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Pferde studieren Gesichtsausdruck ihrer Artgenossen ganz genau
26.07.2017 / News

Mit diesen Pferde-Portraits wurden die Experimente durchgeführt.
Mit diesen Pferde-Portraits wurden die Experimente durchgeführt. / Foto: J. Wathan/L. Proops/K. Grounds/K. McComb

Pferde können aus der Mimik ihrer Artgenossen wichtige soziale Informationen ablesen und orientieren auch ihr Verhalten danach – das konnten britische Wissenschaftler im Rahmen einer Studie nachweisen.

 

Wenn wir wissen wollen, wie ein Mitbürger gerade aufgelegt ist, ob er gut gelaunt oder griesgrämig ist, ob er freundliche Absichten hegt oder auf Krawall gebürstet ist, ob er neugierig und kontaktsuchend ist oder ob er lieber in Ruhe gelassen werden möchte: Dann schauen wir in sein Gesicht – und sind informiert. Lange Zeit galt diese Fähigkeit, schon kleinste Änderungen im Gesichtsausdruck eines anderen lesen und interpretieren zu können, als Zeichen höchster sozialer Kompetenz und eines besonders privilegierten evolutionären Status, der nur dem Menschen und allenfalls eng verwandten Primaten zukommt. Doch jüngste Forschungsarbeiten belegen: Pferde können das genauso.

Dass auch andere Tierarten zu einer derart diffizilen „mimischen" Kommunikation fähig sind, konnte in den letzten Jahren wissenschaftlich gut belegt werden – Hunde und Katzen zum Beispiel können das, aber eben auch Hauspferde. Sie verfügen über eine enorme Bandbreite mimischer Ausdrucksmöglichkeiten – mit deren Hilfe sie sehr effizient miteinander kommunizieren können, wie eine Studie nun nachweisen konnte: Pferde müssen sich nicht immer durch Körpersprache, durch akustische Signale oder Gerüche mitteilen – oft reicht ein Blick ins Gesicht des Artgenossen,  der mehr sagt als tausend Worte.

So selbstverständlich, ja, banal die Erkenntnis anmutet, dass Pferde die Gesichtsausdrücke ihrer Artgenossen lesen und interpretieren können, so schwierig ist dieser Nachweis auch wissenschaftlich zu erbringen. Vor allem britische Wissenschaftler haben sich diesem Thema seit Jahren intensiv gewidmet – und dafür ein eigenes „Gesichts-Ausdruck-System" (Facial Action Coding System = FACS) emtwickelt, mit dessen Hilfe sich mimische Ausdrucksmöglichkeiten bei unterschiedlichen Spezies darstellen und kategorisieren lassen (siehe unseren ausführlichen Artikel dazu). Das für Pferde adaptierte Modell heißt EquiFACS und konnte immerhin 17 eigenständige Ausdrucks-Einheiten (Action Units) beim Pferd identifizieren – mehr sind es nur beim Menschen (27) und bei Katzen (21).

Mit Hilfe dieses Systems konnten die Wissenschaftler Jennifer Wathan, Leanne Proops, Kate Grounds und Karen McComb nun zeigen, dass Pferde tatsächlich die Gesichtsausdrücke von Artgenossen lesen und aus ihnen eindeutige Informationen gewinnen können – und das ohne jegliche Unterstützung durch andere Körpersignale oder -reize wie etwa akustische Geräusche oder Gerüche. Und das ist, so die Wissenschaftler, eine spannende, neue Erkenntnis: „Obwohl wir wissen, dass Pferde klare Gesichtsausdrücke produzieren, konnten wir bislang noch nie beweisen, dass die anderen Pferde um sie herum tatsächlich auf diese Ausdrücke achten und ihr eigenes Verhalten danach ausrichten und orientieren", so Dr. Leanne Proops von der Forschungsgruppe für Säugetier-Kommunikation und -kognition der Universität Sussex.

Um andere Einflussfaktoren wie Bewegungen, Töne oder Gerüche auszuschließen, haben Dr. Proops und ihre Kolleginnen die Reaktion von insgesamt 48 Testpferden (29 Wallache, 19 Stuten) analysiert, denen in einem neutralen Umfeld Fotos gezeigt wurden. Sie zeigten den einzelnen Tieren jeweils zwei Fotos des gleichen, ihnen jedoch unbekannten Pferdes mit jeweils unterschiedlichem Gesichtsausdruck. Insgesamt gab es drei dieser „Unterschieds-Paare" – und jedes Paar repräsentierte einen unterschiedlichen Gemütszustand: positive aufmerksam/agonistisch, entspannt/agonistisch und positive aufmerksam/entspannt. Die Forscher definierten diese Ausdrücke und ihre damit zusammenhängenden Emotionen nach dem bewährten EquiFACS-System.

Das Ergebnis der Versuche war eindeutig: Die Pferde tendierten beim Betrachten der Foto-Paare deutlich dazu, sich den Bildern mit positiv-aufmerksamer Grundstimmung mehr zu nähern als den Fotos mit agonistischer Grundstimmung, die Konkurrenz und Rivalität vermittelten. Sie bevorzugten auch Fotos mit entspanntem Ausdruck mehr als mit agonistischem. Zwischen ,entspannt' und ,positiv-aufmerksam' schien es hingegen keine Präferenzen zu geben – die Testpferde näherten sich beiden Fotos mehr oder weniger gleich stark,

„Wir waren überrascht von der Aussagekraft und der Deutlichkeit der Ergebnisse – wie klar die Pferde die  unterschiedlichen Gesichts-Ausdrücke unterscheiden konnten und wie motiviert sie waren, sich den ,positiven' Fotografien anzunähern, wenn sie dazu die Möglichkeit hatten", so Dr. Proops im Gespräch mit dem Portal TheHorse.com. „Denn es waren schließlich nur fotografische Stimuli, die sie da zu sehen bekamen – und keine realen Pferde. Sie kamen oft ganz nah an die Gesichter heran und ,begrüßten' das unbekannte Pferd Nase an Nase, als ob es ein echtes Pferd wäre."

Für Dr. Proops und ihre Kolleginnen war dieses Experiment nur ein erster Schritt, um die Bedeutung derartiger mimischer Signale – und die Reaktionen darauf – für das soziale Verhalten von Pferden im Allgemeinen zu verstehen: „Vielleicht finden wir zuverlässige Unterschiede in der Art und Weise, wie unterschiedliche Pferde auf derartige Gesichts-Ausdrücke antworten bzw. reagieren", so Dr. Proops. „Das könnte für Pferdebesitzer und -halter von Nutzen sein – sie könnten etwa die unterschiedliche Art und Weise kennenlernen, in der Pferde auf soziale Signale reagieren und wie gut sie mit anderen Pferden in ihrer sozialen Umgebung zurechtkommen. Diese Arbeit geht noch weiter."

Dr. Proops regt sogar an, dass Pferdebesitzer diesen Test auf eigene Faust durchführen könnten: „Es ist ein sehr einfach Setup und erfordert nur Besitzer, der Fotos in einem abgegrenzten Bereich aufstellt und sein Pferd frei wählen lässt, mit welchen Stimuli es interagieren möchte – und mit welchen nicht. So könnten sie lernen, dass die Art und Weise, wie ihr Pferd auf diese Reize reagiert, etwas über die Persönlichkeit des Pferdes aussagt. Das untersuchen wir gerade in einem weiteren Projekt", so Dr. Proops. Das Pferd scheint in der Tat ein faszinierendes und unerschöpfliches Forschungsgebiet zu sein ...

Die Studie „Horses discriminate between facial expressions of conspecifics" von Jennifer Wathan, Leanne Proops, Kate Grounds und Karen McComb ist im Dezember 2016 in der Zeitschrift ,Scientific Reports' erschienen und kann in englischsprachiger Originalfassung hier nachgelesen werden.

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