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Pferde können die Angst des Menschen riechen
29.04.2021 / News

Pferde haben eine feine Nase und reagieren auf menschlichen Angstschweiß sehr deutlich, wie polnische Wissenschaftler herausfanden.
Pferde haben eine feine Nase und reagieren auf menschlichen Angstschweiß sehr deutlich, wie polnische Wissenschaftler herausfanden. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

… das legt jedenfalls eine aktuelle Studie aus Polen nahe, in der gezeigt werden konnte, dass Pferde – ähnlich wie Hunde – menschliche Angst riechen können und darauf mit einem veränderten Verhalten reagieren.

 

Die Wissenschaftlerin Agnieszka Sabiniewicza und Mitarbeiter des Instituts für Psychologie der Universität Warschau untersuchten, ob Körpergerüche, die von Menschen in einem Zustand der Angst oder des Glücks gesammelt wurden, bei Pferden, die ihnen ausgesetzt waren, unterschiedliche Verhaltensreaktionen hervorriefen.

Das Forscherteam sammelte Körpergeruchs-Proben von zehn ängstlichen bzw. glücklichen Testpersonen. Sie erreichten dies, indem sie den Probanden einerseits ein angsteinflößendes Horrorvideo und andererseits einen lustigen Zeichentrickfilm vorführten. Während des Betrachtens der Filme hatten die „Geruchsspender“ sterile Watte-Pads in den Achseln, die den Geruch über die dort sitzenden Schweißdrüsen aufnahmen. Die Pads wurden anschließend gesammelt und eingefroren.  Um jegliche Beeinträchtigungen durch andere Gerüche bzw. Botenstoffe möglichst auszuschließen, mussten sich die Testpersonen zuvor mit einem parfümfreien Reinigungsmittel waschen und zudem einige Tage lang Rauchen, Alkohol, geruchsintensives Essen oder übermäßige Bewegung vermeiden.

An den folgenden Experimenten nahmen insgesamt 21 erwachsene Vollblut- und Araberpferde teil. Zwei Personen – eine dem Pferd bekannt, die andere unbekannt – standen still in verschiedenen Ecken des Testbereichs und machten auch keinen Versuch, mit dem Pferd zu interagieren. Die Forscher präsentierten dem Pferd dann ein auf einer Stange befestigtes Geruchspad, wobei Pads von vier ängstlichen oder vier glücklichen Menschen kombiniert wurden, um das Risiko individueller Variationen zwischen Geruchsspendern zu verringern. Zusätzlich wurden auch noch neutrale Pads (ohne Geruch) als Kontrolle verwendet. Während des gesamten Experiments wurde das Verhalten der Pferde bei der Präsentation der verschiedenen Geruchszustände (Angst – Glück – Kontrolle ohne Geruch) aufgezeichnet.

Die Forscher fanden heraus, dass Pferde unterschiedliche Verhaltensweisen als Reaktion auf Gerüche von ängstlichen oder glücklichen Menschen zeigten. Die Pferde hoben beim Geruchszustand ,Angst’ sowie beim geruchlosen Kontrollpad deutlich häufiger und länger den Kopf als beim Geruchszustand ,Glück’. Zudem neigten die Pferde dazu, die während des Tests anwesende vertraute Person häufiger und länger im Angstzustand zu berühren als im Geruchszustand ,Glück’. Auch die Länge der Zeitspanne, in der die Pferde ihre Ohren angelegt hatten, war eindeutig vom jeweils präsentierten Geruchszustand abhängig.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Verwendung des menschlichen Körpergeruchs als einzige Informationsquelle über die Emotionen eines Menschen ausreicht, um bei Pferden ein unterschiedliches Verhalten hervorzurufen. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen sehen die Wissenschaftler im jahrtausendelangen Domestizierungsprozess, der möglicherweise dazu geführt hat, dass Pferde auch artfremde Emotionen auf differenzierte Weise erkennen und interpretieren können.

Auch Hunde riechen die Angst des Menschen
Zu ähnlichen Resultaten kam übrigens eine Untersuchung mit Hunden, die an der Universität Neapel Federico II durchgeführt und im Oktober 2017 in der Zeitschrift ,Animal Cognition' veröffentlicht worden war – und an deren Methodik sich auch die jetzige polnische Studie weitgehend orientierte. Damals wurden Probanden, denen man Horror- und Zeichentrickfilme vorspielte, Schweißproben abgenommen und anschließend Hunden zum Geruchstest vorgelegt, wieder unter Anwesenheit einer vertrauten Person (Herrchen/Frauchen) bzw. eines unbekannten fremden Menschen. Die Hunde reagierten dabei besonders stark auf den Geruch von Angstschweiß – die Tiere zeigten deutliche Anzeichen von Stress und eine erhöhte Herzfrequenz, weiters suchten sie verstärkt Blickkontakt zum anwesenden Herrchen oder Frauchen und traten weniger in Kontakt mit der unbekannten fremden Person. Auch damals war das Resümee der Forscher eindeutig: Hunde können Angst buchstäblich riechen – und reagieren darauf so stark, dass sie diese Angst auch am eigenen Leib verspüren.

Angst kann fatale Folgen haben
Wie sich zeigt, scheint das in ähnlicher Weise auch für Pferde zu gelten. Dass menschliche Angst in der Begegnung mit Pferden deren Verhalten verändern und sogar eine fatale Rolle spielen kann, bestätigen auch viele Experten. Dr. Reinhard Kaun liefert dafür ein besonders eindrucksvolles Beispiel: „Aus langjähriger Erfahrung im Umgang mit Pferden in Ausnahmesituationen kann ich die polnischen Studienergebnisse bestätigen und auf ihre eminente Bedeutung hinweisen: Die Angst des Menschen beim Umgang mit Pferden potenziert das Risiko der Verwirklichung der allgemeinen Tiergefahr (Durchgehen, Ausschlagen, Steigen und Beißen) um ein Vielfaches. Besonderes Augenmerk sollte deshalb auf das „Flehmen“ – als Zeichen einer Aktivierung des Jacobschen Organs – gelegt werden, das nicht nur bei sexuellen Reizen, sondern auch in kritischen Situationen auftritt. In den vielen Ausbildungskursen für Pferdesanitäter, Fire & Emergency VETS, Feuerwehren und Mitarbeitern des Roten Kreuzes habe ich deshalb auch immer auf die Gefahr durch „Angstschweißler“ bei der Rettung von Pferden bzw. Personen in deren Umfeld  hingewiesen. Ich konnte regelmäßig beobachten, dass eine stabile oder harmlose Situation durch das Verströmen von Angstschweiß einzelner Intervenienten außer Kontrolle geriet.“

Die Studie „Olfactory-based interspecific recognition of human emotions: Horses (Equus ferus caballus) can recognize fear and happiness body odour from humans (Homo sapiens)" von Agnieszka Sabiniewicz, Karolina Tarnowska, Robert Świątek, Piotr Sorokowski und Matthias Laska ist am 20. September 2020 in der Zeitschrift ,Applied Animal Behaviour Science' erschienen und kann in englischer Zusammenfassung hier nachgelesen werden.

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