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Pferde sind Frauen gegenüber vertrauensvoller und weniger defensiv
04.05.2021 / News

Pferde sind Frauen gegenüber sozial offener und vertrauensvoller – und lassen sich von ihnen auch leichter einfangen, so eine aktuelle Studie.
Pferde sind Frauen gegenüber sozial offener und vertrauensvoller – und lassen sich von ihnen auch leichter einfangen, so eine aktuelle Studie. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Australische und kanadische Wissenschaftler fanden heraus, dass das Geschlecht des jeweiligen Reiters oder Halters erheblichen Einfluss auf das Verhalten eines Pferdes hat. Das – scheinbar widersprüchliche – Resümee: Pferde sind Frauen gegenüber vertrauensvoller – aber gegenüber Männern folgsamer.

 

Über diese Studie wird wohl noch ausgiebig diskutiert werden: Wissenschaftler aus Australien und Kanada haben untersucht, ob das Geschlecht des Reiters bzw. Halters eines Pferde dessen Verhalten nachhaltig beeinflusst – oder, anders gefragt: ob Pferde unterschiedlich reagieren, je nachdem, ob sie von einer Frau oder von einem Mann behandelt bzw. geritten werden.

Die Wissenschaftler stützten ihre Ergebnisse auf Daten, die für insgesamt 1420 Pferde im Rahmen des sogenannten „Equine Behavior Assessment and Research Questionnaire (E-BARQ)“, einer laufenden globalen Online-Umfrage unter Pferdebesitzern und -pflegern, erhoben wurden. Der Fragebogen umfasst insgesamt 97 Einzelfragen und enthält auch demografische Angaben zum Geschlecht der Befragten und dazu, wie oft das Pferd von Männern und Frauen geritten bzw. betreut wurde. Anschließend werden Beobachtungen zum Verhalten des Pferdes am Boden, unter dem Sattel oder beim Fahren gesammelt. Insgesamt wurden die Antworten von 1361 Frauen und 59 Männern untersucht.

Die Antwort auf die zentrale Frage der Studie lautet eindeutig ,Ja’ – die Forscher konnten „signifikante Beziehungen“ zwischen dem Geschlecht des Menschen und bestimmten Verhaltensweisen von Pferden nachweisen, und zwar in mehreren Bereichen und in statistisch beträchtlichem Ausmaß. Doch diese Beziehungen sind nicht so eindeutig, wie man sich das vielleicht vorstellen würde – ganz offenkundig haben Frauen und Männer jeweils spezifische Vorteile, aber auch Defizite, was den Umgang mit Pferden betrifft, und diese decken sich nicht immer mit dem, was man a priori erwartet hätte. Das Resümee der Wissenschaftler: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit von sozialem Vertrauen des Pferdes dem Menschen gegenüber mit zunehmendem Umgang mit Männern abnimmt. Umgekehrt stellten wir aber auch fest, dass die Wahrscheinlichkeit von folgsamem Verhalten dem Menschen gegenüber zunimmt, wenn der Umgang mit Männern zunimmt.“

Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigten sich insbesondere bei drei in der Studie untersuchten Verhaltensweisen:

1) Pferde, die von Männern geritten oder betreut werden, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit schwer zu fangen als Pferde, die von weiblichen Menschen geritten oder gehandhabt werden – ein Indiz, das deutlich für ein höheres soziales Vertrauen (social confidence) der Pferde gegenüber weiblichen Reiterinnen bzw. Halterinnen spricht. Vorangegangene Studien haben bereits darauf hingewiesen, dass Frauen mit einem ruhigeren, gleichmäßigeren bzw. rhythmischeren Gang als männliche Menschen schreiten – und es ist, so die Forscher, durchaus möglich, „dass Gangschwankungen die Art und Weise beeinflussen, wie männliche und weibliche Menschen sich Pferden nähern. Studien haben gezeigt, dass die angemessene Art und Weise, sich einem Pferd zu nähern, in einem 45-Grad-Winkel und mit einem langsamen Gang erfolgt. Der längere und weniger gleichmäßige Schritt, über den bei männlichen Menschen berichtet wird, könnte erklären, warum Pferde, die von männlichen Menschen geritten oder gehandhabt werden, eher als ,schwer zu fangen’ beschrieben werden.“

2) Pferde, die von Frauen geritten oder gehandhabt werden, zeigen deutlich weniger ,defensive’ Verhaltensweisen, wenn sich diese ihnen nähern – sie sind ihnen gegenüber sozial offener und vertrauensvoller. Tatsächlich zeigen die Daten, dass Pferde, die von männlichen Menschen gehandhabt wurden, sich bei deren Annäherung eher defensiv verhielten. Dies könnte, so die Wissenschaftler, unterschiedliche Ursachen haben und beispielsweise darauf hindeuten, dass das Vertrauen dieser Pferde irgendwann in ihrem Leben beeinträchtigt wurde – oder dass die ,abwehrenden’ Verhaltensweisen Reaktionen auf die durchsetzungsfähigere Haltung männlicher Reiter/Halter sind. In anderen Untersuchungen finden sich auch Hinweise, dass Pferde eher die Annäherungen von Menschen bevorzugen, die eine unterwürfige Haltung einnehmen, die durch mangelnden Augenkontakt und relativ langsame Bewegung gekennzeichnet ist. Als Beutetiere verbinden Pferde möglicherweise dominantere menschliche Bewegungsattribute mit dem für ein Raubtier typischen Verfolgungs-Verhalten, und sind daher auch eher bereit, ihre natürlichen Kampf- oder Fluchtreaktionen einzusetzen, wenn sie möglichen Bedrohungen ausgesetzt sind. Das Defensivverhalten, das häufiger gegenüber männlichen Reitern/Haltern gezeigt wird, kann somit, so die Forscher, „auf erhöhte Wachsamkeit oder ihre angeborene Kampf- oder Fluchtreaktion zurückzuführen sein“.

3) Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass Pferde von männlichen Reitern/Haltern, signifikant weniger dazu neigen, an den Zügeln zu ziehen, sich im Hals festzumachen oder mit dem Kopf zu schlagen, was insgesamt auf eine höhere Folgsamkeit im Umgang („handling compliance“) hinweist. Dieser Befund scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu den beiden erstgenannten zu sein: Sollte nicht bei grundsätzlich größerem sozialem Vertrauen auch die Folgsamkeit von Pferden gegenüber Frauen höher sein? Die Daten zeigen jedoch ein anderes Bild, wie die Wissenschaftler darlegen – und führen dafür auch Gründe an: „Es ist möglich, dass Männer, die oft körperlich stärker sind als ihre weiblichen Kollegen, beim Gebrauch des Zügels eine größere Spannung ausüben, was dazu führen kann, dass das Pferd diese Art der Einwirkung weniger ,auf die Probe’ stellt, etwa durch Kopfschlagen.“ Unterschiede in der Zügelspannung, die von männlichen und weiblichen Fahrern ausgeübt werden, wären somit ein interessantes Gebiet für die weitere Forschung, so die Wissenschaftler ergänzend.

Diese ,Folgsamkeit im Umgang’ („handling compliance“) wurde gemessen anhand diverser Verhaltensweisen, etwa dem Ruhigstehen bei Pflege- oder Betreuungsmaßnahmen, bei Berührungen im Kopfbereich, beim Zäumen etc. – also bei einem ganzen Set von erwünschtem Eigenschaften, die das Pferd insgesamt einfacher in Management und Handling machen, insbesondere vom Boden aus, aber auch unter dem Reiter.

Diese beobachteten Unterschiede im Umgang mit Pferden zwischen Männer und Frauen lassen sich jedoch, wie die Forscher festhalten, nicht allein durch das Geschlecht (engl. sex) erklären – sondern sollten auch durch ein Konzept der sozial vermittelten und erlernten Geschlechterrolle (engl. gender) ergänzt werden. Dazu die Wissenschaftler: „Was die aktuelle Studie nicht offenlegen kann, ist, wie diese menschliche Geschlechterrolle (human gender) die Verhaltensreaktion eines Pferdes gleichsam vermittelt. Sobald wir mehr darüber wissen, inwieweit die menschlichen Verhaltensweisen, die das Verhalten von Pferden beeinflussen, geschlechtsspezifisch sind, können Reiter und Pferdehalter lernen, ihre geschlechtsspezifischen Leistungen zu berücksichtigen und zu ändern, um bessere Trainings- und Wohlfahrtsergebnisse zu erzielen – denn die soziale Geschlechterrolle ist fließend und konstruiert.“

Das Resümee der Forscher: „Die Ergebnisse legen nahe, dass das Verhalten von Hauspferden vom Geschlecht (engl. sex) des Reiters oder Pferdehalters beeinflusst wird. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um festzustellen, ob dieser Einfluss auf das Geschlecht oder das Geschlecht der Menschen zurückzuführen ist. Das Wohlergehen von Pferden und die Sicherheit von Reitern können verbessert werden, indem das Geschlecht und die Geschlechterrolle des Menschen berücksichtigt werden, wenn man die Ursprünge des Verhaltens von Pferden zu bewerten versucht.“

Die Studie „The Impact of the Sex of Handlers and Riders on the Reported Social Confidence, Compliance and Touch Sensitivity of Horses in Their Care" von Ashley Anzulewicz, Kate Fenner, Michelle Hyde, Susan Heald, Bibiana Burattini, Nicole Romness, Jessica McKenzie, Bethany Wilson und Paul McGreevy ist am 8. Jänner 2021 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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1) Polarfox: Glaube ich nicht, Denn kommt darauf an wie sich den Pferd nähert. Ich bin Pferde gegenüber immer ruhig und besonnen.
Montag, 7. November 2022
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