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Wien möchte Hitzeferien für Fiaker schon ab 30 Grad
29.06.2021 / News

Der Streit um eine Verschärfung des Hitzefahrverbots für Fiaker ist mit dem Vorstoß des Wiener Tierschutzstadtrats Jürgen Czernohorszky in eine neue Phase getreten.
Der Streit um eine Verschärfung des Hitzefahrverbots für Fiaker ist mit dem Vorstoß des Wiener Tierschutzstadtrats Jürgen Czernohorszky in eine neue Phase getreten. / Symbolfoto: Archiv/Fotolia

Die Stadt Wien möchte das geltende Hitzefahrverbot für Fiaker von 35 Grad auf 30 Grad herabsetzen – braucht dazu aber die Unterstützung des Bundes. Tierschutzorganisationen begrüßen den Vorstoß, Wiens Fiaker lehnen ihn erwartunsgemäß ab.

 

Das Büro von Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky hat mitgeteilt, dass man eine Senkung der Temperaturgrenze für ein Fiaker-Fahrverbot von aktuell 35 Grad auf 30 Grad anstrebe, dazu aber die Zustimmung des zuständigen Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein benötige. Der Einsatz der Fiakerpferde jenseits der 30 Grad-Grenze werde von immer mehr Menschen kritisch gesehen und als „nicht mehr zeitgemäß erachtet", so Tierschutzstadtrat Czernohorszky. Es sei jedoch allein auf Landesebene nicht möglich, den Fiakerbetrieb aus Tierschutzgründen noch weiter einzuschränken – weshalb eine Änderung der bundesweit geltenden Tierhalteverordnung erforderlich sei. Man habe den Gesundheitsminister daher ersucht, ein Fahrverbot für Pferdegespanne ab 30 Grad in diese Verordnung aufzunehmen. Eine Reaktion des Ministers ist bislang noch nicht bekannt.

Tierschutz-Organisationen haben den Vorstoß der Stadt Wien einhellig positiv aufgenommen. Wie ,Vier Pfoten’ in einer Aussendung mitgeteilt hat, unterstütze man die Initiative „aus vollem Herzen“. „Wir freuen uns sehr, dass Stadtrat Czernohorszky einen so eindeutigen Schritt Richtung Tierschutz setzt. Bundesminister Mückstein hat es jetzt in der Hand, unser Land tatsächlich in modernere Zeiten zu führen. Seit Jahren setzen wir uns dafür ein, Pferde bei Hitze nicht einzusetzen. Gerade in der Innenstadt heizt sich der Asphalt im Sommer auf bis über 60 Grad auf. Diese Tierquälerei ist einfach nicht mehr zeitgemäß, wie auch der Stadtrat richtig erkannt hat”“, so Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck.

Ähnlich äußerte sich auch der ,Verein gegen Tierfabriken’ (VGT). VGT Fiaker-Campaigner Georg Prinz – und forderte die Stadt Wien dazu auf, nicht auf den Bund zu warten, sondern das neue Hitzelimit rasch ins Fiakergesetz aufzunehmen: „Wir begrüßen diesen Vorstoß für mehr Tierwohl, befürchten aber ein Hin- und herschieben der Verantwortung. Wien muss hier mutig voran gehen und die 30 Grad Hitzefrei möglichst schnell ins Wiener Fiakergesetz schreiben. Außerdem braucht es eine Reduktion der Standplätze und eine Verlagerung aus der Innenstadt, bis zu einem Auslaufen der Konzessionen. Dann muss der Bund folgen, damit alle Fiakerpferde Österreichs vor den schlimmsten Hitzequalen geschützt werden."

Ganz anders sehen erwartungsgemäß die Wiener Fiaker den Vorstoß von Tierschutzstadtrat Czernohorszky: „„Pferde können als Steppentiere mit der Hitze sehr gut und besser als wir Menschen umgehen. Noch dazu werden die Tiere von uns bestmöglich betreut. An besonders heißen Tagen haben wir zusätzlich eine Tierärztin im Einsatz, die durchgehend den gesundheitlichen Zustand der Pferde kontrolliert“, so Ursula Chytracek, Sprecherin der Fiaker in der Wirtschaftskammer Wien. Das sei nur eine von vielen Maßnahmen, die die Fiaker ergreifen, um das Wohl der Pferde tagtäglich sicherzustellen.

Fahrverbot würde einem Berufsverbot gleichkommen
Das von Tierschutzorganisationen geforderte Fahrverbot über 30 Grad gleicht für die 21 Unternehmen einem Berufsverbot, so Chytracek: „Diese Forderung ist nichts anderes als eine Forderung nach einem Berufsverbot und würde unzählige Arbeitsplätze kosten.“ Sie verweist auf die bisher gute Zusammenarbeit mit der Stadt Wien: „Die drei Corona-Hilfspakete für die Betriebe während der Corona-Lockdowns haben uns geholfen. Jetzt wollen wir arbeiten, die Verluste aufholen und nicht mit einem Berufsverbot konfrontiert werden.“ Sollte es wider Erwarten ohne wissenschaftliche Evidenz zu einem Berufsverbot für Fiaker ab 30 Grad kommen, werden die Fiaker dagegen jedenfalls Rechtsmittel einlegen und Entschädigungszahlungen einfordern.

Dass die Sommertemperaturen in Wien keine negativen Auswirkungen auf die Pferde haben, bestätige auch eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität aus dem Jahr 2008, in der bei annähernd 400 Messungen, keine Überforderung der Pferde festgestellt wurde.  Chytracek fordert daher einen wissenschaftlichen und sachlichen Dialog: „Wie jedes Jahr laden wir Tierschützer und interessierte Personen dazu ein, unsere Betriebe und Pferde kennenzulernen. Leider hat aber bisher noch niemand das Angebot angenommen. Es wäre wirklich allen geholfen, wenn wir uns sachlich mit dem Thema auseinandersetzen, anstatt weiterhin Stimmung gegen ein so traditionsreiches Gewerbe zu machen.“

Dr. Kaun: Sofort Maßnahmen zum Wohl der Pferde setzen!
Für sofortige Maßnahmen hat sich indes Fachtierarzt Dr. Reinhard Kaun ausgesprochen – nach dem Motto: Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns endlich Taten sehen! Dr. Kaun wörtlich: „Wieder setzt man auf die Hoffnung, dass das vermeintliche Problem bis zum kühleren Herbst zerredet werden kann – sich beim rasanten Klimawechsel auf eine 13 Jahre alte Studien zu berufen ist ebenso einfältig wie unseriös! Eine Sofortmaßnahme kann innerhalb von Stunden eingeleitet werden, wenn an den Standplätzen luftige Zeltdächer errichtet werden, in denen Sprühanlagen Kühlung für die Pferde schaffen. Wie bereits früher angeführt, ist es medizinisch falsch, die Pferde völlig aus dem Verkehr zu ziehen, weil ein trainierter Körper dies nicht ohne bedenkliche Folgen ertragen kann. Eine Arbeitsreduktion wäre nur eine mögliche Teilmaßnahme, aber keine alleinige Lösung!
Die vermeintlichen Tierschützer operieren nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ – damit ist aber keinem einzigen Fiakerpferd geholfen, das seine mehrstündige Bewegung täglich zur Erhaltung seiner Gesundheit benötigt.“

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