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Urteil: Dass hitzebedingt "immer wieder Fiakerpferde kollabieren" ist unwahr
24.06.2022 / News

Heiß umfehdete Fiakerpferde: Im Rechtsstreit vor dem Wiener Handelsgericht hat ein Fiakerunternehmen einen Etappensieg über die Tierschutzorganisation VGT errungen.
Heiß umfehdete Fiakerpferde: Im Rechtsstreit vor dem Wiener Handelsgericht hat ein Fiakerunternehmen einen Etappensieg über die Tierschutzorganisation VGT errungen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

In einem bemerkenswerten Rechtsstreit zwischen einem Wiener Fiakerunternehmen und der Tierschutz-Organisation ,Verein gegen Tierfabriken' (VGT) gibt es ein erstinstanzliches, noch nicht rechtskräfiges Urteil: Der VGT muss demnach bestimmte Äußerungen über Fiaker und ihre Pferde unterlassen bzw. widerrufen.

 

Der Eindruck, dass Wiens Fiaker seit Jahren in der Defensive sind und von Tierschützern in der öffentlichen Meinung gleichsam vor sich hergetrieben werden, ist gewiss nicht ganz falsch – umso verständlicher ist daher deren Freude und die Genugtuung über einen juristischen Teilerfolg, für den vor wenigen Tagen das Wiener Handelsgericht sorgte: Es erkannte in einem Verfahren, dass der ,Verein gegen Tierfabriken' (VGT) bestimmte Äußerungen über Wiens Fiaker bzw. deren Pferde unterlassen und widerrufen muss, da sie schlicht unwahr sind.

Konkret klagte ein Wiener Fiakerunternehmen gegen mehrere Aussagen, die in den Jahren 2018 und 2019 vom VGT in diversen Veröffentlichungen getätigt wurden. So war in einer Petition zu lesen: „Auch die große Hitze fordert ihren Tribut, immer wieder kollabieren Pferde (...)". In einem Artikel auf der VGT-Website hieß es zudem: „Faktum ist, dass Fiakerpferde in der prallen Sonne stehen und dass es zahlreiche Fälle von kollabierten, gestürzten und zusammengebrochenen Fiakerpferden gibt."

Auch gegen die Formulierung, dass Fiakerpferde meist in reiner „Boxenhaltung, ohne jeglichen Auslauf, oft unter fürchterlichen Bedingungen" untergebracht wären, wurde Klage erhoben – diese Behauptung sei ebenfalls unrichtig, so die Klägerin, die überwiegende Mehrheit der Fiakerunternehmen biete ihren Pferden mehr Auslauf, Bewegung und größere Boxen als gesetzlich verlangt, zudem kontrolliere die Behörde die Unternehmen mindestens zweimal jährlich.

Das Gericht folgte – nach Zeugenanhörungen und Prüfung der vorgelegten Unterlagen bzw. Sachbeweise – weitgehend dem Standpunkt des Klägers, also dem Wiener Fiakerunternehmen. Bezüglich der Behauptung, dass Fiakerpferde aufgrund der Hitze „immer wieder kollabieren", heißt es im Erkenntnis des Gerichts: „Das Beweisverfahren ergab keinerlei Hinweis darauf, dass in den vergangenen Jahren auch nur ein Fiakerpferd in Wien einen hitzebedingten Schwächeanfall erlitten hätte. Die beklagten Parteien sind ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen, die Wahrheit ihrer rufschädigenden und zugleich ehrenbeleidigenden Behauptung darzulegen. Die von ihnen vorgelegten Urkunden enthalten im Kern immer wieder dieselbe Behauptung, eine nachvollziehbare Dokumentation bekannter Fälle fehlt jedoch."

Ähnliches gilt für die Behauptung, dass Fiakerpferde meist in reiner Boxenhaltung „ohne jeglichen Auslauf, oft unter fürchterlichen Bedingungen" gehalten würden – auch hier gelang es dem VGT nicht, den Wahrheitsbeweis anzutreten. Stattdessen konnte der Kläger durch Zeugenaussagen glaubhaft darlegen, „dass 75% der Fiakerbetriebe, sohin die Mehrheit, ihre Tiere nicht in reiner Boxenhaltung in den Stallungen halten, sondern regelmäßig an anderen Standorten einen großzügigeren Auslauf gewährt." Und weiter: „Damit ist die inkriminierte Behauptung, dass Fiakerpferden „meist“ kein Auslauf gewährt werde, zumindest für Wien falsch, weil weniger als die Hälfte der Pferde betroffen ist."

Beanstandet wurde weiters ein Foto auf der VGT-Website, das ein vor eine Kutsche gespanntes Fiakerpferd zeigte. Im dazugehörigen Text war von einem „abgemagerten Pferd“ und einem „Fall von Pferde-Vernachlässigung“ die Rede, der „Entsetzen“ auslöst. Das Bild ist zudem mit der Forderung untertitelt: „Dieses Pferd sollte auf keinen Fall mehr vor eine Kutsche gespannt sein“. Auch hier kam das Gericht zu einem anderen Schluss: „Das Beweisverfahren ergab keinen Hinweis für die Richtigkeit der Behauptung, auf dem Foto sei ein abgemagertes oder vernachlässigtes Pferd abgebildet. Ein Sachverständigengutachten wurde nicht beantragt. Die Behauptung der Vernachlässigung ist für die Klägerin als Pferdehalterin sowohl kreditschädigend als auch ehrenbeleidigend, weshalb die Beweislast für die Richtigkeit der Behauptungen des Erstbeklagten trifft, der dieser jedoch nicht nachgekommen ist."

Das Urteil des Erstgerichts fiel deshalb eindeutig aus:
– „Die beklagten Parteien sind schuldig, die Verbreitung der Behauptung, dass in Wien „aufgrund der Hitze immer wieder Fiakerpferde kollabieren“, zu unterlassen" sowie diese Behauptung als „unwahr" zu widerrufen.
– Gleiches gilt für die Behauptung, „dass die Unterbringung der Fiakerpferde in ihren Stallungen meist reine Boxenhaltung ohne jeglichen Auslauf bedeute, oft unter fürchterlichen Bedingungen" – auch diese ist zu unterlassen sowie als unwahr zu widerrufen.
– Des weiteren hat es die erstbeklagte Partei zu unterlassen und als unwahr zu widerrufen, die beanstandete Fotografie des Fiaker-Gespanns „zu veröffentlichen und mit Kommentaren wie „abgemagertes Pferd“, „Fall von Pferde-Vernachlässigung“, „Entsetzen“ und/oder „Dieses Pferd sollte auf keinen Fall mehr vor eine Kutsche gespannt sein“ zu versehen.

Der VGT hat empört und scharf auf das aus seiner Sicht „skandalöse" Urteil reagiert und dem Gericht eine „einseitige Prozessführung" vorgeworfen. In einer ausführlichen Stellungnahme (hier nachzulesen) sprach man von einer SLAPP-Klage – also einer Einschüchterungsklage, um kritische Stimmen mundtot zu machen – und kündigte an, jedenfalls in Berufung zu gehen. VGT-Obmann DDr. Martin Balluch: „Sollte dieser Klage gefolgt werden, ist keine Tierschutzkritik an der Fiakerpraxis mehr möglich. Wie soll es dann eine öffentliche Diskussion über Fiaker geben können, und wie eine demokratische Entscheidung über ihre Zukunft? Dagegen müssen wir daher in jedem Fall bis in alle Instanzen vorgehen."

Für die Fiakerbetreiber ist das erstinstanzliche Urteil jedenfalls ein Lichtblick – und ein Hoffnungsschimmer: „Das Urteil sehen wir als Bestätigung unserer Arbeit und hoffen, dass sowohl Öffentlichkeit als auch Politik einen entsprechenden Paradigmenwechsel in der Bewertung der Fiaker vornehmen werden“, so Marco Pollandt von Pro-Fiaker-Kultur.

Das Urteil des Handelsgerichts Wien ist noch nicht rechtskräftig – es bleibt also abzuwarten, wie die nächsten Instanzen urteilen werden ...

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