Phänomenal: Pferde können menschliche Emotionen lesen und sich merken 28.04.2018 / News
Wie die Pferde der Testperson begegneten und welche Reaktionen sie zeigten, hing entscheidend davon ab, welches Bild – positiv oder negativ – sie von der Testperson „im Kopf" hatten. / Foto: Dr. Leanne Proops et al. Den Pferden wurden vor der ,realen' Begegnung mit der Testperson Fotos mit einem glücklichen oder einem wütenden Gesichtsausdruck gezeigt – bereits ein kurzer Blick auf das Foto genügte zur nachhaltigen ,Speicherung' des emotionalen Ausdrucks. / Foto: Dr. Leanne Proops et al.
Britische Wissenschaftler konnten erstmals nachweisen, dass Pferde menschliche Emotionen nicht nur lesen, sondern sich auch merken und ihr späteres Verhalten daran anpassen können: Ein kurzer Blick genügt – und Pferde verstehen alles. Die Forscher waren verblüfft!
Für den Menschen sind Gesichtsausdrücke wichtige soziale Signale, und wie wir bestimmte Individuen wahrnehmen, kann durch subtile emotionale Signale beeinflusst werden, die sie uns in vergangenen Begegnungen bewusst oder unbewusst übermittelt haben. Wenn uns jemand in der Vergangenheit mehrfach schlecht gelaunt, zornig oder gar aggressiv gegenübergetreten ist, dann hat dies einen deutlichen Einfluss bei nochmaligen Begegnungen – auch wenn wir bei diesen nicht exakt wissen können, in welchem Zustand uns dieser Mensch bei einer neuerlichen Begegnung entgegentreten wird: Die Erfahrungen der Vergangenheit haben Einfluss auf unser Verhalten in der Zukunft.
Dies gilt freilich nicht nur für den Menschen: Zahlreiche Tierarten sind in der Lage, die Emotionen anderer anhand des Mienenspiels zu unterscheiden [1, 2, 3, 4, 5], und es ist offensichtlich, dass die Erinnerung an emotionale Erfahrungen mit bestimmten Individuen deutliche Vorteile im Hinblick etwa auf soziale Bindungen oder Aggressionsvermeidung haben können, wenn diese Individuen wieder angetroffen werden. Obwohl es Hinweise gibt, dass manche Tierarten in der Lage sind, sich an die Identität von Individuen zu erinnern, die ihnen unmittelbar geschadet haben, ist es bislang nicht bekannt, ob Tiere durch das bloße Beobachten subtiler emotionaler ,Botschaften, die am Gesichtsausdruck ablesbar waren, bleibende Erinnerungen an bestimmte Individuen bilden können.
Um diese Frage zu überprüfen, führten die britischen Wissenschaftler eine Reihe kontrollierter Experimente durch, in denen Hauspferden ein Foto gezeigt wurde, das einen Menschen entweder mit einem wütenden oder einem glücklichen Gesichtsausdruck zeigte; einige Stunden wurde das Pferd schließlich mit dieser Person direkt konfrontiert, wobei diese einen absolut neutralen Gesichtsausdruck zeigte. Schon bei einer kurzen Begegnung mit diesem Menschen zeigten sich deutliche Unterschiede in den Reaktionen auf dieses bestimmte Individuum (jedoch nicht bei anderen Personen), und diese Reaktionen stimmten exakt mit dem zuvor wahrgenommenen negativen Ausdruck (beim Anblick einer ,wütenden’ Person) bzw. mit dem positiven Ausdruck (beim Anblick einer ,glücklichen’ Person) überein. Überdies wusste keine der Testpersonen, welches Foto – das ,wütende’ oder das ,glückliche’ – das Pferd zuvor gesehen hatte, somit konnte auch keine wie immer geartete „unbewusste Beeinflussung“ des Pferdes durch die jeweilige Testperson stattfinden.
Gemessen und analysiert wurden dabei u. a. das exakte Blickverhalten (einseitiges oder beidäugiges Schauen), ob das Pferd Annäherungs-, Rückzugs- oder Vermeidungsverhalten zeigte und ob Stressreaktionen (Herzschlagrate) nachweisbar waren. Besonders aufschlussreich waren die sogenannten ,seitenbezogenen’ Reaktionen der Pferde, die darauf schließen lassen, wie sie ein bestimmtes Geschehen erleben bzw. emotional verarbeiten: Bei vielen Tieren – so auch bei Pferden – werden negative und potentiell bedrohliche Stimuli in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet und daher bevorzugt mit dem linken Auge (Blickschwerpunkt links) wahrgenommen – bei positiven Stimuli ist es genau umgekehrt. Dies spiegelte sich auch bei den durchgeführten Tests deutlich wider – es gab einen signifikanten Unterschied in der bevorzugten Blickrichtung: Jene Pferde, die zuvor eine ,negative’ Fotografie gesehen hatten, blickten anfangs deutlich öfter mit dem linken Auge auf die Testperson (Blickschwerpunkt links) – während die Pferde, denen ein ,positives’ Foto gezeigt worden war, keine derartige Präferenz erkennen ließen. Zusätzlich blickten die Testpferde, die ein negatives Foto gesehen hatte, insgesamt länger mit dem linken Auge auf die Testperson als jene Pferde, die ein positives Bild in Erinnerung hatten.
Für die Wissenschaftler waren die Testergebnisse enorm spannend – und sind ein weiterer Beleg nicht nur für die eindrucksvolle Intelligenz von Pferden, sondern auch von deren phänomenaler sozialer Kompetenz: „Wir haben herausgefunden, dass Pferde nicht nur menschliche Gesichtsausdrücke lesen können, sondern sich auch exakt an den emotionalen Zustand einer Person erinnern können, wenn sie diese später tatsächlich treffen – und vor allem, dass sie ihr Verhalten sofort an diese Erinnerung anpassen", meinte Studienleiterin Prof. Karen McComb gegenüber der Zeitschrift ,Horse&Hound’: Pferde haben gleichsam eine „Erinnerung an Emotionen“ – und es sei ihres Wissens das erste Mal, dass bei einem Säugetier diese erstaunliche Fähigkeit nachgewiesen werden konnte, wie auch ihre Kollegin Dr. Leanne Proops bestätigte: „Es ist in der Tat verblüffend, dass die Pferde dazu in der Lage waren, nachdem sie nur kurz ein Foto der Person mit einem bestimmten emotionalen Ausdruck gesehen hatte – d. h. sie hatten keine starken positiven oder negativen Erfahrungen mit der Person gemacht“, wie sie hinzufügte. Es genügte gleichsam ein kurzer Blick – und die Pferde hatten alles verstanden …
Die Studie „Animals Remember Previous Facial Expressions that Specific Humans Have Exhibited" von Leanne Proops, Kate Grounds, Amy Victoria Smith und Karen McComb ist am 26. April 2018 in der Zeitschrift ,Current Biology' erschienen und kann in englischsprachiger Originalfassung hier nachgelesen werden.
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Studie: Pferde können menschliche Emotionen lesen 10.02.2016 / News
Pferde reagieren äußerst sensibel auf die Gefühle des Menschen – wenn man negativ gestimmt ist, hat dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch negative Auswirkungen auf das Verhalten und den Zustand des Pferdes, so die britischen Forscher. / Foto: Simone Aumair
Pferde können menschliche Emotionen anhand des Gesichtsausdrucks ablesen und interpretieren – diese bemerkenswerte Fähigkeit haben britische Forscher in einer neuen Studie wissenschaftlich nachweisen können.
Für Reiter kommt die Erkenntnis wohl wenig überraschend – denn wer sein Leben mit Pferden verbringt, macht nahezu täglich die Erfahrung, daß Pferde ganz genau fühlen, wie es uns geht und wie unsere Gemütslage gerade ist. Britische Wissenschaftler wollten diese intuitive Fähigkeit von Pferden, unsere Gefühle zu erahnen und zu interpretieren, genauer untersuchen und mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen – und das ist ihnen nun auch tatsächlich gelungen.
Im Rahmen einer umfangreichen Studie, die soeben in der Zeitschrift „Biology Letters" erschienen ist, konnten die Forscher den Nachweis erbringen, daß Pferde anhand des menschlichen Gesichtsausdrucks unsere Emotionen nicht nur lesen und verstehen können, sondern daß sie möglicherweise auch in der Lage sind, diese Gefühle zu teilen – also die Fähigkeit zur Empathie haben. Diese Fähigkeit wurde wissenschaftlich bislang nur bei einer einzigen Spezies nachgewiesen – den Hunden.
Für ihre Untersuchung fertigten die Forscher hochwertige, großformatige Farbausdrucke an, die jeweils das Gesicht eines Menschen mit positiven bzw. negativen emotionalen Ausdrücken zeigten – einmal fröhlich lächelnd, das andere mal böse bzw. finster dreinblickend. Diese großformatigen Bilder wurden insgesamt 28 Pferden in Reitställen bzw. Einstellbetrieben in Sussex und Surrey gezeigt, und zwar von freiwilligen Helfern, die diese Fotos vorher nicht sahen – also selbst nicht wussten, was auf den Fotos zu sehen ist, um jegliche subjektive Beeinflussung durch den Helfer auszuschließen.
Bei früheren Untersuchungen fand man heraus, daß Pferde sowohl Menschen als auch andere Pferde auf Fotos wiedererkennen können – daß sie also Fotos, ähnlich wie wir Menschen, tatsächlich als ,Abbilder der Wirklichkeit' wahrnehmen und interpretieren. Beim ersten Anblick der Fotos haben dennoch einige Pferde die Bilder eingehend aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, als ob sie versucht hätten, sozusagen den ,Rest des Menschen' zu finden.
Bemerkenswert war für die Forscher insbesondere die Reaktion auf negative, böse dreinblickende Gesichter. Die Pferde haben diese Fotos vor allem mit dem linken Auge betrachtet, was darauf zurückzuführen ist, daß die rechte Gehirnhälfte für die Verarbeitung von negativen, bedrohlichen Stimuli verantwortlich ist (Anm.: Informationen des linken Auges werden in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet) – eine Tatsache, die für Karen McComb äußerst aufschlussreich ist: „Das gibt uns tatsächlich Einblick in die Art und Weise, wie Pferde eine Situation wahrnehmen – und zeigt sehr klar, daß sie diese Bilder als negativ wahrgenommen haben. Auch der dabei deutlich messbare Anstieg der Herzschlagrate bestätigt das. Wenn man also emotional negativ gestimmt ist, wenn man bei seinem Pferd ist, dann bleibt das nicht unbemerkt und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf das Verhalten und den Zustand des Pferdes", so McComb.
Es könnte tatsächlich so sein, daß noch viele andere Tiere den Menschen besser verstehen als wir glauben, so Amy Smith von der Universität Sussex, die gemeinsam mit Karen McComb die neue Studie leitete: Obwohl die Gesichtsstrukturen erhebliche Unterschiede aufweisen, werden doch viele Ausdrucksformen von sozial lebenden Säugetieren geteilt – Angst beispielsweise wird bei einer Vielzahl von Lebewesen durch aufgerissene Augen und weit geöffnete Nüstern ausgedrückt. Amy Smith weiter: „Sozial lebende Säugetiere könnten allgemein dazu tendieren, Gesichtsausdrücke zu interpretieren und zu verstehen, weil dies eine enorm wichtige Fähigkeit ist, um zu überleben – und diese Fähigkeit könnte in gleicher Weise dazu dienen, die Emotionen von anderen Spezies einzuschätzen, wenn das für sie von Vorteil ist."
Mitgefühl und "Theorie des Geistes" (also die Fähigkeit, mentale Zustände sich selbst oder anderen zuschreiben und damit auch das zukünftige Verhalten des anderen vorherzusagen) sind in anderen Spezies nur äußerst schwer zu beweisen, aber es sieht tatsächlich so aus, als würden Pferde enorm sensibel auf unsere Gefühle und die anderer Pferde ihrer Gruppe reagieren, das bestätigt auch Co-Autorin Leanne Proops: „Wenn z. B. ein Reiter oder Pferdehalter gestresst ist, kann dies auch zu einem erhöhten Stress-Level beim Pferd führen." Pferde sind sogar in der Lage, einen Gefährten aus ihrer Gruppe zu trösten, so Proops.
Nur eine spannende Frage bleibt vorerst noch unbeantwortet: Haben Pferde die Fähigkeit, menschliche Gesichtsausdrücke zu lesen, im Verlauf ihrer 6.000 Jahre dauernden Domestikation erworben – oder erlernen sie diese Fähigkeit gleichsam individuell im Lauf ihres persönlichen Lebens? „Bei Hunden konnte nachgewiesen werden, daß die besondere Vertrautheit mit Menschen die Fähigkeit, dessen Emotionen zu erkennen, deutlich verbessert – was eher dafür spricht, daß diese Fähigkeit, zumindest teilweise, auf persönlicher Erfahrung beruht", so Amy Smith.
Die Studie „Functionally relevant responses to human facial expressions of emotion in the domestic horse (Equus caballus)" von Amy Victoria Smith, Leanne Proops, Kate Grounds, Jennifer Wathan und Karen McComb ist in der Februar-Ausgabe 2016 der Zeitschrift ,Biology Letters' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.
03.06.2016 - Phänomenales Pferde-Gedächtnis: Warum Pferde Freunde fürs Leben sind
Phänomenales Pferde-Gedächtnis: Warum Pferde Freunde fürs Leben sind 03.06.2016 / Wissen
Ein Pferd ist ein Freund fürs Leben: Auch nach langen Trennungsphasen bleiben Pferde Menschen, mit denen sie in der Vergangenheit positive Begegnungen hatten, loyal. / Foto: Irene Gams
Pferde sind wahre Gedächtnis-Künstler und besitzen ein außergewöhnliches Erinnerungsvermögen: Wissenschaftler konnten nachweisen, daß Pferde menschliche Freunde auch nach langen Trennungsphasen wiedererkennen.
Das Lernverhalten von Pferden ist bereits in zahlreichen Studien untersucht worden. Wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Gedächtnisleistungen von Pferden beschäftigen, sind jedoch deutlich seltener – eine der interessantesten wurde im Jahr 2010 von der französischen Verhaltensforscherin Carol Sankey durchgeführt und im Journal ,Animal Behavior' veröffentlicht. Sankey entdeckte, dass Pferde generell ein ausgezeichnetes Erinnerungsvermögen haben, was es ihnen erlaubt, sich an menschliche Freunde auch nach langen Trennungen zu erinnern. Außerdem behalten sie auch komplexe Lösungsstrategien für Probleme mehr als zehn Jahre lang in Erinnerung. Das gilt im Übrigen auch für die Mensch-Pferd-Beziehung:
– Pferde bleiben Menschen, mit denen sie in der Vergangenheit positive Begegnungen hatten, auch später loyal.
– Sie erinnern sich an Menschen selbst nach langen Trennungen.
– Pferde verstehen Sprachbefehle besser als erwartet.
Die Verhaltensforscherin der Universität von Rennes und ihr Team studierten 20 Anglo-Araber und drei französische Warmblüter, auf einem Pferdegut im französischen Chamberet, Frankreich. Die Wissenschaftler untersuchten, wie gut sich die Pferde an eine weibliche Trainerin und ihre Anweisungen nach bis zu acht Monaten Trennung erinnern würden. Das Trainingsprogramm für die Pferde bestand aus 41 Schritten, die mit der üblichen Pflege bzw. medizinischer Versorgung in Zusammenhang standen. Beispielsweise mussten die Pferde beim Befehl "reste!" („bleib") stillstehen, nach Aufforderung ihre Hufe geben, ein Thermometer in ihr Rektum einführen lassen und anderes mehr. Wenn die Pferde getan haben, was man von ihnen verlangte, wurden sie mit einem Leckerli belohnt. Gegenüber diesen Testpersonen zeigten die Pferde auch deutlich mehr positive Verhaltensweisen wie Schnuppern und Lecken – was bei Pferden als Zeichen von Zugehörigkeit und Zuneigung gilt, und nicht unmittelbar mit dem Wunsch nach mehr Leckerlis in Verbindung steht. Pferde, die ohne positive Verstärkung trainiert wurden, zeigten hingegen vier bis sechs mal mehr 'negatives' Verhalten, wie Beißen, Treten oder Steigen.
Nach einer mehrmonatigen Unterbrechung des Trainingsprogramms war Interessantes zu beobachten: Die Pferde, die mit den Leckerlis trainiert wurden, zeigten nach acht Monaten Trennung dieselbe Verbundenheit zur selben Testperson – sie hatten nicht nur die positive Erfahrungen, sondern auch die Person, mit der diese in Verbindung stand nicht vergessen. Und noch etwas stellten die Forscher fest: Die Pferde schienen neue Leute mit mehr Bereitschaft zu akzeptieren, was darauf deutet, dass sie generell eine „positive Erinnerung an Menschen" entwickelt hatten.
Pferde merken sich menschliche Worte
„Nach unseren Ergebnissen verhalten sich Pferde – wenn es um Lernen mit Belohnungen geht – nicht grundsätzlich anders, als wir es aus der menschlichen Lernpsychologie kennen. Sie lernen und erinnern sich besser, wenn Lernen mit einer positiven Situation verbunden ist – genauso ist es auch beim Menschen."
Eine weitere bemerkenswerte Entdeckung von Carol Sankey: Pferde verstehen Sprachbefehle besser als erwartet. „Pferde sind fähig, menschliche Worte zu erlernen und sich zu merken", so Sankey, „sie können die menschliche Stimmen aufgrund der spezifischen Bandbreite ihres Gehörs sogar besser als sogar Hunde wahrnehmen. Während es absolut üblich ist, etwa Hunde mit mündlichen Befehlen zu trainieren, basiert der größte Teil des Reittrainings auf fühlbaren Signalen basiert - Druck der Zügeln, Bewegungen der Beine des Reiters, Gewichtsverlagerung im Sattel etc. Pferdetrainer könnten, so die Wissenschaftler, mit größerem Erfolg arbeiten, wenn sie mehr sprachliche Befehle in das Ausbildungsprogramm einbauen würden.
Die starke Bindung zu Menschen ist vermutlich eine Erweiterung des natürlichen Pferdeverhaltens in der Wildnis, wo Pferde zu ihren eigenen (Pferde-)Verwandten und Freunden starke Bindungen aufbauen, aber auch offen für neue Bekanntschaften sind, sofern diese nicht bedrohlich erscheinen. „Pferde pflegen Langzeit-Verbindungen mit einigen Mitgliedern ihrer Familie, aber kommunizieren zeitweise auch mit Mitgliedern anderer Gruppen, wenn sie neue Verbände bilden", so Carol Sankey. Pferde sind, so die Forscherin, loyal und intelligent und haben ein sehr lang anhaltendes Gedächtnis – sowohl von guten als auch von schlechten Erfahrungen. Mit anderen Worten: Pferde können verzeihen, aber sie vergessen nie.
Pferdegedächtnis arbeitet ,cross-modal'
Das Pferdegedächtnisses weist übrigens noch eine weitere Besonderheit auf: Es arbeitet „cross-modal" – d. h. Pferde können verschiedene Sinneseindrücke miteinander verknüpfen und fehlende Signale durch andere ersetzen. Eine 2012 im Fachmagazin ,Animal Cognition' veröffentlichte Studie konnte diese spezielle Facette des pferdlichen Gedächtnisses wissenschaftlich untermauern. „Cross-modales" Erinnerungsvermögen bedeutet – wie die Studienautoren Jessica Frances Lampe (Universität Edinburgh/GB) und Jeffrey Andre (James Madison University in Harrisonburg/USA) erklären – dass das Gehirn die Signale verschiedener Sinnesorgane, etwa des Gehörs, der Augen oder des Geruchssinns, miteinander verknüpfen und ein fehlendes Signal durch andere ersetzen bzw. kompensieren kann.
Mit insgesamt zwölf Pferden wurden mehrere Experimente durchgeführt, in denen z. B. die Pferde von vertrauten sowie von fremden Personen besucht und gestreichelt wurden und dann hinter einer Holzwand verschwanden. Danach spielte man eine Tonaufnahme der vertrauten oder der fremden Person vor. Stimmte die Tonaufnahme mit dem Geruch und dem Aussehen der eben erschienenen Person nicht überein, waren die Pferde deutlich neugieriger und aufmerksamer als bei einer übereinstimmenden Tonprobe – sie schienen von der Diskrepanz zwischen Stimme und Aussehen enorm überrascht. Das sei, so die Forscher, ein deutlicher Beweis, dass Pferde Aussehen, Geruch und Stimme einer Person zu einer kohärenten Erinnerung zusammenfügen können – und eine Unstimmigkeit bei diesen Signalen sofort bemerken. Mehr noch: Pferde können ein fehlendes Signal problemlos durch andere ersetzen bzw. kompensieren. Diese Fähigkeit – über die u. a. auch der Mensch, Hunde und bestimmte Affenarten verfügen – ist für das Fluchttier Pferd von großem Nutzen, denn so können Gefahren oder Feinde bereits anhand eines einziges Sinneseindrucks – etwa eines Geräuschs oder eines Geruchs – frühzeitig identifiziert werden.
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