Längere Hitzeperioden können den Organismus von Pferden erheblich belasten – doch eine Überprüfung des Kreislauf-Status kann jeder Pferdemensch täglich oder bei Bedarf selbst vornehmen. Dr. K. erläutert, wie das geht!
Der Sommer mit dem Pferd
Hier einige wichtige Fakten zur unterschiedlichen Wärmeregulation bei Mensch und Pferd:
Schwitzen
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Mensch |
Pferd |
Liter pro Stunde |
2 |
15 |
Liter pro m² |
1 |
3 |
ml/m²/min. |
17 |
50 |
Wärmeregulation:
Wärmetransport ist nur über die Hautoberfläche und die Luftwege möglich.
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Mensch |
Pferd |
Hautoberfläche in m² |
2 |
5 |
Körpergewicht (KG) kg |
80 |
500 |
Verhältnis m²: kg KG |
1:40 |
1:100 |
Kaltblut |
|
1:120 |
Vollblut |
|
1:90 |
Wärmeproduktion
O Nur 20 % der verbrauchten Energie wird bei Muskelarbeit für Kontraktion umgesetzt, 80 % ist (verlorene) Wärmeenergie;
O bei intensiver Arbeit wird das 40-60 fache an Wärme produziert als in Ruhe;
O dadurch Steigerung der Muskeltemperatur bis 46 Grad C, der Blut-Temperatur bis 42 Grad C, der Inneren Körpertemperatur bis 41 Grad C.
Belastung der Wärmeregulation
– Bei Lufttemperatur über 35 Grad C
– Bei Relativer Luftfeuchtigkeit über 85 %
– Durch direkte und indirekte Sonneneinstrahlung
– Durch (heißen) Wind
Vorbereitung der Pferde
– frühzeitige Abreise zum Turnier/Wettbewerb
– Anpassungsfrist von 10-14 Tagen bei Wechsel der Klimazone
– Am Ort des Wettbewerbes: schwere Arbeit für den Morgen ansetzen
– Laufende Überprüfung von Wasseraufnahme, Hämatokrit und Hämoglobin und klinischer Check.
Rehydrierung
– Rennpferde verlieren 150g, Distanzpferde 500 g Elektrolyte
– Training verbessert die Effektivität des Schwitzens
– 3-5 % Dehydration werden verkraftet
– Mensch: 1 % Dehydration > 10 % Leistungsverlust
– Wassertrinken alleine ist für Pferde zu wenig:
o Re-Hydrationstränke
o Elektrolytlösung
o Infusion
o Apfelsaft/Apfelessig
o Zusammensetzung von Schweiß
– Na 3.5 g/l
– Cl 6.0 g/l
– K 1.2 g/l
– Ca 0.1 g/l
– Hyperton
– Latherin (Protein) erleichtert Verteilung
– Trinken muss trainiert werden, speziell aus Eimern und bei „fremdem“ Wasser – Honig-Zugabe kann hier helfen.
Flüssigkeitsverlust bei 15 -18 Grad Umgebungstemperatur
> Trainingsgalopp auf 1600 m> 5-7 l
> Rennen bis zu 10 l
> Distanzreiten bis 100 l (100 Meiler)
> Klinische Probleme ab 6 -7 % d. Körpergewichtes > Dehydration
Wärmeabgabe
– 85 % über Schwitzen
– 15 % über Atmung
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Hämatokrit-Wert
Der Hämatokrit (Angabe in Prozenten) bezeichnet den prozentualen Anteil der Erythrozyten am Gesamtvolumen des Vollbluts. Die Bestimmung erfolgt mittels Mikrohämatokrit-Zentrifuge oder wird bei automatisierten Systemen aus MCV(mittleres Erythrozyten-Volumen) und Erythrozyten-Zahl berechnet.
Referenzbereich bei erwachsenen Warmblutpferden: 30 -43 %.
Grade der Dehydrierung [White, Moore, Mair 2008]
Geringgradig 6 % 43-47 % HK Flüssigkeitsdefizit 25 – 30 l/500 kg KG Mittelgradig 8 % 48-55 % HK Flüssigkeitsdefizit 40 l/500 kg KG
Hochgradig 10 % > 55 % HK Flüssigkeitsdefizit 50-55 l/500 kg KG
Quelle: Brehm, Gelen, Ohnesorge, Wehrend: Handbuch der Pferdepraxis, ENKE, 4. Aufl.
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Die Folgen einer „endogenen Entwässerung“ – also eines Flüssigkeitsverlustes durch Abdunstung, Ausatmung, Schwitzen, Durchfall bei gleichzeitig zu geringer Aufnahme/Zufuhr von Wasser, Salz und Elektrolyten halten nach meiner Erfahrung noch Monate über eine Hitzeperiode hinweg an und führen zu eklatantem Leistungsabfall. Der Pferdemensch tut also einerseits gut daran, ein Blutbild anfertigen zu lassen, wobei einer Untersuchung sofort und direkt vor Ort unbedingt der Vorzug zu geben ist – gut ausgerüsteten Pferde-Mediziner sollten über ambulantes Equipment zu diesem Zwecke verfügen, das ich schon vor 25 Jahren in meinem Praxiswagen ständig mitführte.
Eine Überprüfung des Kreislauf-Status kann aber jeder Pferdemensch täglich oder bei Bedarf selber vornehmen.
Physiologische Farbe der Lidbindehäute und Mundschleimhaut: blassrosa
Physiologische Farbe der Nasenschleimhaut: rosarot
Kapillarfüllungszeit (Blut-Niederdrucksystem): Auffüllung nach Druck in 3 Sek
Venenstauprobe nach Staudruck: prompte Füllung der Vene
Hautfaltenprobe am seitlichen Hals: Hautfalte verstreicht prompt.
Pathologische Symptomatik bei Dehydration
– Deutliche Farbveränderungen an den Schleimhäuten (blau, bläulich, blass, weiß, verwaschen)
– Kapillarfüllungszeit: beschleunigt oder verzögert
– Venenstauprobe: beschleunigt oder verzögert
– Hautelastizität:
o Erhalten (Hautfalte verstreicht)
o Langsames Verstreichen (graduell vermindert)
o Hautfalte bleibt stehen (aufgehoben)
– Kotballen klein, trocken, hart – nicht glänzend
– Stinkender Harn und Stöhnen beim Harnen
Probieren kann man`s wohl…??!
Der Vorfall
Der „Little Prince“, ein neunjähriger Wallach aus Hannoverscher Zucht, sollte wieder beschlagen werden – da er bei dieser Prozedur immer unleidlich war, wurde ihm üblicherweise ein Beistellpferd als Compagnon daneben gestellt – so auch diesmal. Aus unerfindlichen Gründen wurde aber diesmal noch vor Beendigung des Beschlagvorganges das Gesellschafter-Pferd plötzlich weggeführt, was zur Folge hatte, dass der „Prinz“ außer Rand und Band geriet, sich vom Beschlagplatz losriss und davon stürmte; dabei verletzte er sich an der linken Hinterextremität im Bereich des Fesselkopfes schwer; er wurde an der Veterinärmedizinischen Universität erstversorgt, auch die weiteren Behandlungen fanden dort statt.
Nach Meinung seines Eigentümers und nunmehrigen Klägers ist die Verletzung jedoch nicht folgenlos abgeheilt, weshalb Unregelmäßigkeiten im Bewegungsablauf zu bemerken sind, die eine korrekte Dressurvorstellung unmöglich machen. Im angestrengten Zivilprozess klagte der Pferdeigentümer den Hufschmied, unter anderem wurde vorgeworfen:
– Obwohl der Beklagte das Pferd und seine „Schwierigkeiten“ seit vier Jahren kannte, hat er es nicht ausreichend gesichert.
– Der Handelswert des Pferdes vor dem Unfall wurde von einem konsultierten Sachverständigen auf € 65.000.00 geschätzt, nach dem Unfall auf € 4000.00 – durch Wertminderung ist daher ein Schaden von € 61.000.00 eingetreten.
Befunde:
Vet. Med. Uni Vienna: Tiefe Schnittverletzung an der Außenseite der Zehe hinten links mit Eröffnung des Fesselgelenkes und des Hufgelenkes. Es erfolgte eine Gelenksspülung und Wundverschluss in Narkose und Wechselverbände, Boxenruhe, antibiotische und entzündungshemmende Therapie. Entlassung nach 20 Tagen bei gutem Heilungsverlauf.
Privatgutachten zwei Jahre nach Unfall: Der Privatgutachter kommt zum Ergebnis, dass das Pferd auf Gund seines Ankaufspreises (€ 45.000.--), seiner Abstammung, der Turnierergebnisse und der Beherrschung von S-Lektionen einen Handelswert von € 65.000.00 verkörperte, zum Zeitpunkt seiner Befundaufnahme aber nur mehr € 4000.00.
Recherche des bestellten Sachverständigen: Da behauptet wurde, dass das verfahrensgegenständliche Pferd vor dem Unfall „ausgezeichnet“ gegangen wäre, analysierte der bestellte Sachverständige acht Dressurprotokolle aus der Zeit unmittelbar vor dem Unfall.
Folgende Befunde – auszugsweise wiedergegeben – wurden erhoben:
– LM 1: Kurzkehrt mit Taktfehlern, RR mit Widerstand, Galoppwechsel gegen die Hand.
– LM 7: Kurzkehrt fixierte HH und Stockung, Taktfehler, festgehaltener Rücken, Schritt nicht geregelt, RR schleppend, Reinheit der Gänge 6,6,7.
– LM 5: RR nicht diagonal, Taktfehler im Galopp, Reinheit der Gänge 5,7,6.
– LM 6: Taktfehler im Trab, RR mit Widerstand (Note 4)
– LM 5: RR mit Widerstand (Note 4)
– LP 2: Taktfehler und ungeregelt in allen Gangarten, Reinheit der Gänge 6,6,6.
– LM 4: Taktfehler und ungeregelt, RR mit Widerstand.
– LP 2: Deutliche Taktfehler, Galoppwechsel Note 4, Reinheit der Gänge 6,6,6.
Aus diesen Protokollen ist nachvollziehbar, dass das Pferd vor dem Unfall bereits dieselben „Gangprobleme“ hatte, die der Privatsachverständige als unfallkausale Folgen einstuft und daraus eine Wertminderung und einen Schaden von € 61.000,00 ableitet.
Die Befunderhebung am verfahrensgegenständlichen Pferde – kurz skizziert:
Das Pferd wurde im Stand der Ruhe und unter dem Sattel vorgestellt.
– Stellungsfehler vorne und hinten
– Achsenbruch rechts vorne
– Links hinten Narbenkeloid
– Fesselgelenksgallen vorne rechts und hinten beiderseits
– Vorne rechts Diagonalhuf mit unregelmäßigem Abrieb
– Trab auf zwei Hufschlägen, Galopp kratzend
– Vorne und hinten durchtrittig
– Geht hinter dem Zügel und schlägt mit dem Schweif, Schlauchgeräusch
– Verwirft sich im Genick.
Sachverständige Analyse der Befunde:
– Die Wertschätzung des Privatgutachters ist weder schlüssig noch nachvollziehbar, weil am Pferdemarkt eine solide M-fertiges Pferd mehr nachgefragt ist, als ein Unverlässliches, das (vielleicht) einzelne S-Lektionen beherrscht.
– Der Privatgutachter lässt außer Acht, dass die als Unfallfolgen bezeichneten „Mängel“ nachvollziehbar bereits vor dem Unfall dokumentiert waren.
– Aus fachlicher Sicht ist der Beginn der Kausalkette nicht in der mangelhaften Sicherung des Pferdes beim Beschlag zu sehen, sondern im unkontrollierten Wegführen des Beistellpferdes.
– Die behandelnde Tierärztin berichtete von der Vermutung der Selbstmedikation nach dem Unfall, um das Pferd auf Turnieren vorstellen zu können. Das „Überreiten“ manifester Probleme unter dem Einfluss von Arzneimittel führt zur Verschleierung der Kernprobleme.
– Sämtliche von Klägerseite vorgelegten Dokumente (Kaufvertrag, Protokoll AKU) waren unvollständig ausgefüllt und ließen sich nicht zweifelsfrei dem gegenständlichen Pferde zuordnen.
– Im Vergleichswertmodell wurde der Zeitwert des Pferdes zum Zeitpunkt der Befundaufnahme durch den bestellten SV mit € 15.000, 00 geschätzt.
Gutachten:
– Die Verletzung des Pferdes lässt sich seriös und nachvollziehbar aus dem Bericht der VetMedUni Vienna erschließen. Diese Verletzung ist problemlos abgeheilt und das Pferd nach einer angemessenen Regenerationsphase vollkommen rehabilitiert. Der Seitenvergleich der Röntgenbefunde ergibt keine Befund-Differenzen.
– Die reiterlichen Probleme, die sich durch Analyse der Dressurprotokolle aus der Zeit vor dem Unfall nachweisen ließen, ergaben keinen Unterschied gegenüber der Zeit nach dem Unfall. Ab einem Jahr nach dem Unfall lässt sich keine lahmheitsbedingte Intervention durch die betreuende Tierärztin feststellen. Die Turniertauglichkeit hat gegen über der Zeit vor dem Unfall keine Einbuße erlitten.
– Der Wert des Pferdes vor dem Unfall wurde – abstrakt - aus den Aspekten Ankaufswert, Erhaltungswert, Zeitwert unter Berücksichtigung der Förderung bis Klasse M auf € 40.000.00 geschätzt, kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt unter Berücksichtigung aller Befunde nur mit € 15.000.00 aufrechterhalten werden. Der dazwischen liegende Wertverlust ist nach Ansicht des SV nicht unfallkausal, sondern u.a. bedingt durch den starken Wertverfall am Pferdemarkt in den letzten 6 Jahren (Erstattung 2003), aber auch als eine Folge schwerer Mängel in der „Performance“ des Pferdes und in Ausbildungsfehlern zu suchen. Da erfahrungsgemäß „umlernen schwieriger ans neulernen“ ist, ist diese Tatsache als Wertminderung anzusehen.
Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.
Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zur Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die, von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!