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Studie: Heftige Reaktionen bei Pferden nach Pastinaken-Verzehr
28.02.2022 / News

Pferd 3 wies eine ausgeprägte Lichtscheue (Photophobie), Depression und krankhafte Hautveränderungen (Dermatitis) bei der Aufnahme (Tag 0) auf.
Pferd 3 wies eine ausgeprägte Lichtscheue (Photophobie), Depression und krankhafte Hautveränderungen (Dermatitis) bei der Aufnahme (Tag 0) auf. / Foto: Judith C. Winter, Katharina Thieme et.al.
Pferd 3 zeigte ein mäßiges Hornhautödem bei der Aufnahme (Tag 0) und ein leichtes Ödem am Tag 24. Es gibt eine leichte rote Verfärbung im ventralen Bereich der Hornhaut, die von Hyphema (= Blutansammlung im unteren Bereich der vorderen Augenkammer) herrührt.
Pferd 3 zeigte ein mäßiges Hornhautödem bei der Aufnahme (Tag 0) und ein leichtes Ödem am Tag 24. Es gibt eine leichte rote Verfärbung im ventralen Bereich der Hornhaut, die von Hyphema (= Blutansammlung im unteren Bereich der vorderen Augenkammer) herrührt. / Foto: Judith C. Winter, Katharina Thieme et.al.
Pastinaken (Pastinaca sativa), wie sie in einer Heuprobe aus einem der Ställe vorgefunden wurden.
Pastinaken (Pastinaca sativa), wie sie in einer Heuprobe aus einem der Ställe vorgefunden wurden. / Foto: Judith C. Winter, Katharina Thieme et.al.

Bei neun Pferden aus Berlin und Brandenburg zeigte sich eine erhöhte Lichtempfindlichkeit (Photosensibilisierung), die krankhafte Veränderungen bei Haut und Augen zur Folge hatte. Wissenschaftler der Freien Universität Berlin führten die Symptome auf den Verzehr von Heu mit Pastinaken zurück.


Forscher der Freien Universität Berlin haben in einer kürzlich veröffentlichten Studie in der Zeitschrift ,BMC Veterinary Research' die krankhaften Hautveränderungen und Augenprobleme bei den neun Pferden detailliert beschrieben. Die Tiere waren von Hauterosion und Entzündung um ihre Schnauzen und auf der Haut über ihrem Penis betroffen. Primäre Photosensibilisierung – also eine Erhöhung der Lichtempfindlichkeit, die in der Folge zu unerwünschten Hautreaktionen führt – tritt bei Tieren und Menschen auf, wenn sich phototoxische Verbindungen in Haut, Hornhaut oder Schleimhäuten nach dem Essen oder direktem Kontakt mit Pflanzen oder Chemikalien ansammeln, die diesen Zustand auslösen können.

Wie die Forscher darlegten, wurde bislang in wissenschaftlichen Zeitschriften aus 20 Ländern über Ausbrüche von Photosensibilisierung berichtet, wobei die meisten Berichte aus Australien und Brasilien stammen. Nur 12 Berichte bezogen sich auf Europa. Schafe waren die am häufigsten gemeldeten Arten, gefolgt von Rindern und Pferden. Je nach Standort wurden verschiedene Pflanzen als Verursacher der Photosensibilisierung identifiziert – so etwa Johanniskraut (Hypericum perforatum), das in den Vereinigten Staaten, Südamerika, Europa, Neuseeland und Australien verbreitet ist, aber auch andere Pflanzen wie etwa Brachiaria decumbens (Surinamgras) wurden als Ursache in Brasilien, Kolumbien und Nigeria identifiziert.

Die neun beschriebenen Fälle in Deutschland stammten aus drei verschiedenen Ställen in Berlin und Brandenburg und wurden höchstwahrscheinlich durch Pastinaken (Pastinaca sativa) ausgelöst. Pastinaken enthalten Furocumarine, eine Familie photodynamischer Pigmente. Wenn sie ultravioletter Strahlung des Sonnenlichts ausgesetzt werden, interagieren Furocumarine mit Sauerstoff und produzieren reaktive Substanzen, die Zellmembranen in Haut und Augen schädigen können. Leider wurden die exakten Furocumarin-Konzentrationen in der Fallserie aufgrund fehlender Analysegeräte und der invasiven Art der Probenentnahme nicht gemessen.

Die betroffenen Pferde verschiedener Rassen wiesen unterschiedliche Grade von Hautrötung, Schuppung, Krustenbildung und Absterben der unpigmentierten Haut am Kopf und an der Vorhaut des Penis auf. Was die Augen betrifft, so wurde bei sieben der neun Pferde eine Bindehautentzündung (Konjunktivitis) festgestellt. Bei drei der neun Pferde wurde eine Entzündung an den Augenlidrändern (Blepharitis) konstatiert, bei zwei Pferden ein Hornhautödem ohne zusätzliche Anzeichen einer Hornhautentzündung (Keratitis) und/oder einer Entzündung der mittleren Augenhaut (Uveitis) und bei einem Pferd ein Hornhautödem mit Anzeichen einer Uveitis festgestellt. Die Augen von vier der Pferde waren lichtempfindlich, so die Wissenschaftler.  Ein Pferd entwickelte Hornhauterosion. Die analysierten Leberenzyme lagen bei allen Pferden innerhalb der normalen Referenzbereiche.

Alle drei Ställe, in denen die Pferde untergebracht waren, hatten Heu vom selben Händler gefüttert. Die analysierten Proben zeigten hohe Gehalte an Pastinaken-Pflanzen, Samen und Wurzeln. Die Pferde wurden je nach Schwere ihrer klinischen Symptome mit Flunixin-Meglumin oder Prednisolon behandelt, ebenso wurden Gentamicin (ein Antibiotikum), das entzündungshemmende Dexamethason und/oder Atropin (1x/Tag) in der Therapie eingesetzt. Die Hautpflege erfolgte mit Mandelöl oder Dexpanthenol. Alle Pferde wurden in einer dunklen Umgebung gehalten oder mit Sonnencreme und Gesichtsmasken behandelt, wobei die Behandlung zwischen 6 und 30 Tagen dauerte.

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass der Verzehr von Pastinaken eine primäre Photosensibilisierung mit Dermatitis und Augenverletzungen bei Pferden auslösen kann. Sie stellten auch fest, dass Pastinaken in Europa weit verbreitet sind – und der Heuhändler berichtete, dass sie auf dem Feld wuchs, auf dem das entsprechende Heu geerntet wurde, jedoch normalerweise in sehr geringen Mengen.

Als mögliche Ursache des erhöhten Pastinaken-Anteils im Heu wurden die spezifischen Vegetationsbedingungen vor und während der Heugewinnung identifiziert: 2018 hat sich, so die Wissenschaftler, das Verhältnis von Gräsern und Pastinake zugunsten der Pastinake verändert. In Deutschland und anderen europäischen Ländern waren die Jahre 2017 und 2018 wegen starker Regenfälle im Sommer 2017 und schwerer Trockenheit im Jahr 2018 für die Heuproduktion besonders schwierig. „Infolgedessen war die Heuqualität niedrig, die Preise stiegen und die Heuproduzenten wurden unter Druck gesetzt, das gesamte verfügbare Grünland für die Heuproduktion zu verwenden. Daher könnten witterungsbeständige Pflanzen einen Wachstumsvorteil erlangt haben, was zu höheren Konzentrationen uncharakteristischer Pflanzen in Heu und Silage geführt hat.“

Das Resümee der Wissenschaftler ist daher eine Warnung an Heuproduzenten und Pferdebesitzer gleichermaßen: „Die Aufnahme von Pastinaken (Pastinaca sativa) kann bei Pferden zu einer primären Photosensibilisierung mit Dermatitis und Augenverletzungen führen. In Zeiten extremen Wetters kann sich die botanische Zusammensetzung von Heu ändern, was zu großen Mengen an uncharakteristischen Pflanzen führt, die neue Probleme verursachen."  

Die Studie „Photodermatitis and ocular changes in nine horses after ingestion of wild parsnip (pastinaca sativa)" von Judith C. Winter, Katharina Thieme, J. Corinna Eule, Eva-Maria Saliu, Olivia Kershaw und Heidrun Gehlen ist am 26. Feb. 2022 in der Zeitschrift ,BMC Veterinary Research' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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