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Basiswissen Hippologie: Sorgfaltsfehler im Umgang mit Pferden
24.05.2025 / News

Wer beruflich oder als Privatperson Umgang mit Pferden pflegt, ist zur Sorgfalt verpflichtet – eine Verletzung dieser Pflicht kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

 

Jede Person, die in ihrem Beruf oder zu ihrem Vergnügen Umgang mit Pferden pflegt, ist zur Sorgfalt verpflichtet. Das Bedeutungswörterbuch DUDEN (10) definiert den Begriff als „große Achtsamkeit und Genauigkeit“ und stellt eine Sinnverwandtschaft mit Akkuratesse, Behutsamkeit, Exaktheit her, weist aber auch auf Fürsorge und Gewissenhaftigkeit hin. Wer mit Pferden nicht sorgfältig und sorgsam umgeht, muss sich Sorglosigkeit, Unachtsamkeit, Schlamperei und Ungenauigkeit vorwerfen lassen. Eine rechte Schwester der Sorgfalt ist die Verantwortung!

Der Maßstab, der anzulegen ist, wird im Alltag naturgemäß abhängig vom  Bildungs- und Wissenstand in jedem Einzelfall sein, ich bin jedoch der Meinung, dass ein Mensch, der nach einem vorhersehbaren und erwartbarem Zwischenfall mit einem Pferde vorgibt, „völlig schimmerlos“ gewesen zu sein, zukünftig die Nähe von Pferden meiden sollte. 

Szene am Rande eines Dressurturniers: Hier wurden gleich mehrere Sorgfaltspflichten (bez. Zäumung, Verwahrung, Kleidung/Ausrüstung) verletzt!

 

Hat nämlich die Sorglosigkeit ein bemerkenswertes Niveau erreicht – spricht der Rechtskundige also von „auffallender Sorglosigkeit“ – so ist bereits eine bedeutsame rechtliche Relevanz gegeben.

 

Das goldene Doktorat – Medaille der Veterinärmedizinischen Universität Wien, dem Autor verliehen im Jahre 2024.

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Der Begriff der auffallenden Sorglosigkeit entspricht der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 1324 ABGB. Diese liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher Weise vernachlässigt wurde und dieser objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auch subjektiv vorzuwerfen ist.
Quelle: widab.gerichts-sv.at/rechtsprechung/rs0071130/

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Der schon angeführte, individuelle und dem Einzelfall entsprechende Sorgfaltsmaßstab wird grob umrissen vom § 1299 und § 1300

§ 1299 ABGB
Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennt; oder wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muss daher den Mangel derselben vertreten.

Hat aber derjenige, welcher ihm das Geschäft überließ, die Unerfahrenheit desselben gewusst; oder, bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit wissen können; so fällt zugleich dem Letzteren ein Versehen zur Last.

§ 1300 ABGB
 Ein Sachverständiger ist auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachteiligen Rat erteilt. Außer diesem Falle haftet ein Rathgeber nur für den Schaden, welchen er wissentlich durch Erteilung des Rates dem Anderen verursachet hat.

Soweit die gesetzliche Grundlage

Kommt es zu einer Auseinandersetzung wegen eines eingetretenen Schadens vor Gericht oder einer in Anspruch genommenen Versicherung, wird zunächst – meist durch einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen – eingeschätzt werden, welchen Wissenstand ein in Anspruch genommener, Beschuldigter oder Beklagter haben musste, um „ein Geschäft“ (§ 1299) übernehmen oder einen kostenpflichtigen Ratschlag (§ 1300) erteilen zu dürfen.

Um keine Unsicherheit aufkommen zu lassen: das Gericht stuft die Eigenschaft einer Person dann als „sachverständig“ ein, wenn sie öffentlich und ohne erkennbaren Druck behauptet, „von einer Sache etwas zu verstehen“ oder dazu kostenpflichtig „guten Rat“ gibt – diese Einstufung kann bei Vorliegen einschlägiger Hinweise für Jedermann/Jede(r)frau vorgenommen werden und hat mit berufsmäßigen „bestellten“ oder „gerichtlich zertifizierten und ständig beeideten“ Sachverständigen nichts zu tun.

Damit eng verbunden ist die Frage, ob bereits bei Übernahme eines Auftrages für den, nun in die Pflicht genommenen klar erkennbar war, dass er/sie der Aufgabe nicht gewachsen sein würde, sei es wegen Defizite an Wissen oder Können, sei es wegen ungenügender Ausstattung oder fehlender Voraussetzungen – im deutschen Recht wird dies als Übernahmeverschulden bezeichnet.

 

Ausrangierte Schaufensterpuppen als „Figuranten“ bei einer Pferde-Notfallübung im Pferdespital PRO EQUO – am Boden liegende „Menschen“ verunsichern Pferde und können zu gefährlichen Situationen führen. Im Rahmen unserer Notfall-Übungen konnten Pferde die am Boden liegenden Figuren inspizieren und beschnuppern, dazu ist wichtig, dass die Figuren „Kleidung mit Geruch“ tragen und in der Nähe Karotten platziert werden.

 

Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die „Gehilfenhaftung“, die zwischen einem Erfüllungsgehilfen und einem Besorgungsgehilfen trennt: der sogenannte „Geschäftsherr“ (Chef, Unternehmer, Vorgesetzter) haftet für jede schadensstiftende Aktion eines Erfüllungsgehilfen wie für sein eigenes Tun, die Haftung für einen Besorgungsgehilfen kann dann schlagend werden, wenn vorhersehbar war, dass die Hilfsperson ungeeignet oder sogar bekanntermaßen gefährlich war – dieser letzte Punkt kann forensische Relevanz erhalten, wenn (bekannte) Tierquäler oder Zoophile (vorbestrafte Personen sind häufiger als anderswo im Milieu der Stallungen von Rennbahnen zu finden) beschäftigt werden, ohne vom Dienstherrn charakterlich und strafrechtlich  überprüft worden zu sein.
Spezielle Bedeutung hat das Thema „Erfüllungsgehilfe“ in folgenden Gerichtsfällen bekommen:
– Einsatz eines landwirtschaftlichen Lehrlings oder Pferdewirte-Schülers zur Erteilung von Reitunterricht – Folge: Reitunfall;
– Auftrag an den Aufhalter-Gehilfen eines Hufschmieds, bei einer Kundschaft ein verlorenes Hufeisen aufzunageln – Folge: Vernagelung;
– Auftrag des Chefs einer „Fachtierärztlichen Klinik für Pferde“ an einen jungen, das Studium eben beendet habenden angestellten Tierarzt, eine Ankaufuntersuchung bei einem sehr teuren Sportpferd durchzuführen – Folge: Diagnose- und Dokumentationsfehler.   
Aufwändige und langwierige Prozesse waren in diesen – beispielhaft angeführten – Fällen die Konsequenz.
 Die Fragen bei „Einsatz“ eines Gehilfen
– kann er/sie das?
– weiß er/sie das?
– darf er/sie das?
sind also immer dann angebracht, wenn begründete Verdachtsmomente bestehen, die jedoch nur durch genaue Aufklärung (eine Sorgfaltspflicht) und schonungsloses Hinterfragen (zu Vorgangsweise, Methodik und Erfahrung eine mögliche Klientenpflicht) ausgeräumt werden können.

 

Ludwig Koch: Aus „Die Reitkunst im Bilde“ (OLMS):“Analogie zwischen springendem Menschen und springendem Pferd-Haupttätigkeit im Rücken.“


Im Zusammenhang mit jeder erdenklichen Form einer gesundheitlichen Intervention durch (jeweils jeder geschlechtlichen Variante)
– Tierärzte
– Pferde-Physiotherapeuten
– Pferdesanitäter
– Pferde-Masseure
– Heil-Behandler aller möglichen (und unmöglichen) Facetten
sind es Großteils immer folgende Vorwürfe, die im Schadensfall erhoben werden:   
– Lückenhafte Erhebung der Anamnese
– Defizitbehaftete Erhebung der Befunde
– Keine regelrechte Diagnostik
– Keine oder mangelhafte Dokumentation
– Keine oder mangelhafte Aufklärung
– Therapiedefizite
Damit diese Vorwürfe in forensische Relevanz erwachsen, ist zu bedenken:
– Das Handeln des Schädigers muss kausal für den Schaden sein.
– Der Schädiger muss rechtswidrig gehandelt haben, also im Widerspruch zu Geboten oder Verboten, guten Sitten oder Verträgen.
– Schuldhaft wird ein Handeln, wenn die objektiv gebotene Sorgfalt aus persönlichem Verhalten des Schädigers missachtet wurde.

 

 


Im Einzelnen:
1. Lückenhafte Erhebung der Anamnese

Zur Darstellung einer lückenlosen (Kranken-) Geschichte eines Pferdes gehören alle für den augenblicklichen Vorgang notwendigen Ereignisse im bekannten, bisherigen Leben eines Pferdes. Vor einer geplanten Operation oder zu Beginn einer Heilbehandlung sind hier umfangreichere Fragen zu klären als bei einer Impfung – der Fachmann bzw. die Fachfrau muss auf Basis der eigenen Ausbildung und der „Schule“ ein gerichtetes, zweckdienliches Profil erstellen. Besonders heikel kann dies bei Ankaufuntersuchungen werden, deren Protokolle zwar viele Details erfragen, aber eine lückenlose Darstellung des bisherigen sportlichen Werdegangs unbegreiflicherweise nicht vorsehen. Eine als „Turnierpferd“ deklarierte Stute, die nach mehrjähriger Turnierpräsenz dann eine zweijährige Turnierpause aufweist, kann nicht einfach mit der Erklärung „Zuchtverwendung“ durchkommen, wenn keine Geburt und kein Fohlen nachweisbar sind– die Möglichkeit eines krankheitsbedingten Ausfalls erlaubt in Verbindung mit der nun anstehenden Verkaufsabsicht einen Verdacht, der abgeklärt werden muss.

Bei Pferden mit „unklarer Geschichte“ und häufigem Besitzerwechsel ist eine fundierte Erforschung der Anamnese oft schwierig. In solchen Fällen kann es für Kaufinteressenten hilfreich sein, die Seite „Besitzer“ im Pferdepass zu kopieren (fotografieren) und mit ausforschbaren Vorbesitzern Kontakt zu pflegen – nicht selten wird vom Kauf dann Abstand genommen.

2. Defizitbehaftete Erhebung der Befunde
Zur lückenlosen und nachvollziehbaren Befunderhebung gibt es von den Veterinäruniversitäten und anderen fachlichen Ausbildungsstätten Vorlagen – das sogenannte Propädeutikum – das in seiner Vollständigkeit das „Vergessen oder Übersehen“ einzelner Schritte verhindern soll und eine klare, einheitliche Sprache zur Befundbeschreibung verwendet – um der Sorgfaltspflicht bei Untersuchungen zu genügen, ist jeder „Behandler“ nur dann auf der sicheren Seite, wenn er/sie diese Untersuchungsgänge (allgemein, internistisch, orthopädisch, neurologisch; verkürzte Notfalluntersuchung, physiotherapeutisch, energetisch usw.) „abarbeitet und(!) nachvollziehbar dokumentiert“ – damit wird das Fundament für das therapeutische Haus geschaffen. Im Falle gerichtlicher Konflikte sind verkürzte „Eigenprotokolle“ und die Verwendung einer im Fach nicht üblichen Sprache angreifbar. Insbesondere die vielen Punkte, die eine qualitative Beschreibung erfordern (wie z.B. Puls 40, kräftig, regelmäßig, gleichmäßig oder Venenstauprobe: prompt, beschleunigt oder verzögert) dürfen nicht einfach mit o.b.B. (ohne besonderen Befund) abgetan werden, wenn die Nachvollziehbarkeit einer Untersuchung gewährleistet sein soll.

Die Ankaufuntersuchung ist diejenige tierärztliche Tätigkeit, die mit dem Vorwurf der Mangelhaftigkeit besonders häufig zum Streit führt. Ich vertrete die Meinung, wenn im Rahmen einer AKU ein Pferd mit der Absicht, es als „Sportpferd zum Turniereinsatz“ einzusetzen, beurteilt werden soll, eine Untersuchung unter dem Sattel oder im Geschirr mit vorgegebener Belastung unbedingt Teil einer vollständigen Untersuchung sein muss. Das üblich gewordene „Zentrifugieren“ mit Stallhalfter und ohne korrekte Adjustierung ist abzulehnen. Sollte ein potentieller Käufer – oder Verkäufer - eine Vorführung unter dem Sattel oder im Geschirr ablehnen, so muss dies unter Angabe von Gründen im Protokoll dokumentiert werden.

Pferde mit Affektionen des Herz-Lungensystems zeigen Symptome meist erst beim Satteln, Anziehen des Sattel-(Bauch-)Gurts, Aufsitzen und Antraben.

Vielfach zeigt sich bei dieser Vorgehensweise auch schon, ob ein Kaufinteressent „von Pferden grundlegendes Wissen oder keine Ahnung hat“ und aller Voraussicht nach mit diesem „Wunschpferd“ nicht zurechtkommen wird; die Mängelrüge ist unter Angabe anwaltlich unterstützter, fadenscheiniger Gründe vorprogrammiert.

Ein Verkäufer genügt seiner Sorgfaltspflicht (vor Allem gegenüber dem Pferde) nur dann, wenn er das Angebot „wegen fachlicher Unzulänglichkeit des Kaufinteressenten “ zurückzieht.

    
3. Keine regelrechte Diagnostik
Mit einer gekonnt durchgeführten Diagnostik steht und fällt auch der Erfolg der späteren Behandlung – denn ist die Diagnose falsch, kann die Therapie nicht richtig sein. Die Kunst guter Diagnostiker besteht aber nicht darin, möglichst viele (und aufwändige) Methoden einzusetzen, sondern vielmehr darin, mit der Begabung des medizinischen Spürsinnes (auf der Grundlage exzellenten Wissens und Könnens) die Diagnoseverfahren über die eingehende klinische Untersuchung hinaus so schonend wie möglich für den Patienten und die Brieftasche des Eigentümers zu gestalten – denn wird bereits in der Diagnostik das „Budget“ verpulvert, bleibt für die Therapie nichts übrig. Es ist also auch bedeutsamer Bestandteil der Sorgfaltspflicht von Therapeuten welcher Kategorie auch immer, Pferdeeigentümer über absolut notwendige diagnostische Methoden und deren Kosten aufzuklären, und auch darüber, „was alles noch möglich wäre, aber für unnötig befunden wird!“

Pferdeigentümern muss bewusst sein, dass sie mit der Auswahl einer Person oder Institution – also eines Therapeuten oder einer Klinik – bereits eine Vorentscheidung zum erwartbaren „state of  art – lex artis – Leistungsniveau“ trifft.

Es ist – meiner Erfahrung nach – keineswegs gesichert davon auszugehen, dass Behandler, in welchem Metier sie auch immer tätig sein mögen (die auf ihrem Briefpapier oder der Autotüre  dominierend das Wort „PFERD“ zur Schau tragen) über den begrenzten Tellerrand ihres Berufs- oder Tätigkeitsfeldes in das „weite Land der Hippologie“ hinausblicken. Kann sich z.B. ein Nicht-Reiter einen Begriff von Rittigkeit machen? 

In jedem Bereich kennt man den Terminus „best availible method“ also die Bezeichnung der besten verfügbaren Methode (abgekürzt: BVM, BAM), die nicht zwingend die auch die teuerste Methode sein muss oder dasjenige Verfahren, das ein Behandler persönlich bevorzugt – aus welchem Grund auch immer.

Meiner Ansicht nach kann man auf dem Gebiet der Pferdemedizin von drei Sorgfaltsstandards ausgehen, die sich durch das erwartbare Leistungsangebot unterscheiden:
– Standard Veterinary Practice (Allgemeinpraxis)
– Good Veterinary Practice (Fachpraxis)
– Excellent Veterinary Practice (Pferdeklinik).

Forensische Relevanz besteht bei folgenden Kriterien:
Hauptleistungspflichten: Untersuchung, Behandlung, Prophylaxe, Arzneimittelverschreibung.
Nebenleistungspflichten: Aufklärung über Risiken, Methodik/Prozedere, Prognose und Erfolgschancen, sowie Dokumentation.
– Geschuldet wird die Erfüllung der Haupt- und Nebenleistungspflichten gemäß den Sorgfaltsstandards und den Regeln der tierärztlichen Heilkunst, nicht jedoch die Heilung.
– Veterinärmediziner werden gemäß § 1299 ABGB als Sachverständige auf ihrem Fachgebiet angesehen und ein gehobener Sorgfaltsstandard angelegt. Nach meinem Wissenstand gibt es (noch) keine Gerichtsentscheidungen, die dazu eine Aussage macht, ob eine Person, die sich als „Pferdetierarzt“ anbietet, den medizinischen Standard eines „Fachtierarztes für Pferde“ haben und einhalten muss, die hippologische Latte liegt jedenfalls hoch.

4. Keine oder mangelhafte Dokumentation
Die Sorgfaltsplicht im Rahmen der geforderten Dokumentationen umfasst nicht nur den Inhalt, sondern auch die Form. Ich habe bei meiner Gutachterarbeit viele Fälle erlebt, in denen Behandler und Operateure detailgetreue und seitenlange Schilderungen ihrer Arbeit vorgelegt haben, das Dokument jedoch keinem Patienten oder Datum zugeordnet werden konnte. Es ist ratsam geworden, bei allen aufwändigen Behandlungen und speziell bei Ankaufsuntersuchungen immer das „Damoklesschwert“ eines Gerichtsverfahrens vor Augen zu haben.

Deshalb muss Bestandteil jeder gewissenhaften Dokumentation sein:

– Jede Tätigkeit muss einem genau bezeichneten Patienten zugeordnet werden können: Name, Alter, Geburtsdatum, Geschlecht, Farbe, Lebensnummer (UELN), Pferdepassnummer, Chipnummer, Abzeichen. Dieser Informationsblock kann im Zeitalter von PC und KI beim Erstkontakt einmal erstellt und in der Folge jedem Dokument dieses Patienten eingefügt werden.
– Jede Tätigkeit muss einem genauen Datum, bei Notfällen auch der genauen Uhrzeit und Örtlichkeit zugeordnet werden können.
– Untersuchungsprotokolle dürfen bei Punkten, die eine beschreibende Qualität zur Nachvollziehbarkeit erfordern, nicht mit o.b.B. abgetan werden.
– Behandlungsberichte müssen genaue Namen oder Wirkstoffbezeichnungen angewandter Arzneimittel mit genauer Dosis enthalten, Begriffe wie „schmerzstillende oder entzündungshemmende Mittel“ sind zu vermeiden, ebenso Allgemeinbegriffe wie „aufbauende Behandlung, chiropraktische Anwendung“ usw.
–  Pferdebesitzer (und deren Rechtsvertreter) werden ausdrücklich ermuntert, keine Pferde – bezogenen Dokumente (Rechnungen, Behandlungsprotokolle, Transportbescheinigungen, Unfallberichte, Euthanasie- und Obduktionsprotokolle) zu akzeptieren, die nicht der oben beschriebenen Sorgfalt der Dokumentationspflicht entsprechen.

5. Keine oder mangelhafte Aufklärung
Der Vorwurf der mangelhaften oder nicht erfolgten Aufklärung wird regelmäßig dann erhoben, wenn im Rahmen einer Behandlung eine deutliche Verschlechterung, der Tod oder eine nennenswerte Verteuerung eintritt. Im Rahmen von Kaufverträgen und Ankaufuntersuchungen ist eine gewissenhafte Aufklärung eine Grundforderung. Zu Beginn jeder Ankaufuntersuchung sollten Untersucher die Kaufinteressenten davon in Kenntnis setzten, dass „zunächst und abstrakt“ von vorhandener Gesundheit und Mängelfreiheit des zu untersuchenden Pferdes ausgegangen wird, solange nicht das klare Gegenteil (Krankheitssymptome, Krankheitsverdacht, Mängel) zum Vorschein kommen.

„Wenn mir der Tierarzt/die Tierärztin „DAS“ gesagt hätte, hätte ich das Pferd nicht gekauft!“ ist einer der Stehsätze, die als Folge einer unklaren, verschwommenen oder angeblich „überhaupt nicht“ erfolgten Aufklärung regelmäßig zu hören sind. Gerade die Kaufuntersuchung erfordert eine schonungslose, fallspezifische Aufklärung, die große Erfahrung der Untersucher im Pferdesport, nicht nur Turniersport,  erfordert –die,  besonders bei Feststellung von Mängeln auch eine völlige Unbefangenheit und Unabhängigkeit  gegenüber und von  Käufern, Verkäufern oder Vermittlern voraussetzt.

Klinische Krankheitssymptome aus Vorberichten, früheren Untersuchungen und eigenen Feststellungen bei einem Pferd zu kennen, und gleichzeitig eine Unbedenklichkeit für den „Verwendungszweck Leistungssport“ zu bescheinigen, kann kaum gut gehen und endet meist vor Gericht.

6. Therapiedefizite
Grundsätzlich gilt für die „Therapie“ auch alles, was zu Punkt 3 „Diagnostik“ gesagt wurde, jedoch müssen Therapievorschläge und dazu beratende Informationen wie Erfolgschancen, Risiken, langfristige Prognosen und Kosten auch dokumentiert sein, um spätere Vorwürfe entkräften zu können.
Bedauerlicherweise ist die sogenannte „Zweite Meinung“ – also die kostenpflichtige Fachauskunft von Fachleuten – in unserer Zeit auf oft zweifelhafte Online-Kontakte verlegt worden; meine Ermunterung: steht bei Ihrem Pferde ein bedeutender Eingriff oder eine schwerwiegende Therapieentscheidung an, dann zögern Sie nicht, Fachleute von Kaliber um ihre Ansicht zu ersuchen und halten Sie mit Ihrem Wunsch, eine zweite Meinung  zu hören, nicht hinterm Berg – und bezahlen Sie diese angemessen!!

 

„Pferde-Tierärzte“ benötigen (auch) vertiefte Kenntnisse zu Reiten und Fahren...

 Zusammenfassend ist beim Vorwurf eines Sorgfaltsfehlers an Veterinärmediziner (jedweden Geschlechtes) als forensische Relevanz zu erwägen, welchem fachlichen Status sie zuzuordnen sind:

Allgemeinpraktiker und „Pferdetierärzte“ ohne Fachtierarzt-Qualifikation:

– Der Pferdebesitzer wählt den Tierarzt „sehenden“ Auges, im Zweifel kann die Qualifikation erfragt werden.
– Problematik „nicht fachtierärztlich qualifizierter Pferdetierärzte“ – als Mitarbeiter von Fachtierärztlichen Pferdekliniken - verschwommene Deklarationen entbinden nicht vom fachtierärztlichen Sorgfaltsmaßstab.
– Erforschung der medizinischen Möglichkeiten und Methoden durch Tierbesitzer vor Auftragserteilung
– Offenlegung der Untersuchungs- und Methodenvielfalt
– Dokumentationsmethode (Handaufzeichnungen, Diktaphon, PC, Tablet)

Fachtierarzt für Pferde
– Gehobener Anspruch des Pferdebesitzers;
– Höchste Diagnose – und Therapiestandards unter ständiger Berücksichtigung der allgemeinen Wissenschaft vom Pferde nicht nur im medizinischen Aspekt;
– Höchste Aufklärungs-, Beratungs- und Dokumentationspflicht unter ständiger Berücksichtigung der allgemeinen und aktuellen Wissenschaft vom Pferde.

Fachklinik – Universitätsklinik
– Die Tierärzteschaft in pferdespezifischen Kliniken sollte in den Reihen der Oberärzte im Fachtierärzteniveau mit Hospitalisierungsmöglichkeit angesiedelt sein.
– Bei Bedarf müssen höchste Diagnose- und Therapiestandards zur Verfügung stehen.
– Problematik von Assistenten mit geringer Erfahrung – Sorgfaltsstandard im Klinikniveau erfordert Aufklärung des Tierbesitzers
– Lehre und Praxis werden ohne Widerspruch „gelebt“
– Höchste Aufklärungs-, Beratungs- und Dokumentationsstandards.

 

„Pferde-Tierärzte“ benötigen (auch) vertiefte Kenntnisse zu Reiten, Fahren, Voltigieren – und in angewandter, ethischer und forensischer Hippologie….

……um nicht auf der „Strecke“ zu bleiben!

„Strecke“ bedeutet in der Jägersprache „erlegtes Wild“ von „niederstrecken“ also töten; zum „Halali“ blasen in Pferderechtsangelegenheiten Rechtsvertreter und Privatsachverständige, aber niemals Gerichte oder bestellte, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige!
Ein Sprichwort besagt: Viele Jäger sind des Hasen Tod!

 

Gutachten, Entscheidungen, Patientenberichte, PPTs, Bilder und Lichtbilder, Grafiken sowie Literatur stammen aus dem Privatarchiv und ex libris Dris. Kaun.
Meine Aufsätze, Publikationen, Betrachtungen und Kommentare zur Klinisch angewandten, forensischen und ethischen Hippologie stellen, wenn nicht anders gekennzeichnet, meine persönliche Meinung dar und sollen Pferdeleuten unserer Tage zur persönlichen Orientierung dienen und helfen.

Personen aus dem kommerziellen Umfeld der Pferdewelt (Veranstalter von Kursen und Lehrgängen, Autoren, Publizisten, Sachverständige oder Rechtsberufe) mögen die von Anstand und gutem Benehmen diktierte Regel, nicht zu stehlen, respektieren und deshalb Quellen gemäß der Zitiervorschriften benennen.

Sollten Leser meiner Schriften Einzelnes vertiefen wollen, so kann – unter den angeführten Bedingungen – aus dem reichen Fundus der Downloads von Unv. Lektor VetRat Mag. et Dr. med. vet. Reinhard Kaun auf www.pferd.co.at geschöpft werden – auch persönliche Kontaktaufnahme unter tierarztdr.kaun@pferd.co.at ist möglich – in sozialen Medien wird nicht verkehrt.

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