Peter Eymann, dass dies kein gewöhnlicher Einsatz gewesen sei und auch nicht geübt werden könne. Der Wallach sei offensichtlich schwer erkrankt gewesen und auch nicht mehr willens aufzustehen. Auch der Einsatz eines Rettungsgeschirrs hätte daran nichts geändert. Und er betonte, dass die Verwendung von Löschschläuchen zur Großtierrettung „landauf, landab ein probates Mittel" bei derartigen Einsätzen wäre.

Das sehen freilich nicht alle Experten so. In einer ausführlichen Stellungnahme zum Artikel in „Die Rheinpalz" hat sich vor kurzem die ,Berufstierrettung Rhein Neckar' zu Wort gemeldet – und sich der Kritik der Besitzerin in weiten Teilen angeschlossen. Zitat: „Bei dieser „Rettung“ wurden nicht nur grundlegende Dinge einer professionellen Tierrettung missachtet, das Tier wurde aufgrund von Unwissenheit und mangelnder Gerätschaften einer noch größeren Gesundheitsgefährdung ausgesetzt."

Vor allem das Hochheben des Pferdes in seitlicher Lage – noch dazu mit Schläuchen – sei völlig ungeeignet gewesen, dem Tier wieder auf die Beine zu helfen: „Ein Pferd kann sich nur dann aufstellen, wenn es aufrecht in Brust/Bauchlage angehoben wird. In diesem Fall verbleibt das Pferd sogar noch eine gewisse Zeit im Hebegeschirr, welches als Stützfunktion die Mobilisierung fördert.  Selbst wenn es sich aus dieser schwebenden, seitwärtsliegenden Position heraus irgendwie hätte aufstellen können, seine fluchtbedingte Vorwärts- bzw. Rückwärtstendenz sowie seine arttypische Kopflastigkeit, können mit einer Schlauchverzurrung nicht aufgefangen werden. Zum einen würde es bei dem Versuch, sich mit Kopf und Hals auszubalancieren, noch mehr verletzen (Bspw. Kopfverletzungen durch heftiges Anschlagen, oder Verletzungen des Bewegungsapparates durch Schleudern und Rutschen). Zum anderen wird es sich, sobald es Kontakt zum Boden aufgenommen hat, nach vorne oder nach hinten bewegen wollen (ob es das nur langsam oder auch sehr schnell tun wird, hängt vom Zustand des Tieres ab). Außerdem kann das Tier in dieser „Vorrichtung“ nach vorne oder nach hinten aus den Schläuchen rausrutschen."

Das Anheben eines Großtiers mit Löschschläuchen sei eine „veraltete und sehr gefährliche Methode" – demgegenüber hätte der Einsatz eines Hebegeschirrs deutliche Vorteile und sei daher bei einer professionellen Rettung unbedingt geboten: „Ein Hebegeschirr (...) verhindert bei dem Vorgang des Anhebens und Aufstellen ein Herausrutschen des Körpers, es ist nach hinten und nach vorne gesichert. Auch der Kopf des Tieres wird während der Aufstellung so fixiert, dass der restliche Körper nicht ins Schleudern gerät. Sobald sich das Tier im Hebegeschirr in aufrechter Brust/Bauchlage befindet, kann es tierärztlich versorgt und stabilisiert werden. Blutbahnen und Muskeln werden nicht abgeklemmt, da die große Auflagefläche den Druck auf den gesamten Unterkörper verteilt. Erst dann erfolgt, wie zuvor schon erwähnt, eine langsame und schonende Mobilisierung des Tieres."

Weiter heißt es: „Pferderettungen sind alles andere als einfach. Neben den technischen Kenntnissen und Fähigkeiten, müssen unter anderem auch Grundkenntnisse über die zu rettende Tierart vorhanden sein. Das Pferd als charakteristisches Fluchttier hat eine stark ausgeprägte Vorwärtstendenz, seine Beine sind hierbei das wichtigste Werkzeug. Außerdem sind Fluchttiere kopflastig. Sie gleichen mit ihrem Kopf/Hals-Apparat innerhalb der Bewegung bei unebenem Boden ihr Gleichgewicht aus."

Das Resümee der ,Berufstierrettung Rhein Neckar': „Ganz eindeutig benötigt dieser Einsatz eine sorgfältige Aufarbeitung. Hoffentlich ist es auch ein Anreiz, endlich geeignete Schulungen zu absolvieren und von dieser veraltenden Methode abzusehen, sowie entsprechende Gerätschaften anzuschaffen. Dann hätte dieser Einsatz zumindest einen positiven Abschluss."

Auch Lutz Hauch, Deutschlands einziger zertifizierter Großtierretter, der seit Jahren Feuerwehren, Tierärzte und Reiter in der technischen Großtierrettung schult, schließt sich dieser Kritik an: „Das Fazit ist für mich: Solche Einsätze sollte es in Zeiten professioneller, sicherer und tierschonender Verfahren nicht geben. Nun, Fehler passieren. Aber die Reaktionen der Verantwortlichen auf ein so eklatantes Fehlverhalten sind aus meiner Sicht völlig indiskutabel. Hier wäre eine konstruktive Fehleraufarbeitung angemessen gewesen.“ (Weitere Infos zu seiner Person und seinen Schulungen findet man auf www.comcavalo.de).

In Österreich hat sich der Tierarzt und gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. Reinhard Kaun der besonderen Problematik von Großtier- bzw. Pferderettungen angenommen und bietet über das ,Kuratorium für Sicherheit in Pferdesport und Tierhaltung' seit vielen Jahren entsprechende Fortbildungen für Feuerwehren und Rettungsdienste zum Thema Tierrettungen an. Sein lebenslanges Credo: „Nur, wenn man auf den Ernstfall entsprechend vorbereitet ist und einen Einsatz gründlich geplant hat, kann man effizient agieren und die negativen Folgen – insbesondere für Mensch und Pferd – begrenzen."

Weitere Infos dazu findet man auf www.pferdesicherheit.at.

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