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Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Ankaufsuntersuchung
28.03.2023 / News

Beim Kauf eines Pferdes spielen viele Faktoren eine Rolle – die Gesundheit des Pferdes festzustellen ist zweifellos ein ganz wesentlicher, und das geschieht in der Regel durch eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung. Alles Wissenswerte darüber verrät Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl von der Pferdeklinik Tillysburg im ProPferd-Interview.
 

Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at


ProPferd: Was passiert genau bei einer Ankaufsuntersuchung – und wie umfassend ist sie?

Mag. Wolfgang Himsl: Die Basis jeder Ankaufsuntersuchung bildet eine klinische Kaufuntersuchung, beim sogenannten „großen TÜV“ werden außerdem Röntgenbilder angefertigt.
Bei der klinischen Untersuchung werden, grob gesagt, die Organsysteme wie Haut, Herz-Kreislaufsystem, Lunge, Augen, Maulhöhle und insbesondere der Bewegungsapparat untersucht.

ProPferd: Wann ist eine Ankaufsuntersuchung notwendig?

Mag. Wolfgang Himsl: Prinzipiell ist bei jedem Pferdekauf sinnvoll, das Objekt der Begierde von einem sachverständigen Tierarzt begutachten zu lassen.
Wenn Sie ein Pferd mit gewissen Mängeln erwerben, haben Sie oft erhebliche Folgekosten zu tragen und unter Umständen einen Dauerpatienten.
Auch für den Pferdeverkäufer ist eine Kaufuntersuchung ein gewisser Schutz vor Rückabwicklungen, oder nachträglichen Abwertungen des Kaufpreises.

ProPferd: Wie sieht der Ablauf der klinischen Untersuchung aus?

Mag. Wolfgang Himsl: Vor der eigentlichen Untersuchung gilt es, durch gezieltes Erfragen, bekannte Mängel, Probleme oder durchgemachte Erkrankungen sowie Operationen aufzudecken!
Transparenz hilft hier, Vertrauen zu schaffen. Außerdem kann z.B. eine verschwiegene Kolik-OP oder Arthroskopie, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr sichtbar ist, jedoch später zum Vorschein kommt, zu rechtlichen Problemen führen.
Anschließend wird das Pferd systematisch anhand einer Checkliste durchuntersucht.
Hier werden Befunde, die von der Norm abweichen, festgestellt und im Protokoll vermerkt.
Wir protokollieren beispielsweise Narben, Hautwarzen, Asymmetrien des Körpers, Fehlstellungen, Huferkrankungen und vieles mehr.
Wurde das Pferd im Ruhezustand ordentlich inspiziert, wird das Pferd nun auf harten Boden auf der Geraden und am Zirkel im Schritt und Trab untersucht.
Hierbei achte ich besonders auf Gangkorrektheit, eventuelle Lahmheiten und Anzeichen von neurologischen Problemen, wie Ataxie.
Die Beugeprobe, bei der ein Bein nach dem anderen in maximaler Beugehaltung für circa 60 Sekunden gehalten wird, ist ebenfalls ein wichtiger Indikator, ob Probleme im Gelenks- und Sehnenbereich vorliegen.
Die Beugeprobe wird mit negativ und geringgradig, mittelgradig oder hochgradig positiv bewertet.
Nach der Beurteilung auf dem harten Boden, wird das Pferd nun auf dem weichen Boden an der Longe oder unter dem Sattel beurteilt. Dabei wird beobachtet, ob unter Belastung Lahmheiten sichtbar werden.
Nach der Belastung wird das Pferd nochmals an Herz und Lunge abgehört, dabei werden die Frequenz sowie das Auftreten von Herz- und Lungengeräuschen vermerkt.

ProPferd: Was ist das Ziel der klinischen Ankaufsuntersuchung (AKU)?

Mag. Wolfgang Himsl: Am Ende der Untersuchung werden die Befunde zusammengefasst und bewertet. Das Ziel ist es, dem Auftraggeber einen möglichst vollständigen Zustandsbericht des Pferdes zu übermitteln.
Die festgestellten Befunde oder Mängel sollten erklärt werden. Hier spielt die Erfahrung des untersuchenden Tierarztes eine bedeutende Rolle. Sie sollte helfen, dem medizinischen Laien aufzuzeigen, welche Probleme für ihn relevant sind oder welche Befunde vielleicht für seinen Verwendungszweck von untergeordneter Bedeutung sind.

ProPferd: Wie treffsicher ist eine klinische Untersuchung?

Mag. Wolfgang Himsl: Der Wert der Klinischen Untersuchung hängt natürlich vom Untersucher ab! Es ist trotzdem nicht möglich, nach circa einer Stunde Untersuchung, alle Probleme oder verborgenen Erkrankungen eines Pferdes zu benennen. Viele Erkrankungen wären nur mit weiterführenden Untersuchungen zu diagnostizieren. Der Großteil der Befunde ist aber objektiv beurteilbar und damit sehr treffsicher! Es kommt sllerdings nicht selten vor, dass eine AKU abgebrochen wird, weil das Pferd lahmt, obwohl dem Verkäufer oder auch den Interessenten dies zuvor nicht aufgefallen ist. In manchen Fällen werden dann weitere Untersuchungen empfohlen, um den Auftraggeber in seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen.

ProPferd: Was unterscheidet den „großen TÜV“ von der „klinischen AKU“?

Mag. Wolfgang Himsl: Beim großen TÜV wird, zusätzlich zum klinischen Ankauf, ein Satz Röntgenbilder angefertigt.
Als Standard in Österreich gelten nach wie vor 10 Röntgenbilder. Diese beinhalten Aufnahmen der Hufrolle, der Zehengelenke von der Seite und der Sprunggelenkes in zwei Ebenen.
In der Praxis werden allerdings meistens auch die Kniegelenke in zwei Ebenen und der Rücken, sowie immer öfter auch die Halswirbelsäule mit geröntgt.
Bei etwas teureren Pferden sind zusätzliche Aufnahmerichtungen üblich und so werden häufig 30-50 Röntgenaufnahmen gewünscht.

ProPferd: Seit 2018 gibt es in Deutschland den „Röntgenleitfaden”, nach dem auch in Österreich standardisierte Röntgenaufnahmen beurteilt werden können. Wie werden heute Röntgenbefunde eingeteilt?

Mag. Wolfgang Himsl: Röntgenbefunde werden im Wesentlichen eingeteilt in
    •    Normalbefunde
    •    Befunde, bei denen ein Risiko, eine Lahmheit zu verursachen, nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann
    •    Risikobefunde

ProPferd: Welche weiteren Untersuchungen empfehlen Sie Ihren Klienten beim „großen TÜV“?

Mag. Wolfgang Himsl: Eine weitere, durchaus sinnvolle Untersuchung ist die Ultraschalluntersuchung des Fesselträgers und der Beugesehnen, da Vernarbungen der Sehne oder Knochenreaktion am Sehnenansatz wichtige Hinweise auf Sehnenerkrankungen geben. Ich mache relativ viele Ankaufsuntersuchungen in der Mehrzahl der Fälle mit 18 oder mehr Röntgenbildern.

ProPferd: Man hört immer wieder, es sollte auch das Blut untersucht werden. Wie sehen Sie das?

Mag. Wolfgang Himsl: Bezüglich Blutuntersuchung unterscheiden wir einerseits ein Blutbild und Organprofil, andererseits eine Medikationsuntersuchung des zu untersuchenden Pferdes.
Um eine gute Gesamtübersicht über das Pferd zu bekommen, halte ich ein Blutbild für durchaus sinnvoll.
Die Frage der Medikationsuntersuchung (bzw. Dopinguntersuchung) ist aber vielleicht noch interessanter.
Sollte das zu untersuchende Pferd zum Beispiel gezielt oder durch Unachtsamkeit Entzündungshemmer verabreicht bekommen haben, ist natürlich der Wert der klinischen Untersuchung zu hinterfragen.
Außerdem würde es mich natürlich interessieren, ob ich mir ein Pferd kaufe, welches vielleicht Anabolika, Sedativa oder Schmerzmittel bekommen hat.
Bei teuren Pferden werden diese Untersuchungen sehr oft gemacht, allerdings sind die Laborkosten relativ hoch.

ProPferd: Wo empfehlen Sie eine AKU durchzuführen?

Mag. Wolfgang Himsl: Selbstverständlich kann eine AKU im Stall vorgenommen werden, was ich auch mache. Mir ist es aber wichtig, dass die äußerlichen Bedingungen eine korrekte Untersuchung erlauben. Diese sind in einer Klinik obligatorisch. Bei uns in der Klinik bieten wir unseren Kund/innen die klinische Kaufuntersuchung, den „großen TÜV“, Röntgenuntersuchungen und Befundung anhand Röntgenleitfaden, zusätzliche Endoskopie, Blutuntersuchung (Doping-Substanzen), Ultraschalluntersuchung, Ophthalmologische Untersuchung im Rahmen eines Ankaufes an.

ProPferd: Wer beauftragt Sie in der Regel? Der Käufer oder der Verkäufer und wer zahlt am Ende?

Mag. Wolfgang Himsl: Der Auftraggeber der Untersuchung zahlt in der Regel die Untersuchung, alles andere ist Absprache zwischen Verkäufer und Käufer.
Der Tierarzt ist seinem Auftraggeber verpflichtet. Rechtlich ist es daher für den Käufer besser, selber die Untersuchung zu beauftragen als einen Bestehenden „TÜV“ zu übernehmen.
Wenn Sie ein Pferd kaufen, das z.B. vor 4 Wochen bei der klinischen Untersuchung nicht beanstandet wurde, heißt das nicht dass es heute auch in Ordnung ist.

ProPferd: Mit welchen durchschnittlichen Kosten muss man bei einer klinischen Untersuchung und einem „großen TÜV“ in der Klinik und welchen im Stall rechnen?

Mag. Wolfgang Himsl: Die Kosten für die klinische Untersuchung belaufen sich bei uns aktuell auf ca. 420,– Euro. Eine Kaufuntersuchung mit 10 Röntgenbildern kostet derzeit ca. 900,– Euro. Für Untersuchungen im Stall kommen noch Anfahrtskosten dazu.
Es empfiehlt sich, denke ich, die zu erwartenden Kosten je nach Umfang der Untersuchung festzulegen, dann gibt es hier keine Überraschungen.

ProPferd: Erwarten die Auftraggeber am Ende der AKU eine Empfehlung pro oder contra dem Kauf des Pferdes?

Mag. Wolfgang Himsl: Es ist nicht meine Aufgabe dem Auftraggeber zu sagen, ob er das Pferd kaufen soll oder nicht, sondern ihm einen möglichst vollständigen Bericht über den Gesundheitszustand des Pferdes zu geben.
Viele Faktoren spielen eine Rolle, ob das Pferd mit gewissen Befunden zu dem Käufer und dessen Anforderungen passt. So kann zum Beispiel ein klinisch gesundes Pferd mit relativ schlechtem Hufrollenröntgen für einen Endverbraucher passend und für einen potentiellen Wiederverkäufer uninteressant sein.
Auch die zukünftige Verwendung, sowie das Alter des Pferdes werden sich darauf auswirken, ob gewisse Befunde als eher problemlos oder problematisch eingeschätzt werden.

ProPferd: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.
 
 

ZUR PERSON

Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.

Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!

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