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Die Fälle des Dr. K.: Ungeklärter Todesfall & unklare Identität eines Pferdes
27.05.2022 / News

Ein Springreiter brachte seine Stute vorübergehend auf einem Gestüt unter, wo es in der Folge zu einem fatalen Unfall kam, bei dem sich die Stute schwer verletzte und innerhalb kurzer Zeit verstarb. Die Versicherung der Gestütsbesitzerin beauftragte Dr. K. als Sachverständigen zur Klärung des Schadenshergangs – doch der stieß bei seinen Untersuchungen unvermutet auf zahlreiche Unklarheiten und sonderbare Umstände ...

 

Der Realfall, der der folgenden Geschichte zugrunde liegt, hat sich vor mehr als zehn Jahren zugetragen. Um einen längeren Umweg zu ersparen, brachte der Geschädigte seine Stute, mit der er in der Nähe als Teilnehmer eines Springturniers unterwegs war, mit Einverständnis der Eigentümer der Anlage über Nacht in den Gestütsstallungen unter. Dies war bereits vor einigen Wochen für zwei Nächte ebenfalls der Fall gewesen, damals hatte der Besitzer der Stute angeordnet, dass das Pferd nicht auf die Weide dürfe. Beim zweiten, gegenständlichen Aufenthalt war eine derartige Anordnung nicht erfolgt.
Als bei diesem zweiten Aufenthalt am Morgen die Gestütspferde auf die Weide gebracht wurden und die gegenständliche Stute allein im Stall zurückgeblieben war, entwickelte sie Unruhe und Nervosität, weshalb die Gestütseigentümerin (Versicherungsnehmerin) Anweisung gab, das Pferd in einen kleinen Außenstall mit Paddock zu verbringen, wo sich das Pferd, weil es nunmehr wieder Blickkontakt zu Artgenossen hatte, augenblicklich beruhigte und in völliger Ruhe dort mindestens drei Stunden zubrachte, ohne irgendwelche Anzeichen zu zeigen, die einen Unfall hätten vorhersehen oder befürchten lassen. Um die Mittagszeit berichtete ein Pferdepfleger aber von einem Unfall mit viel Blut, die Gestütseigentümer fanden die gegenständliche Stute außerhalb des Paddocks vor, mit einer Wunde am Innenschenkel und mit mäßigen Blutspuren in der Umgebung. Ein Koppelsteher des Paddocks war nach außen gekippt. Eine sofort herbeigerufene Tierärztin vermutete einen Aortenriß, das Pferd starb innerhalb kurzer Zeit an der Auffindungsstelle.


Die in Anspruch genommene Versicherung wollte im Vorfeld durch den bestellten Sachverständigen folgende Fragen beantwortet haben:

– Ist der Schadenshergang nachvollziehbar?
– Leitet sich aus dem Schadenshergang ein Verschulden der VN ab?
– Prüfung der Höhe der Forderung


Befunde

Aus dem Akt:

Schreiben der Rechtsvertretung der Gestütseigentümer an die Versicherung

– Meine Mandantin nahm das Pferd vorübergehend auf….
– Schon ein paar Wochen zuvor wurde das Pferd zur Nächtigung im Gestütsstall übernommen, wobei damals der Pferdeeigentümer ausdrücklich anordnete, dass das Pferd nicht auf die Koppel oder auf ein Paddock darf.
– Das Pferd war beim zweiten Aufenthalt im August 20xx sehr nervös, als die anderen Pferde aus dem Stall auf die Koppeln gebracht wurden, und so ordnete die Gestütseigentümerin an, dass das Pferd auf das, sich in Sichtweite befindliche Paddock gebracht werden sollte…
– Einige Zeit später jedoch wollte das Pferd aus dem Paddock springen und hat sich dabei beim Steher stark verletzt…
– Als der sofort verständigte Tierarzt kam, war jede Hilfe zu spät, da die Aorta geplatzt und das Pferd verblutet war…


Schreiben des geschädigten Pferdeeigentümers an die Versicherung:

– Das gegenständliche Pferd wurde um € 15.000.00 angekauft.
– Der Geschädigte kauft junge, hoffnungsvolle Springpferde an, bildet sie aus und verkauft sie mit Gewinn.
– Die gegenständliche Stute war zum Zeitpunkt des Kaufes angeritten und konnte über kleine Hindernisse geritten werden.
– Freispringen war außerordentlich gut.
Abstammung aus dem erfolgreichsten holländischen Zuchtgebiet des Jahres.
– Ausbildung des Pferdes von Ankauf bis zum Unfalltod erfolgte auf der Reitanlage N.
– Zur erfolgreichen Ausbildung wird auf zwei Videos verwiesen.
– Teilnahme an drei Trainingseinheiten mit Springreiter T. F., der das Pferd für „talentiert“ befand.
– Teilnahme an drei Trainingsturnieren mit guter Performance.
– Am Tage vor dem Unfall wurde das Pferd unter widrigsten Bedingungen bei einem Trainingsturnier im Rahmen des CSN-C N. geritten, bei dem das Pferd in der Klasse A0 und A fehlerfrei blieb.
– Zum Zeitpunkt des Todes hatte das Pferd ein Ausbildungsniveau, das der Klasse L (Springen) entsprach.
– Ankaufpreis: € 15.000.00  
– Einstellgebühr: € 5600.00 pro Monat
– Kosten für Selbst- Beritt: € 300.00 pro Monat.
Schadenersatzforderung in Summe:  € 25.200.00

 

Aus eigenen Erhebungen:

Schreiben der Bezirkshauptmannschaft (BH) T.
Mit diesem Schreiben bestätigt die BH T., dass der Pferdeeigentümer nach schriftlicher Aufforderung durch die Behörde vom 4.10.20xx den Pferdepass mit der Nummer 52800XX am 9.11.20xx übermittelt hat.

Mit Schreiben per Mail vom 14.Juni 20xx an die BH T. (mit Cc. an den Geschädigten) hakte der SV im Bemühen um eine Identitätsfindung des Pferdes (kein Name, kein Nationale, keine Kopie des Passes usw.) nach und äußerte Bedenken im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit.

Der geschädigte Pferdeeigentümer äußerte sich daraufhin - unangenehm berührt - über die Wortwahl des bestellten Sachverständigen und verwies auf die Gesetzeslage. Diese sieht nämlich vor, dass bei Tod von Pferden, die nicht zur Schlachtung bestimmt sind, der Pass innerhalb von 7 Tagen zusammen mit dem Abholschein der TKV bei der BH abgegeben werden muss. Die Todesursache und das Datum werden bei der Behörde vermerkt, der Pass zur „Ungültigkeit“ gelocht  und zur Löschung des Pferdes aus den Registern weitergereicht.   

Kaufuntersuchung vom 26.2.20xx, durchgeführt an einer Pferdeklinik & Rehazentrum.
Beim Protokoll handelt sich um ein Standardformular der „Vereinigung österreichischer Pferdetierärzte“.
Zum untersuchten Pferd wird festgehalten: NN., Stute, WB, geb. 29.5.20xx, LN 52800300xxx…., nicht zur Lebensmittelgewinnung, Disziplin Springen, derzeitige Nutzung Training.
Zur Haltung wird angeführt: Stall; zum geplanten Verwendungszweck: Wettkampf.

In Auftrag gegeben wurde am 26.2.20xx eine „klinische Untersuchung“; die Durchführung von Standardröntgenuntersuchungen, Endoskopie, ergänzende Röntgenaufnahmen sowie Blutuntersuchungen wurden nicht in Auftrag gegeben. Eine Unterschrift des Auftraggebers fehlt (Seite 7).
Auch auf Seite 8 des Formulars beschränkt sich der Untersuchungsauftrag auf eine „klinische Kaufuntersuchung“.

Daten aus dem Equidenpass:
LN:             52800300……
Chipnummer:    52821xx…….

Vitalparameter:
IKT:                37.5 Grad C
Puls Ruhefrequenz:    20/min
Atmung Ruhefrequenz:    12/min

Das Pferd wurde in allen Gangarten an der Longe bewegt (Seite 13), wobei auch hier ein Ruhepuls von 20 Schlägen pro Minute vermerkt ist.

Unter besondere Untersuchungen wird vermerkt:
Rö wurde vorab per Mail geschickt, Rö –Klasse 1-2. (zit.)
Eine Befundbeschreibung erfolgt nicht.

Auf Seite 16 des Untersuchungsprotokolls fehlen eine sog. „Zusammenfassende Beurteilung“ und die aus Sicht des Untersuchers vorhandene Eignung zu einem „bestimmten Verwendungszweck“.
Auch an dieser Stelle fehlt die Unterschrift des Auftraggebers bzw. Bevollmächtigten.

Beim vorgelegten Dokument dieser Kaufuntersuchung fällt auf:
– Es entspricht in der Ausführung nicht dem üblichen und dem SV bekannten Sorgfaltsmaß der beauftragten Pferdeklinik.
– Seite 5, 7und 16 sind von derselben Handschrift ausgefüllt.
– Die übrigen Seiten sind einer anderen Handschrift zuzuordnen.
– An beiden relevanten Stellen (Seite 7 und 16) fehlen die Unterschriften des Auftraggebers. Gemäß der Angabe auf Seite 8 war dies der geschädigte Pferdeeigentümer.

Laut Auszug aus der SGD-Liste des BM für Justiz vom 24.5.20xx ist der geschädigte Pferdebesitzer Sachverständiger und eingetragen für die Nomenklaturen 05.35: Reiten, Pferdesport und 33.08: Pferde.

Auskunftsersuchen des bestellten SV an die intervenierende Tierärztin
Mit Mail vom 11.Juni 20xx und Urgenz vom 19.Juni 20xx ersuchte der bestellte SV die beigezogene Tierärztin um Auskunft zu folgenden Fragen:
– Welche Situation haben Sie bei Ihrem Eintreffen vorgefunden?
– Worin bestanden die Verletzungen des Pferdes?
– Können Sie den Blutverlust in etwa beziffern?
– Haben Sie – noch – medizinisch interveniert, wenn JA, in welcher Weise?
– Welche Notfalldiagnose haben Sie gestellt?
– Wurde die Diagnose durch eine Autopsie erhärtet?
– Konnten Sie eine Verletzungsursache ermitteln?

Sowohl die erste wie auch die zweite Anfrage blieben unbeantwortet.

Auskunftsersuchen des bestellten SV beim Österreichischen Pferdesportverband per Mail vom 24.Mai 20xx
Auf die Anfrage des SV zur verfahrensgegenständlichen Stute und dem vom Geschädigten zitierten Trainingsturnier CSN-C N. wird vom OEPS mitgeteilt:
– Das Pferd dürfte in Österreich nicht eingetragen gewesen sein. Wir haben  kein Pferd dieses Namens mit dieser Nummer eingetragen.
– Es handelte sich um ein Reitertreffen und eine Runde des M.- Cups.
– Es konnten leider keine Ergebnislisten gefunden werden, Nennung und Turnierpferderegistrierung sind dafür (Reitertreffen) nicht notwendig.

Auskunft an den bestellten SV per Telefon beim Heimatstall der verfahrensgegenständlichen Stute:
Der bestellte SV telefonierte mit dem Inhaber der Landwirtschaft und Pensionstierhaltung, in der die verfahrensgegenständliche Stute von Ankauf bis   zum Vorfall eingestellt war.
Befragt, ob ihm ein Koppel- oder Weideverbot des gegenständlichen Pferdes bekannt sei, wurde mitgeteilt, dass alle Pferde seines Stalles auf die Weide kämen, mit nur ganz wenigen Ausnahmen, zu denen das verfahrensgegenständliche Pferd nicht gehörte.
 

Befundaufnahme am Vorfallort

 

 

 

In diesem Offenstall mit Paddock und Sichtkontakt zu anderen Pferden befand sich das gegenständliche Pferd am Vorfalltage einige Stunden, bevor es dort zum Unfall gekommen ist.

 

 

Die Höhe der drei Elektrobänder wurde vermessen. Das unterste Band befindet sich 45 cm über dem Boden. Das mittlere Band befindet sich 90 cm über dem Boden.

 

Das oberste Band befindet sich 135 cm über dem Boden. In seinem Schreiben vom 13.Juni 20xx teilt der Geschädigte mit, dass das Pferd am Tag vor dem Unfall einen Parcours in der Höhe von 100 bis 110 m überwunden hat.


Ergänzende informative Befragung der Gestütseigentümer (VN):
– Der Grund für den Aufenthalt des zu Tode gekommenen Pferdes am Hofe der VN lag, so wie auch bei dem Aufenthalt vor einigen Wochen, darin, dass der Pferdeigentümer ersucht hatte, ein bis zwei Nächte das Pferd am Gestüt unterbringen zu können, um sich, zwischen zwei Turnieren, den Weg zum heimatlichen Stall ersparen zu können. Das Pferd war nicht zu Trainingszwecken am Hof.
– Dieser Bitte wurde seitens der VN entsprochen und dem Pferd eine Box zugeordnet.
– Beim ersten Aufenthalt des Pferdes am Gestüt war vom Pferdeigentümer ersucht worden, das Pferd nicht auf die Koppel zu geben, beim zweiten Aufenthalt, bei dem es dann zum Vorfall gekommen ist, ist eine derartige Anordnung oder eine diesbezügliche Absprache nicht erfolgt.
– Beim ersten Aufenthalt des Pferdes hatte sich der Pferdeeigentümer bzw. seine Entourage selber um das Pferd gekümmert, beim zweiten Aufenthalt war am Morgen nach der Übernachtung des Pferdes dies nicht der Fall.
– Als die gestütseigenen Pferde an diesem Morgen gegen 9 Uhr wie gewohnt auf die Weiden verbracht wurden, zeichnete sich – im Stall und in der Box – eine große Unruhe der verfahrensgegenständlichen Stute  ab, weshalb die VN entschieden, das Pferd in einen kleinen Außenstall mit  Paddock zu verbringen, wo das Pferd mit Blickkontakt zur restlichen Herde in völliger Ruhe und unauffällig einige – vermutlich an die drei – Stunden zugebracht hat.
– Das oben erwähnte Paddock  ist etwa 50 m von der Box, in der das Pferd die Nacht verbracht hatte, entfernt.
– Als die VN um die Mittagszeit sich anschickten, das Anwesen mit dem PKW zu verlassen, war das Pferd absolut ruhig und die Vorhersehbarkeit eines späteren Unfalls war nicht gegeben.
– Die VN befanden sich eben am Ortsende ihrer Ortschaft, als einer ihrer Pferdepfleger über Mobiltelefon anrief und sie von einem Unfall mit „viel Blut“ informierte. Sie wendeten auf der Stelle und begaben sich an den Vorfallort.  
– Sie fanden die Stute etwa 50 m von ihrem Paddock entfernt vor.
– Ein Koppelsteher des Paddocks war nach außen geknickt und hing an den Elektrobändern.
– Am Pferd war lediglich eine Verletzung an der Innenseite des Schenkels zu sehen, an welcher Stelle und an welchem Bein ist nicht mehr erinnerlich. Die Verletzung war nicht sehr groß.
– Es war Blut erkennbar, jedoch in mäßiger Menge, keinesfalls war ein „Blutbad“ angerichtet.
– Die sofort beigezogene Tierärztin vermutete einen Aortenriss bzw. eine innere Verblutung, die sie mit einem Zurückziehen des elastischen Gefäßes begründete.
Ein „auslösendes Ereignis“, das das Pferd zum Überspringen der Paddockbegrenzung angetrieben hätte, war weder vor noch nach dem Unfall erkennbar oder schlüssig nachvollziehbar.
– Augenzeugen des Vorfalles gibt es nicht.
Eine Autopsie wurde weder angeordnet noch durchgeführt.
– Am Hofe des VN stehen an die 40 Pferde, die VN gelten in den einschlägigen Verkehrskreisen als sehr erfahrene Reiter und Züchter.


Sachverständige Fallanalyse

Nicht beigebrachte Unterlagen:
– Equidenpass
– Röntgenbilder bzw. Befunde der Kaufuntersuchung
– Übernahmeschein der TKV
– Befund und Behandlungsbericht der intervenierenden Tierärztin
– Obduktionsergebnis
– Videodokumentation (der Verweis, dass sich auf Youtube ein Video zum Pferd befindet, wurde mangels Identifizierbarkeit des Pferdes nicht verfolgt.)

Zur Identität des Pferdes:
Die Lebensnummer des Pferdes weist sowohl im Anspruchsschreiben des Geschädigten als auch im Kaufvertrag mit XX (Verkäufer) eine „Null“ mehr auf als in den amtlichen Dokumenten, dies bedeutet, dass die Nummern nicht identisch sind. Aus der amtlichen Bestätigung der BH T. über den Einzug des Pferdepasses geht kein Name oder Nationale hervor.
Da kein Abholschein der TKV vorliegt, auf welchem die Chipnummer des Pferdes vermerkt sein müsste, kann auch hier keine Nämlichkeit nachvollzogen werden.
Die VN haben sich naturgemäß nicht um die Identität des Pferdes gekümmert, da sie dieses nur einmal für zwei Nächte und einmal für eine Nacht beherbergt hatten und konnten diesbezüglich keine Angaben machen.
Da auch die Turnier - Teilnahme „außer Konkurrenz“ (Mail des Geschädigten vom 13.Juni 20xx) am CSN-C N. auf offiziellem Wege nicht nachvollziehbar und das Pferd im Turnierpferderegister nicht eingetragen war, konnte in der Recherche hier nichts gewonnen werden.
Der Geschädigte bietet zu seiner Teilnahme an diesem „Treffen“ zwar Zeugen an, doch ist zu bezweifeln, dass diese nachvollziehen können, mit welchem Pferd der Geschädigte teilgenommen hat.
Eine spezielle Befragung von Zeugen ist in einem privatgutachterlichen Verfahren nicht vorgesehen, eine diesbezügliche Aktivität bliebe dem Sachbearbeiter vorbehalten.

Festzuhalten ist, dass dem Geschädigten bekannt und bewusst sein musste, dass ein Versicherungsverfahren zur Befriedigung seiner Schadenersatzansprüche eingeleitet würde oder schon wurde. Auf Grund seiner hohen Kompetenz als Gerichtsgutachter musste ihm klar sein, dass der Nachweis der Identität des Pferdes hierbei eine fundamentale Rolle spielen würde. Er verweist schon in seinem Anspruchsschreiben vom 30.4.20xx auf seine Kompetenz als gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Pferdewesen, wobei er insbesondere das Teilgebiet „Wertermittlung von Pferden“ hervorhebt; eine Behauptung übrigens, die in der SGD Liste des BM für Justiz zu diesem Zeitpunkt keine Entsprechung findet.

Gemäß dem Schreiben der BH T. vom 14.Juni 20xx hat der geschädigte Pferdeeigentümer den Pferdepass eines gestorbenen Pferdes mit der bezeichneten Nummer  erst im November 20xx übermittelt, obwohl das Pferd aber bereits im August gestorben war. Es ist daher nicht von einem Druck der Behörde, die 7- Tagefrist einzuhalten, auszugehen und wäre ausreichend Möglichkeit bestanden, eine Kopie dieses Dokumentes anzufertigen, in welchem vermutlich auch die Chipnummer vermerkt war.


Kaufuntersuchung
Das zum Beweis der Gesundheit des verfahrensgegenständlichen Pferdes vorgelegte Protokoll einer Kaufuntersuchung vom 26.2.20xx lässt auf Grund mehrerer Faktoren die fachliche Glaubhaftigkeit bezweifeln, die Einschätzung der Glaubwürdigkeit bleibt dem Ermessen des Sachbearbeiters vorbehalten.
– Es fehlt an den relevanten Stellen die Unterschrift des Auftraggebers
– Es werden speziell bei der Behauptung über die Röntgenklasse 1-2 keine Befunde beschrieben, was unüblich ist.
– Der Wert für den Ruhepuls mit 20 Schlägen pro Minute  ist für ein junges Pferd in fremder Umgebung außerordentlich ungewöhnlich.
– Im Ausfüllen des Untersuchungsprotokolls ist ein Konsistenzbruch erkennbar.

Unfall und  Todesursache
Unbestritten ist im August 20xx am Gestüt ein Pferd zu Tode gekommen, das nach Angaben der VN dem Geschädigten zuzuordnen war. Wie schon erwähnt, ist die Identität des gestorbenen Pferdes durch die VN nicht nachvollziehbar.
Ebenso wenig nachvollziehbar sind Unfallhergang und tatsächliche Todesursache. Es gibt keine Augenzeugen, keine tierärztlichen Befunde und kein Obduktionsergebnis.
Festgestellt werden konnte von den VN lediglich eine nicht sehr große Wunde an der Innenseite eines Schenkels, verbunden mit einem nicht sehr starken Blutaustritt.

Welche Befunde oder Interventionen die beigezogene Tierärztin erhob bzw. setzte, war mangels Kooperation nicht eruierbar. Die Diagnose „Aortenruptur“ ist als Vermutung anzusehen. Eine klärende Obduktion wurde nicht veranlasst, obwohl alleine auf Grund der rechtlichen Situation und dem zu vermutenden Wert des Pferdes eine solche unabdingbar gewesen wäre.

Es bleibt also die Frage ungeklärt, ob das Pferd wegen einer nicht bekannten inneren Erkrankung angetrieben wurde, über den Zaun des Paddock zu springen und sich hierbei – sekundär – die offensichtliche Wunde zuzog, aus der es aber nicht verblutet sein dürfte, oder ob das Pferd bei voller Gesundheit aus freien Stücken über den Zaun sprang, sich dabei verletzte und an den Verletzungsfolgen starb. Auch die letztere Version lässt die Frage der Todesursache ungeklärt, da nach Angaben der VN die Anzeichen einer Verblutung nach außen nicht gegeben waren.
 
Die Stellung der Versicherungsnehmer
Die VN haben zwar entgeltlich, aber doch auch aus Gefälligkeit, zu zwei verschiedenen Zeitpunkten innerhalb weniger Wochen das verfahrensgegenständliche Pferd zur Beherbergung „über Nacht“ aufgenommen, um dem Pferdebesitzer einen Umweg zwischen zwei Turnieren zum heimatlichen Stall zu ersparen. Aus sachverständiger – nicht aus juridischer - Sicht waren die VN anlässlich dieser beiden Episoden nicht als „Halter des Pferdes“ anzusehen, weil sie kein - über die Zurverfügungstellung einer Box hinaus - erkennbares Gewahrsam über das Pferd ausübten, zumal besonders bei der ersten Unterbringung sämtliche Versorgungsaktivitäten durch den Pferdeigentümer bzw. sein Umfeld durchgeführt wurden. Es wurde bei  der ersten Unterbringung lediglich darauf verwiesen, dass das Pferd nicht auf die Koppel gebracht werden dürfe.
Da der freie Koppelgang für Pferde eine im Tierschutzgesetz unabhängig von Beritt oder Führmaschine geforderte Bewegungsmöglichkeit darstellt, konnten die VN auch nicht annehmen, dass dieses Koppelverbot eine „Dauermaßnahme für das gegenständliche Pferd“ wäre, die sich zwingend auch auf den zweiten Aufenthalt bezöge.

Hippologisch richtig handelnd, hat deshalb die Gestütseigentümerin, als sich eine Nervosität des Pferdes beim Verbringen der Stallgenossen auf die Weiden abzeichnete, angeordnet, die verfahrensgegenständliche Stute  zu  einen kleine Außenstall mit kleinem Paddock zu verbringen, um ihr Sichtkontakt zu den anderen Pferden zu ermöglichen. Diese Anordnung „griff“ auch, das Pferd verbrachte in völliger Ruhe zumindest drei Stunden ohne Zwischenfälle in diesem Freiland –Arrangement.
Wenn ein Pferd mehrere Stunden ruhig in seiner Umgebung zubringt, reduziert sich die Vorhersehbarkeit auf einen möglichen Zwischenfall auf ein Mindestmaß, als Imponderabilie bleibt sie immer bestehen.

Der durchschnittlich erfahrene Pferdemensch kann mit Recht davon ausgehen, dass Weidegang zu den Gepflogenheiten (fast) aller, speziell aber junger Pferde gehört. Es war auch aus dem Heimatstall der Stute kein Hinweis dafür zu erhalten, dass das Pferd dort keinen Weideauslauf gehabt hätte.

Umgekehrt wäre beim Belassen des Pferdes in der Box, nachdem die Gestütspferde auf die Weiden gebracht worden waren, eine Verletzungssituation vorhersehbar und  zu erwarten gewesen.
Insgesamt ist aus fachlicher Sicht den VN bei der Verwahrung des verfahrensgegenständlichen Pferdes kein haftungsrelevantes Verhalten zuzuschreiben, vielmehr haben sie sich nach den Regeln der „good equine practice“ verhalten.

Wert des Pferdes
Gemäß den Angaben des Geschädigten hat er das Pferd am 19.3.20xx um
€ 15.000.00 gekauft. Eine Kaufuntersuchung hatte – was durchaus nicht üblich ist – schon am 26.2.20xx, also 3 Wochen zuvor, stattgefunden.
Während im Kaufvertrag die „Röntgenklasse I“ festgehalten wird, scheint im Kaufuntersuchungsprotokoll „Röntgenklasse I –II“ auf. Befunde oder Röntgenbilder liegen nicht vor.
Der Kaufpreis scheint angesichts der behaupteten Qualität und Gesundheit des Pferdes eher niedrig.
Das Pferd war vom Geschädigten in der Zeit von Ankauf bis zu seinem Tode etwa 15 Monate ausgebildet und gefördert worden und wies zum Zeitpunkt des Todes - nach Ansicht des Geschädigten –  ein Vermögen der Leistungsklasse L (Springen) auf, was namhafte Experten bestätigen. Dennoch baut der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch nicht auf dem „Zuwachs von Leistung“ auf, obwohl er angibt, junge und hoffnungsvolle Pferde zu kaufen, auszubilden und sie dann gewinnbringend zu verkaufen.


Nachvollziehbarkeit des Schadensherganges
Aus den vorliegenden und beigeschafften Unterlagen sowie aus den Befunden anlässlich des Ortstermins und der ergänzenden Befragung der VN lässt sich ableiten, dass der Schadenshergang nicht nachvollziehbar ist, weil es keinen Augenzeugen gibt und die Spurenlage keinen brauchbaren Rückschluss zulässt.
Feststeht, dass das Pferd vor dem Vorfall in einem kleinen Außenstall mit Paddock untergebracht worden war, in der Folge den 135 cm hohen Zaun aus bislang unerfindlichen und nicht nachvollziehbaren Gründen unvorhersehbar und – zum Zeitpunkt - unvermeidbar überwunden hat, und dann mit einer nicht sehr großen Wunde am Innenschenkel bei nicht sehr großem, äußerem Blutverlust aufgefunden wurde. Das Pferd war, den Behauptungen der VN gemäß, die die Aussagen der intervenierenden Tierärztin wiedergaben, nicht mehr zu retten.
Eine Abklärung der Todesursache durch Autopsie erfolgte nicht.

Ableitbares Verschulden
Die VN, die das Pferd nicht im Sinne eines Einstellers, sondern nur als „Kurzzeitbeherberger“, übernommen hatten, haben nach den erkennbaren Unterlagen wie verantwortungsvolle und erfahrene Pferdeleute gehandelt.
Keinesfalls konnten sie auf Grund des „Koppelverbots“ bei der ersten Unterbringung den Schluss ziehen, dass dies eine Daueranordnung wäre, zumal freier Weidegang zu den „Grundrechten“ der Pferde zählt.
Im gesamten Ablauf der Tätigkeit der VN ist aus fachlichem Aspekt keine haftungsrelevante Handlung zu erkennen.

Höhe der Forderung
Die verpflichtete Versicherung forderte zur Höhe des geltend gemachten Schadens weitere nachvollziehbare Unterlagen an.


Aus diesem Fall können einige Lehren gezogen werden:
– Unterlagen und Papiere von Pferden sind Dokumente, für deren ordnungsgemäße Darstellung (Unterschriften, Angaben, Lebensnummer, Chip-Nummer, Datum der Eintragungen) der Pferdebesitzer/-eigentümer Sorge zu tragen hat.
– Vom gesamten, korrekt ausgefüllten Pferdepass sollten immer zwei Kopien zur Verfügung stehen, damit auch nach dem Tod eines Pferdes und der Abgabeverpflichtung für das Dokument die Daten abgerufen werden können.
– Die Korrektheit und Nachvollziehbarkeit von Eintragungen im Pferdepass (Impfungen, Besitzerwechsel usw.) gehört zu den Obliegenheiten des derzeitigen Besitzers bzw. der „person resonsible“.
– Der Pferdepass dient nicht zum Nachweis des Eigentums an einem Pferd.
– Bei „sensiblen“ Dokumenten (Kaufvertrag, Protokoll einer Kaufuntersuchung, Krankengeschichten von Pferden, Versicherungspapiere) muss zweifelsfrei nachvollziehbar sein, welchem Tier sie zuzuordnen sind:
o    komplettes Nationale
o    UELN (Universal Equine Life Number)
o    Chip-Nummer….  sind Mindestangaben.
– Ungeklärte Todesfälle bedürfen immer einer nachvollziehbaren und protokollierten Obduktion, wenn verwertbare Befunde erwartet werden (d.h. bei allen Vorkommnissen, bei denen ein gerichts- oder Versicherungsverfahren zu erwarten ist.)
– Fotografien und Videoaufnahmen können hohen Beweiswert haben – in einer Zeit, in der die Kamera am Mobiltelefon ständiger Begleiter im Alltag ist, keine unerfüllbare Forderung.


ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet  hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter)  war er  als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig. Die „Fälle des Dr. K." haben sich tatsächlich zugetragen, wurden aber jeweils in Text und  Bildern verfremdet und anonymisiert,  womit  geltendem Medienrecht und Datenschutz vollinhaltlich genügt wird. Die Fälle wurden vom Autor um das „Fall-spezifische“ bereinigt und werden somit nun als neutraler Lehrstoff von allgemeiner hippologischer Gültigkeit  für interessierte Verkehrskreise zur Weiterbildung dargestellt.

VORSCHAU: Eine Gruppe von Gästen hatte eine Kutschenfahrt auf einem Reiterhof gebucht, in dessen Verlauf die Pferde durchgingen und es zu einem schweren Unfall mit mehreren verletzten Personen kam. Dr. K. wurde als Gutachter mit der näheren Klärung der Unfallumstände und -ursachen beauftragt – dabei sollte, wie sich herausstellte, das Verhalten der Fahrerin und ein kritischer Teil der Ausrüstung eine zentrale Rolle spielen ...

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