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Das Siebenfache des Wertes verlangt: Kaufpreis eines Springpferdes war sittenwidrig
26.04.2018 / News

Kaufverträge, bei denen das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob und einer der Vertragspartner grob fahrlässig ausgenutzt wird, sind sittenwidrig – das gilt auch beim Kauf eines Sportpferdes, so das OLG Frankfurt.
Kaufverträge, bei denen das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob und einer der Vertragspartner grob fahrlässig ausgenutzt wird, sind sittenwidrig – das gilt auch beim Kauf eines Sportpferdes, so das OLG Frankfurt. / Symbolfoto: Julia Rau

Ein sechsjähriges Springpferd wurde von einem Reitstallbesitzer um 60.000,– Euro verkauft – war jedoch lt. Sachverständigen-Gutachten nur 8.800,– Euro wert. Ein solcher Kaufvertrag ist sittenwidrig und damit nichtig – der bezahlte Betrag muss rückerstattet werden, urteilte das OLG Frankfurt.

 

Im August 2013 hatte der Kläger für seine Tochter ein damals sechsjähriges Springpferd zum Preis von 60.000,– Euro vom Kläger gekauft, wobei er einen Betrag von 40.000,– Euro sofort überwies, die restlichen 20.000,– Euro sollten nach einer positiv absolvierten Ankaufsuntersuchung folgen. Bei dieser Untersuchung – die rund 10 Tage nach Abschluss des Kaufvertrags durchgeführt wurde – diagnostizierte die Tierärztin jedoch eine Lahmheit, die zu einer weiteren röntgenologischen Untersuchung führte. Dabei wurde an den Hinterbeinen des Pferdes jeweils ein Chip, also ein freier Gelenkskörper, sowie geringe Sehenscheidengallen an allen vier Beinen und eine geringe Mauke an beiden Vorderbeinen festgestellt. Das Pferd wurde insgesamt aber als ,sporttauglich’ beurteilt.

Dem Kläger gingen diese gesundheitlichen Probleme dennoch zu weit: Er verlangte eine Auflösung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie eine Rückzahlung der bereits überwiesenen 40.000,– Euro, da der Kaufpreis völlig überzogen sei und das Pferd einen Sachmangel aufweise. Der Beklagte – ein Reitstallbesitzer und früherer Springreiter – reagierte mit einer Gegenklage und forderte seinerseits die noch ausständigen 20.000,– Euro. Der Fall landete beim Landgericht Darmstadt, das mit Urteil vom 9. November 2015 die Klage des Käufers abwies und der Widerklage des Verkäufers stattgab. Das wollte der Käufer jedoch nicht hinnehmen, legte Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ein – und bekam mit Urteil vom  26. Jänner 2018 Recht.

Bemerkenswert ist die Begründung des OLG Frankfurt: Der Kaufvertrag sei gemäß § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nichtig,  da er gegen die guten Sitten verstößt und wesentliche Merkmale eines „wucherähnlichen Geschäfts“ aufweise. Dies sei insbesondere dann der Fall, „wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten als weiteres, subjektives Element festgestellt werden kann. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann allein dies den Schluss auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes rechtfertigen. Das besonders grobe Äquivalenzmissverhältnis begründet insofern eine beweiserleichternde tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Sie greift nur dann nicht ein, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist. Diese Grundsätze gelten – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch bei dem Kauf eines Sportpferdes“, so das OLG Frankfurt in seinem Urteil.

Tatsächlich liege im gegenständlichen Fall ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Dieses sei dann erfüllt, „wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Im Vertrag vom 01.08.2013 ist für "X" unstreitig ein Kaufpreis von 60.000,00 € vereinbart worden, obwohl der Verkehrswert des Pferdes zu diesem Zeitpunkt lediglich 8.800,00 € betragen hat. Der Kaufpreis war damit rund siebenmal so hoch wie der Verkehrswert des Pferdes.“

Der Verkehrswert wurde durch ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen ermittelt, das Rasse, Alter, Abstammung, Turniererfolge und Gesundheitszustand des Pferdes berücksichtigte. Nach Überzeugung des Sachverständigen handelte es sich bei dem Pferd lediglich um ein solides Amateur-Springpferd für den Freizeitsport und nicht um ein überdurchschnittliches Sportpferd mit Potenzial für die schwere Klasse. Als Vergleichsbasis hatte der Sachverständige zudem die Ergebnisse der Zwischenauktionen des Hannoveraner Verbandes herangezogen, wobei ein entsprechender Abzug für den Gesundheitszustand vorgenommen wurde. So konnte ein Mittelwert von 9.500,– Euro ermittelt werden, von dem noch 700,– Euro für die festgestellten gesundheitlichen Mängel abzuziehen waren – woraus sich der Verkehrswert von 8.800,– Euro ergab. Im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung hat der Sachverständige zudem auch noch die Kaufpreise aus Privat- oder Einzelverkäufen für ein 6-jähriges Springpferd der Rasse Deutsches Reitpferd, Deutsches Sportpferd oder Hannoveraner mit einem Mindestausbildungsstand der Klasse A im Jahr 2013 verglichen, wobei er einen Durchschnittspreis von 8.700,00 € festgestellt hat.

Diesem rundum überzeugenden Sachverständigen-Gutachten hatte die Verteidigung des Beklagten wenig entgegenzusetzen – und konnte auch nicht den Vorwurf einer „verwerflichen Gesinnung“ des Beklagten nachhaltig entkräften. Wörtlich heißt es dazu: „Das nach den vorstehenden Ausführungen vorliegende besonders grobe Äquivalenzmissverhältnis begründet im Streitfall eine beweiserleichternde tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung des Beklagten als subjektives Merkmal des § 138 Abs. 1 BGB. Diese Vermutung greift auch gegenüber dem Kläger ein, der als Beruf1 selbständig freiberuflich tätig ist. Übt jemand eine selbständige freiberufliche Tätigkeit aus, so bleibt es nur dann bei der allgemeinen Beweislastregel, dass derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts beruft, die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit darlegen und notfalls beweisen muss, wenn die selbständige freiberufliche Tätigkeit als solche gegen eine wirtschaftliche Schwäche oder Geschäftsunerfahrenheit spricht.“ Doch das sei hier eben nicht der Fall, da der Kläger nachweis erst einmal in seinem Leben ein Pferd gekauft habe und daher sehr wohl in Sachen Pferdehandel als ,geschäftsunerfahren’ einzustufen war. „Insgesamt ist es daher angemessen, die Vermutung (einer verwerflichen Gesinnung seitens des Beklagten, Anm.) zugunsten des Klägers eingreifen zu lassen“, so das OLG Frankfurt wörtlich.

Das OLG Frankfurt erklärte den Kaufvertrag gemäß § 138 I BGB für nichtig, weswegen dem Käufer ein Anspruch auf Rückzahlung der 40.000,– € aus § 812 I Satz 1 Alt. 1 BGB zuzüglich Verzugszinsen zustehe, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes.

Das vollständige Urteil des OLG Frankfurt kann man hier nachlesen.

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