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Abenteuer Pferdekauf: Von Seilschaften und Zeugenkomplott
25.05.2020 / News

Der geschilderte Fall zeigt, welche kriminelle Energien beim Thema ,Pferdekauf’ freigesetzt werden können – und wie sehr man als unerfahrener Käufer auf der Hut sein muss!
Der geschilderte Fall zeigt, welche kriminelle Energien beim Thema ,Pferdekauf’ freigesetzt werden können – und wie sehr man als unerfahrener Käufer auf der Hut sein muss! / Symbolfoto: Archiv/Petr Blaha
Hat nach 30-jähriger Tätigkeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger viel gesehen und auch viel zu erzählen: Dr. Reinhard Kaun.
Hat nach 30-jähriger Tätigkeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger viel gesehen und auch viel zu erzählen: Dr. Reinhard Kaun. / Foto: privat

Seit mehr als 30 Jahren ist Dr. Reinhard Kaun als gerichtlich beeideter Sachverständiger tätig und hat in dieser Zeit Gutachten zu mehr als 2.500 Verfahren vor Gericht und für Versicherungen erstellt. Auf ProPferd lässt er die markantesten und lehrreichsten Fälle noch einmal Revue passieren – wie jenen denkwürdigen Pferdekauf, bei dem eine ganze Seilschaft ,guter Bekannter‘ eine unheilvolle Rolle spielte …


Man war nicht unvermögend im Hause NN., die reitbegeisterte Tochter Elke hatte eben die Reifeprüfung mit Erfolg abgelegt, ihr Vater wollte sein Versprechen, als Belohnung ein Dressurpferd der gehobenen Klasse zu erwerben, nun einlösen.

Aus Vorfreude wurden von dem Mädchen nun alle Personen „mobilisiert“, die in der Sache Pferdesuche und Pferdekauf hilfreich sein könnten – und „alle“ teilten die Vorfreude und Begeisterung und wurden mit Eifer tätig: Reitlehrer, Trainerin, Stallmanagerin, Pflegerin – ja nicht genug damit: „zufällig“ erreichte den Reitlehrer ein Anruf, in dem ihm der  befreundete Pferdehändler  B.  , der auch als internationaler Dressurrichter tätig ist, scheinbar beiläufig erzählte, er habe soeben einen „Notverkauf hereinbekommen“ – ein weit gefördertes Dressurpferd in „zufällig“ ebenjener Farbe, die sich das Mädchen so sehr wünschte. Begründung: Die Vorbesitzerin beginnt ein Studium und hat keine Zeit mehr.

Generalstabmäßig begann die Seilschaft in Aktion zu treten, um eine möglichst gewinnbringende Zusammenführung von Pferd und Elke zu inszenieren: Die Reise ins benachbarte Ausland wurde eilends angetreten, als Reisebegleitung kamen der Reitlehrer, die Stallmanagerin, die Trainerin  und die Pflegerin mit.

Die Enttäuschung war riesig, als diese Gruppe um Elke – im Stall des internationalen Händlers B. angekommen – erfahren musste, dass das erträumte Pferd vor wenigen Stunden verkauft worden war und den Stall bereits verlassen hat.

Der Pferdehändler B. war von der tiefen und tränenreichen Bestürzung der jungen Kaufinteressentin Elke  scheinbar aber so gerührt, dass er  vor der versammelten Gesellschaft  aus Österreich ein Telefonat mit dem Käufer, dem ihm  „gut bekannten“ Pferdehändler M. – der das Pferd soeben in seinen Stall gebracht hatte – begann. 

Händler M.  erzählte am Handy  wortreich und für alle Anwesenden gut hörbar,  dass sich seine Tochter sofort nach dessen Ankunft bereits in dieses Pferd verliebt hatte und er  es seinem Kinde spontan zum Geburtstag als  Geschenk gemacht hatte – sie würde dieses Pferd auch nie wieder hergeben.

In einem bühnenreifen Dialog gelang es dann dem Pferdehändler B. den Pferdehändler M. soweit zu bewegen, dass dessen Tochter zugunsten der jungen Österreicherin vom Kauf zurücktrat – allerdings unter der Bedingung, dass Transport, Rücktransport, Zeitaufwand  und Mühen abgegolten würden, was den Preis des Pferdes von einer halben Million auf 750.000,– EURO hinauftrieb – der betuchte Vater der jungen Österreicherin  gab telefonisch seine Finanzierungszusage – das Pferd selber hatte man bisher weder gesehen, zur Probe geritten oder einer Ankaufsuntersuchung unterzogen. 

Tags darauf traf das Pferd wieder im Stall des Pferdehändlers B. ein – eine wahre Schönheit und um Elke war's geschehen. Ihr Vater hatte aufgetragen, jedenfalls eine Kaufuntersuchung in einer Pferdeklinik durchführen zu lassen, Händler B. machte sich erbötig, „Odysseus“ – so der Name des großen Braunen – in eine befreundete Klinik zum TÜV zu bringen.

„Odysseus“ war lahm – die Tierärzte der nicht unbekannten Klinik vermuteten ohne nähere Untersuchungen, dass sich das Pferd am Transport „angeschlagen“ habe und wollten es zwei Tage später noch einmal untersuchen – das Pferde war, wenn auch etwas weniger – immer noch lahm.

Da kam der rettende Vorschlag vom Händler B. – ein Kauf auf Probe, Probezeit 1 Monat – wäre das Pferd dann „gerade“, würde er den Rest des Kaufpreises persönlich in Österreich abholen. Dieses überaus großzügige und ungewöhnliche Angebot war aber an Bedingung geknüpft – die Rechnung sollte nur einen Betrag vom halben Kaufpreis ausweisen.

Elke war erleichtert, ihr Vater besorgte eine Eilüberweisung von einigen hunderttausend  EURO  und zwei Tage später traf „Odysseus“ im Reitstall, in dem Elke verkehrte, ein – und war nicht mehr lahm.
Die Trainerin forderte das Pferd, Elke ritt das Pferd nach Anweisung des Reitlehrers und schonte es nicht, die Stallmanagerin sorgte für Koppelgang und zusammen mit dem Stallmädchen für ordnungsgemäße Fütterung und Pflege.

Die Glückseligkeit hielt an, die Trainerin war mit Pferdehändler B. in laufendem Kontakt und berichtete „tagesaktuell“. Pünktlich nach Ablauf eines Monats erschien B., um den Rest des Geldes gegen Übergabe der fingierten Rechnung abzuholen.

Drei Tage später war „Odysseus“ mittel- bis hochgradig lahm.

Elkes Vater ging mit einer Mängelrüge vor Gericht. Der bestellte Pferdesachverständige ordnete nach klinisch-orthopädischer Untersuchung zusätzlich zur Röntgenuntersuchung eine Magnetresonanztomografie an. Die Untersuchungen erhärteten die Diagnose, dass auf Basis eines starken (und sichtbaren) Achsenbruches irreparable Schäden in einem Vorderhuf eingetreten waren, die zum Zeitpunkt des Kaufes im Ansatz vorhanden waren.

Im Zuge des Beweisverfahrens kam zutage, dass Reitlehrer, Trainerin, Stallmanagerin und Pflegerin vom Händler B. erhebliche   Summen Geldes für das „zufällige Zustandekommen“ des Kontaktes mit Elke erhalten hatten und auch dafür, dass sie für einen lahmheitsfreien Probemonat gesorgt hatten.

Das Gericht sprach nach Vernehmung unzähliger Zeugen von „Zeugenkomplott“.

Zur Erklärung: „Bringen mehrere Zeugen im Verhör unterschiedliche Erweiterungen, die sich gegenseitig abstützen und zu einem homogenen Gesamtbild ergänzen, dann spricht auch dies für die Schilderung eines realen Erlebnisses (wechselseitige Ergänzung).
Unterscheiden sich die Ergänzungen nicht einmal bei den Nebensächlichkeiten oder stimmen sogar in allen Punkten überein, so spricht dies eher für ein einstudiertes Zeugenkomplott, als für die Glaubhaftigkeit der Ergänzung.
Das Gedächtnis jedes Einzelnen weist große individuelle Unterschiede auf, die auch im Aufbau und Inhalt der Aussagen zum Ausdruck kommen müssen."

(Karina Otte: Rechtsgrundlagen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Zeugen im Strafprozess, LITVerlag, 2002)

Man merke:
Wenn ein „Notverkauf“ oder ein „gerade begonnenes Studium“ als Begründung für einen Pferdeverkauf genannt wird, ist besondere Vorsicht angebracht: Diese oder ähnliche Phrasen verwenden Pferdehändler seit jeher, um den Preis eines Pferdes hinauf zu treiben bzw. kranke Pferde teuer zu verkaufen; weitere beliebte Varianten sind:

– Wenn ich dieses Pferd hergebe, lässt sich meine Frau scheiden.
– Das ist das Lieblingspferd meiner Tochter – sie tut sich was an, wenn ich dieses Juwel verkaufe.
– Die Vorbesitzerin ist schwanger und gibt das Pferd nur an einen guten Platz ab.
– Dieses Pferd war nur in der Hand von Spitzenreitern – ein solches Pferd kann sich nicht jeder leisten.
– Ein Vorbesitzer konnte dem Pferd keinen adäquaten Stall bieten.

... und vieles andere mehr – der Kreativität sind in diesem Punkt kaum Grenzen gesetzt.

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun – Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Forensische Hippologie
Fachtierarzt für Pferdeheilkunde em., Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin em., Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, A 2070 Retz, Herrengasse 7, Tel. +43.699.10401385, Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at

Kommentare

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1) ulrikethiel: Dass es leider bei Pferdekäufen, vor allem im sechstelligen Bereich häufig zu Rosstäuschermethoden kommt, von nicht ganz eigennutzfreien Empfehlungen gar nicht zu reden, ist ja leider nicht unbedingt selten. Allerdings den Vorschlag dieser Bezahlungswieise xu akzeptieren, und dann überrqscht zu sein, dass jemand, der solches macht, auch ansonsten über kriminelle Energie verfüg,t ist schon etwas blauäugig.
Dienstag, 26. Mai 2020
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