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Verwilderte Pferde und Esel sorgen für Wasser und Leben in Trockengebieten
29.08.2021 / News

Ein verwilderter Esel beim Graben eines Brunnens in einem ausgetrockneten Bachbett ...
Ein verwilderter Esel beim Graben eines Brunnens in einem ausgetrockneten Bachbett ... / Foto: Screenshot Youtube

Wissenschaftler machten in einer aktuellen Studie eine erstaunliche Entdeckung: Brunnen bzw. Wasserlöcher, die von verwilderten Eseln und Pferden in Trockengebieten gegraben wurden, kommen auch anderen Tier- und Pflanzenarten zugute und sorgen für größere ökologische Vielfalt.

 

Verwilderte Hauspferde wie etwa die Brumbys in Australien oder die Mustangs in den USA werden noch immer von großen Teilen der Wissenschaft gleichsam als ökologischer Unglücksfall gewertet, der vom Menschen verursacht wurde und das natürliche Gleichgewicht ganzer Landstriche gefährdet. Nicht zuletzt deshalb wurden in der Vergangenheit immer wieder umstrittene Tötungsprogramme durchgeführt, um die Bestände dieser Tiere zu dezimieren und auf ein vermeintlich ökologisch verträgliches Ausmaß zurückzudrängen.

Erst in jüngster Zeit aber beschäftigen sich Ökologen und Biologen mit einem anderen Forschungsansatz – und untersuchen auch mögliche positive ökologische Effekten, die von solchen verwilderten Spezies ausgehen können. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die umfangreiche Studie einer interantionalen Forschergruppe rund um Erick Lundgren über das Verhalten von wilden Equiden in der Sonora-Wüste im Südwesten der USA, die vor kurzem in der Zeitschrift ,Science’ veröffentlicht wurde.

Im Rahmen ihrer Forschungen überwachten Erick Lundgren und seine Kollegen vier separate Bäche in einem Teil der Sonora-Wüste in Arizona und beobachteten mithilfe von Kamerafallen die Aktivitäten rund um die Brunnen. Die Bäche füllen sich normalerweise mit Grundwasser, trocknen aber im Sommer aus. Das Forschungsteam untersuchte alle paar Wochen jeden Bach, und zwar über drei aufeinanderfolgende Sommer hinweg – und machte dabei die spannende Entdeckung, dass verwilderte Pferde und Esel in der Gegend Brunnen bzw. Wasserlöcher graben, um an das begehrte Grundwasser zu gelangen. Diese Brunnen sind manchmal bis zu zwei Meter tief – und haben zwei bemerkenswerte Nebeneffekte: Sie dienen auch anderen Arten als lebenswichtige Wasserquelle und führen überdies  zu einer Erhöhung der Biodiversität in der Umgebung.

Die Forscher dazu: „Es ist eine sehr heiße, trockene Wüste – aber man stolpert immer wieder über diese geradezu magischen Stellen, an denen plötzlich Oberflächenwasser ist“, so Erick Lundgren. „Die Eselbrunnen hielten Wasser im System. Und diese Wasserstellen wurden von so ziemlich jeder Spezies genutzt, die man sich vorstellen konnte, überraschenderweise sogar von Schwarzbären, die wir in der Wüste gar nicht erwartet hatten."

Die Brunnen versorgten nicht nur die verwilderten Esel und Pferde mit Wasser, sondern wurden auch von mehr als 57 anderen Arten genutzt, darunter zahlreiche Vögel, andere Pflanzenfresser wie Maultierhirsche, aber auch Raubtiere wie Berglöwen, die eigentlich die natürlichen Feinde von wilden Eseln und Pferden sind.

Doch nicht nur die Fauna profitierte von den Wasserlöchern, sondern auch die Pflanzenwelt: Das Team entdeckte einige Baumarten, die aus verlassenen Brunnen sprießen, was darauf hindeutet, dass diese Wasserlöcher auch eine positive Rolle bei der Vegetationsbildung spielen. Die Forscher fanden sogar einige Baumarten, wie sie typischerweise in Auwäldern bzw. Feuchtgebieten wachsen, was auf einen breiteren Nutzen für die gesamte Umwelt hindeutet. In gewisser Weise waren die verwilderten Equiden die Architekten und Baumeister der Wasserversorgung in den untersuchten Trockengebieten und Wüstenregionen – von denen das gesamte Ökosystem profitierte.

Auch ähnliche Untersuchungen in Australien und in Afrika bestätigen den großen ökologischen Nutzen derartiger Brunnen, die von Eseln und anderen verwilderten Equiden gegraben werden. In Queensland wurden Brumbys beobachtet, die Brunnen gruben, die so tief wie sie selbst waren, um ab das Grundwasser zu kommen. Im Kimberley in Westaustralien haben Hubschrauberpiloten ganze Reihen solcher Brunnen in ausgetrockneten Bachbetten gesehen – diese sind jedoch so gut wie verschwunden, da Massenerschießungen ab den späten 1970er Jahren die Esel fast vollständig ausgerottet haben. Nur auf der Kachana Station, wo die letzten wilden Esel der Kimberleys geschützt werden, sind diese Brunnen noch zu finden. Auch in Afrika ist belegt, dass viele Equiden-Arten – etwa das Mountain Zebra, das Grevy Zebra und auch der Kulan – solche Brunnen graben, die auch für andere Tiere wertvolle Wasserquellen bieten.

Wasser ist, wie die Wissenschaftler betonen, eine begrenzte, äußerst kostbare Ressource, die durch Landwirtschaft, Bergbau, Klimawandel und andere menschliche Aktivitäten immer knapper wird. Angesichts der vorhergesagten Ausbreitung von Wüsten können verwilderte Esel und Pferde in trockenen Gebieten für „unerwartete Geschenke des Lebens sorgen“, so die Wissenschaftler gegenüber dem Portal ,theconversation.com’ – und so einen wertvollen Beitrag zu Ökodiversität und Artenreichtum in den betroffenen Regionen leisten.

Das Resümee der Forscher: „Trotz dieser ökologischen Vorteile in Trockengebieten wurden verwilderten Tierarten lange Zeit die Fürsorge, Aufmerksamkeit und der Respekt verweigert, die angestammten einheimischen Arten zu Recht zukommen. Stattdessen werden diese Tiere das Ziel von Tötungsprogrammen im Namen des Naturschutzes oder der Fleischindustrie. Es gibt jedoch Anzeichen für eine Veränderung. Neue Ansätze wie sanfter Naturschutz und Artengerechtigkeit verändern und erweitern mittlerweile die moralischen Standards des Naturschutzes und stellen die Idee in Frage, dass nur einheimische Arten von Bedeutung sind.“

Die Studie „Equids engineer desert water availability" von Erick J. Lundgren, Daniel Ramp, Juliet C. Stromberg, Jianguo Wu, Nathan C. Nieto (†), Martin Sluk, Karla T. Moeller und Arian D. Wallach ist am 30. April 2021 in der Zeitschrift ,Science’ erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.


In diesem kurzen Video sind die verwilderten Esel beim Graben von Wasserlöchern zu sehen – und auch, wie sich viele andere Tierarten an ihnen laben …

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(YouTube)

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