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Die wohl härteste Pferderasse der Welt: So überleben Jakutenpferde auch bei minus 70 Grad
29.05.2020 / News

Jakutenpferde sind optimal an die harten Lebensbedingungen Nordsibiriens angepasst – eine entscheidende Rolle dabei spielt ihre Ernährung, wie russische Forscher zeigen konnten.
Jakutenpferde sind optimal an die harten Lebensbedingungen Nordsibiriens angepasst – eine entscheidende Rolle dabei spielt ihre Ernährung, wie russische Forscher zeigen konnten. / Foto: Унаров Максим В&

Jakutenpferde sind perfekt an die widrigen Lebensbedingungen ihrer nordostsibirischen Heimat angepasst und trotzen dort Temperaturen von bis zu minus 70 Grad. Eine Schlüsselrolle spielt dabei ihre Ernährung durch ganz bestimmte Futterpflanzen, wie russische Forscher nun herausfanden.


Das Jakutenpferd zählt ohne Zweifel zu den bemerkenswertesten Pferderassen weltweit und ist berühmt für seine eiserne Härte und die Fähigkeit, in einer der rauesten Klimazonen der Welt zu überleben. Die Rasse ist genetisch nicht mit dem vor 5.000 Jahren ausgestorbenen sibirischen Wildpferd verwandt, sondern geht – wie Genanalysen zeigten – auf mongolische Wildpferde zurück, die vor ca. 800 Jahren von jakutischen Einwanderern aus dem Süden mitgebracht wurden. Diese Pferde passten sich in erstaunlicher Geschwindigkeit an die harten Lebensbedingungen Nordsibiriens an – etwa durch ein extrem dichtes und langes Winterfell (Haarlänge bis zu 8 cm) und einen optimal auf die jeweilige Jahreszeit abgestimmten Stoffwechsel: Im Herbst sammeln sie große Fettreserven an, im Winter wird der Stoffwechsel deutlich abgesenkt – während im Frühjahr der Kohlenhydrat-Stoffwechsel wieder deutlich erhöht ist, wenn die Pferde das frisch sprießende Gras genießen. Sie können darüberhinaus Erfrierungen bei extremen Minusgraden vermeiden, indem sie das Volumen des zirkulierenden Blutes verringern.

Dass Jakutenpferde den eisigen sibirischen Winter überstehen können, den sie oftmals – trotz Temperaturen von minus 70 Grad – im Freien verbringen, hängt jedoch sehr wesentlich von ihrer speziellen Ernährung und vor allem von ganz bestimmten Futterpflanzen ab, wie eine Gruppe russischer Wissenschaftler in einer kürzlich erschienenen Studie der ,Siberian Federal University’ nachweisen konnte. Zu diesen Pflanzen gehören Trespen (Bromopsis inermis L.) ebenso wie Hafer (Avena sativa L.) – und sie sind entscheidend für die Bildung eines optimalen Gleichgewichts von mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in Leber, Muskeln und im Körperfett der Pferde.

Jakutenpferde werden die meiste Zeit des Jahres nicht im Stall gehalten, sondern grasen auf Weiden, die oft von einer dicken Schneeschicht bedeckt sind. „Während des kurzen jakutischen Sommers wachsen diese Getreidearten, erreichen ihre Reife und produzieren Samen. Während dieser Zeit ernähren sich einheimische Tiere, einschließlich jakutischer Pferde, von ihnen“, so die Co-Autorin der Studie, Olesia Makhutova, eine Spezialistin für Ökosysteme der sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Bei kühlen Herbsttemperaturen tritt eine gewisse Nachwuchs-Phase dieser Getreidearten ein, häufig erst dann, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen. Wissenschaftler der Akademie und des Sibirischen Instituts für Pflanzenphysiologie und Biochemie konnten zeigen, dass das Getreide während dieses Nachwachsens unter besonders kargen Bedingungen eine erhebliche Menge wertvoller Inhaltsstoffe anreichert, einschließlich mehrfach ungesättigter Fettsäuren – insbesondere Alpha-Linolensäure. „Diese gehen der Synthese der unersetzlichen langkettigen Omega-3-Fettsäuren voraus, ohne die Tiere und Menschen nicht überlebensfähig wären“, so Makhutova weiter.

Durch das Fressen dieser speziellen Getreidearten, die mit Alpha-Linolensäure angereichert sind, werden die wertvollen Fettsäuren auch im Muskel- und Fettgewebe der Jakutenpferde angesammelt. Das zeigte sich u. a. bei der Laboranalyse von Leberproben – die Lebern von Jakutenpferde waren reich an Linol- und Arachidonsäure: „Dies sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus der Omega-6-Familie. Arachidonsäure wird höchstwahrscheinlich im Gewebe von Pferden synthetisiert, da keine andere Nahrungsquellen für diese Säure gefunden werden konnte“, so Olesia Makhutova.

Die Wissenschaftler vermuten zudem, dass die mit dem Getreide aufgenommenen Fettsäuren auch als eine Art ,Frostschutz’ dienen könnten, um die Pferde vor den arktischen Temperaturen im Winter zu schützen: „Wir gehen davon aus, dass die Anreicherung von Alpha-Linolensäure im Körper es den Pferden ermöglicht, ihr gespeichertes Fett auf besonders effektive Weise zu verbrauchen", so die Wissenschaftlerin: „Es ist kein Zufall, dass sie so wohlgenährt aussehen. Ohne ausreichende Fettreserven und einen fein abgestimmten Mechanismus, wie diese eingesetzt und aufgebraucht werden, könnten die Pferde den jakutischen Winter nicht überleben.“

Freilich hat diese perfekte Anpassung an die harten Lebensbedingungen Nordsibiriens für die Pferde auch eine Schattenseite: Jakutenpferde sind eine wichtige Quelle für tierisches Eiweiß und Fett für den menschlichen Verzehr geworden – und zwar heute mehr denn je: Die einst weit verbreitete jakutische Kuh hat an Bedeutung verloren – und daher werden vermehrt Pferde herangezogen, um die einheimische Bevölkerung mit Fleisch zu versorgen. „Der Nährwert des jakutischen Pferdefleisches ist gerade aufgrund des idealen Verhältnisses von mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Säuren sehr hoch“, wie Olesia Makhutova erkärt.

Die Wissenschaftlerin weiter: „Das 1: 1-Verhältnis dieser Säuren ist ideal für uns Menschen, aber die Zivilisation verschiebt das Gleichgewicht aufgrund der Dominanz von Pflanzenölen, billigem Schweinefleisch und Fast Food in unserer täglichen Ernährung immer mehr in Richtung der Dominanz von Omega-6. Natürlich brauchen wir auch Omega-6-Säuren – aber in Kombination mit Omega-3-Säuren, die hauptsächlich in fettem Fisch vorkommen. Das von uns untersuchte Pferdefleisch war in dieser Hinsicht perfekt, insbesondere für die Ernährung von Kindern und die Ernährung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn die Bevölkerung von Jakutien nun anfängt, Massenmarkt-Produkte zu konsumieren, die jetzt in großer Zahl importiert werden, und sich für halbfertige Schweinefleischprodukte entscheidet, kann dies die Gesundheit der Menschen drastisch beeinträchtigen. Aus diesem Grund sollte eine bewährte ausgewogene Ernährung nicht verändert werden.“

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