Die Proteste von Tierschutz-Aktivisten haben beim diesjährigen Grand National Meeting in Aintree eine neue Dimension erreicht: Mehreren Aktivisten gelang es, auf die Rennbahn zu gelangen und den Start zu verzögern, insgesamt 118 Personen wurden festgenommen. Während des dreitägigen Meetings kamen insgesamt drei Pferde ums Leben, darunter auch eines im Hauptrennen selbst.
Es war die 175. Auflage des wohl berühmtesen – und berüchtigsten – Hindernisrennens der Welt, das von 13.–15. April in Aintree nahe Liverpool über die Bühne ging, und es war ein Rennen, das wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird: Wohl noch nie zuvor waren so umfangreiche Proteste von Tierschutz-Aktivisten angekündigt worden – und wohl noch nie zuvor gab es ein so großes Polizeiaufgebot, um diese Proteste kontrollieren zu können. Doch das gelang nur teilweise, wie vor allem die Ereignisse beim Hauptrennen – dem Grand National am Samstag, den 15. April – zeigen sollten.
Die Organisation ,Animal Rising’ hatte zum Großangriff auf das Rennen geblasen und eine Petition gestartet, in der das endgültige Aus des Rennens gefordert wurde (,Protect Animals: Cancel the Grand National’) – ein Anliegen, das bislang immerhin mehr als 16.000 Personen unterstützt haben. Wenige Tage vor dem Event waren auch Pläne bekannt geworden, das Rennen durch gezielte friedliche Aktionen zu sabotieren bzw. eine Durchführung unmöglich zu machen, was zu einer massiven Aufstockung der Polizeikräfte geführt hatte.
Am Tag des Grand National kletterten Dutzende Mitglieder von ,Animal Rising’ über die Begrenzungszäune der Rennbahn und stürmten auf die Strecke. Mindestens zwei Aktivisten gelang es auch, sich mit Klebstoff und anderen Befestigungsvorrichtungen an Hindernissen zu befestigen, um einen Start des Rennens unmöglich zu machen. Sie wurden zwar rasch wieder von den Polizeikräften entfernt, dennoch führte die Aktion zu einer enormen weltweiten Publicity und einer Verzögerung des Rennstarts um 15 Minuten – mehr als ein Achtungserfolg für die Tierschützer von ,Animal Rising’.
Wie richtig sie mit ihrem Anliegen, das Grand National zu verhindern, gelegen sind, sollte sich nur wenige Minuten später zeigen: Schon beim ersten Hindernis des verspätet gestarteten Rennens kam das Pferd Hill Sixteen schwer zu Sturz und blieb reglos am Boden liegen, was auch in einem beklemmenden Video zu sehen ist. Für das 10 Jahre alte Pferd kam jede Hilfe zu spät – wie die Organisation ,Animal Aid’ berichtete, hatte es einen Genickbruch erlitten.
Das Rennen lief trotz des Zwischenfalls weiter – auf der zweiten Runde musste das Feld das Hindernis umrunden, während man sich noch – vergebens – um Hill Sixteen kümmerte. Zwei weitere Pferde im Rennen – Recite A Prayer und Cape Gentleman – mussten ebenfalls auf der Strecke behandelt und zur weiteren Untersuchung in eine Pferdeklinik gebracht werden.
Insgesamt wurden am Renntag 118 Personen von der Polizei festgenommen – auch diese Zahl zeigt, wie umfangreich und entschlossen die Proteste gegen diese Veranstaltung mittlerweile sind.
Hill Sixteen war im Übrigen nicht das einzige Todesopfer des diesjährigen Renn-Meetings: Ebenfalls am gestrigen Samstag musste Dark Raven, ein sechsjähriges Pferd, nach einem Sturz mit Jockey Paul Townend in der ,Turners Mersey Novices' Hurdle’ eingeschläfert werden. Und am ersten Tag des Meetings am Donnerstag war Envoye Special in der Foxhunters' Chase zu Sturz gekommen und hatte dabei ebenfalls tödliche Verletzungen erlitten.
Auch im Vorjahr hatte es – trotz verschärfter Sicherheitsvorkehrungen – insgesamt vier Todesfälle während des Grand National Meetings gegeben (siehe auch unseren Bericht dazu). Laut einer Statistik der Tierschutzorganisation ,Animal Aid’ sind zwischen 2000 und 2022 insgesamt 59 Pferde während des Rennmeetings in Aintree tödlich verunglückt, 15 davon im Grand National selbst. Die Organisation fordert mittlerweile ein generelles Verbot von Hindernisrennen. Auch die Tierrechtsorganisation Peta UK wies darauf hin, dass das Grand National eines der „gefährlichsten“ Rennen der Welt sei – und forderte die Öffentlichkeit auf, Sponsoren zu drängen, die finanzielle Unterstützung für die Veranstaltung zurückzuziehen.
Der Widerstand von Tierschützern und Tierrechtsaktivisten gegen das Grand National wird nach den Vorkommnissen dieses Jahres wohl noch weiter zunehmen – und man wird sich für nächstes Jahr wohl weitere Mittel und Wege überlegen, den Preis für die Durchführung höher zu treiben. Man fühlt sich dabei im Recht, wie die ,Animal Rising’-Aktivistin Sarah Mc Caffrey – die auch bei der diesjährigen Störaktion teilgenommen hatte – betont: „Wir sind eine Nation von Tierliebhabern, aber der Schmerz, den diese wunderschönen Geschöpfe täglich erleiden, passt leider gar nicht zu dieser Einschätzung. Wir müssen Wege finden, Tiere zu lieben, die sie nicht verletzen. (…) Ich weiß, dass jeder, der heute nach Aintree gekommen ist, um sich die Rennen anzusehen, sagen würde, dass er die Pferde liebt. Doch das Leid, das sie hier erfahren, sollte uns alle schockieren. Deshalb habe ich beschlossen, meinen Körper zwischen diese Pferde und den Tod auf der Rennbahn zu stellen, anstatt mit ihrem Leben zu spielen.“