Portugiesische ForscherInnen haben die im Maul von Pferden vorhandenen Mikroorganismen untersucht – und dabei einen sehr hohen Anteil multiresistenter Bakterien entdeckt. Das kann – wenn man z.B. von einem Pferd gebissen wird – durchaus problematisch sein, birgt aber auch Chancen für die Wissenschaft.
Dass man sich vor Pferdebissen hüten soll, wird angesichts der kraftvollen Pferdekiefer niemanden überraschen – doch dass in einem Pferdemaul auch noch andere, weniger offenkundige Gefahren lauern, das ist in der Pferde-Community wohl nur den wenigsten bekannt.
José Pimenta und seine Forscherkollegen haben diese Gefahren nun erstmals näher unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler der Universität von Trás-os-Montes e Alto Douro in Vila Real (Portugal) haben die orale gram-negative Mikrobiota von 30 gesunden Pferden in ganz Portugal untersucht und ihr antimikrobielles Profil in einem One-Health-Ansatz charakterisiert und bewertet. Dabei wurden Proben von den Zahnfleischrändern der Pferde entnommen, wobei keines der Pferde in den vorangegangenen sechs Monaten antimikrobielle Medikamente erhalten hatte.
Insgesamt wurden bei den Analysen 55 gramnegative Isolate identifiziert, von denen 89,5 % zoonotisch (also zwischen Arten übertragbar) und 62 % in der Lage waren, Menschen zu befallen, wobei diese Arten auch häufig in der Umwelt vorkommen.
48 der Isolate oder 96 % erwiesen sich als multiresistent. Die phänotypische Resistenz war je nach Antibiotika-Klasse stärker oder weniger stark ausgeprägt – sie war z.B. höher gegenüber Makroliden (81,8 %), β-Lactamen (55,4 %) und Chinolonen (50 %) und niedriger gegenüber Sulfonamiden (27,3 %), Tetracyclinen und Amphenicolen (beide mit 30,9 %). Insgesamt zeigten 51,5 % der Isolate eine Resistenz gegen Carbapeneme – das ist eine spezielle Klasse von Beta-Lactam-Antibiotika, die aufgrund ihres umfassenden antimikrobiellen Wirkspektrums als Arzneistoffe breite medizinische Verwendung finden.
Die ForscherInnen zusammenfassend: „Diese Studie zeigt, dass die kommensale orale Mikrobiota von Pferden zoonotische und potenziell pathogene Stämme enthält, die leicht durch andere Tiere, die Umwelt und den Menschen verbreitet werden könnten, wobei Speichel ein potenzielles Übertragungsmedium ist. Die antimikrobielle Gesamt-Resistenz dieser Bakterien ist besonders besorgniserregend angesichts des Fehlens eines antimikrobiellen Kontakts der in der Studie eingeschlossenen Pferde, was auf die Bedeutung der Übertragung von resistenten Stämmen und Genen zwischen Tieren hinweist. Darüber hinaus bestätigt unsere Studie die bisherige Einschätzung des Pferdebisses als Problem der öffentlichen Gesundheit, da dabei hochresistente und zoonotische Stämme übertragen werden können, was zu gefährlichen und lebensbedrohlichen Infektionen führen kann.“
Und weiter: „Diese Studie liefert nach Kenntnis der Autoren den ersten Bericht über eine Resistenz gegen Carbapeneme in der oralen Mikrobiota von Pferden. Da es sich bei Carbapenemen um eine antimikrobielle Klasse handelt, die insbesondere in Krankenhäusern der Humanmedizin verwendet wird, kann dies bei infizierten Wunden, die durch Pferdebisse verursacht wurden, problematisch sein.“
Die Entdeckung multiresistenter Bakterien im Pferdemaul könne aber auch wissenschaftlich genutzt werden, so die ForscherInnen weiter: „Unter Berücksichtigung all der genannten Fakten kann das Pferd als zentraler Bestandteil des One-Health-Konzepts betrachtet werden, mit einer wichtigen Rolle als Wächter bei der Überwachung der Entwicklung von mikrobiellen Resistenzen, da Pferde engen Kontakt mit Menschen, anderen Tieren sowie verschiedenen Umwelt-Bedingungen haben. Darüber hinaus können Pferde, da sie auch häufig transportiert werden, ein wichtiges Medium darstellen, das einen weltweiten Einfluss bei der Übertragung von Resistenzen hat.“
In jedem Fall tut man gut daran, sich nicht nur vor Pferdebissen in Acht zu nehmen, sondern auch beim Kontakt mit Pferdespeichel besonders vorsichtig zu sein und entsprechende Hygiene- und Biosicherheits-Regeln einzuhalten.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Resistenz gegen antimikrobielle Mittel zu einem der dringendsten Gesundheitsprobleme unserer Zeit geworden, da die Resistenzen gegen häufig und selten verwendete antimikrobielle Mittel zugenommen haben und lebensbedrohliche Folgen haben können. Verschärft wird das Problem durch den Mangel an neu erforschten und zugelassenen Antibiotikaklassen für die Veterinärmedizin und ganz besonders für Pferde.
Die Studie „Equine Gram-Negative Oral Microbiota: An Antimicrobial Resistances Watcher?"
von José Pimenta, Ana Rita Pinto, Maria José Saavedra und Mário Cotovio ist am 21. April 2023 in der Zeitschrift ,antibiotics' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.