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Wölfe töten vier Lipizzaner-Fohlen in Italien
28.05.2023 / News

In vielen Ländern Europas – so auch in Italien – geht die Angst vor dem Wolf um ...
In vielen Ländern Europas – so auch in Italien – geht die Angst vor dem Wolf um ... / Symbolfoto: Archiv/Fotolia

Auf einem Pferdezuchtbetrieb in der Gemeinde Montelibretti nördlich von Rom ist es zu einem furchtbaren Wolfsangriff gekommen – vier Lipizzaner-Fohlen kamen ums Leben. „Das hat es in 70 Jahren noch nie gegeben“, so ein Verantwortlicher.


Wie die Tageszeitung ,la Repubblica’ auf ihrer Website berichtet, wurden die vier Lipizzaner-Fohlen auf einem Gestüt nördlich von Rom von Wölfen attackiert. Der Angriff ereignete sich am Mittwochmorgen (24. Mai) am helllichten Tag auf dem ehemaligen Militärgestüt von Montelibretti, das der CREA (Council for Agricultural Research and Economics), dem staatlichen Forschungsinstitut des Landwirtschaftsministeriums, untersteht und von diesem betrieben wird.

Die Fohlen grasten friedlich auf einer Weide, als die Wölfe sie angriffen. Der Nachwuchs von Wildschweinen, Rotwild, aber auch von Pferden zählt zur bevorzugten Beute der Raubtiere: Die erwachsenen Tiere sind häufig größer und stärker als Wölfe und können deren Angriffe meist erfolgreich abwehren, während die Jungtiere ihnen hilflos ausgeliefert sind.

Die Wölfe verletzten alle vier Fohlen und zerfleischten eines davon, ein zwei Monate altes Stutfohlen namens Rubina. In diesem Moment kamen Gestütsmitarbeiter hinzu, denen es gelang, die Wölfe zu vertreiben – es soll sich um mindestens drei Tiere gehandelt haben. Für die drei schwer verletzten Hengstfohlen kam jede Hilfe zu spät, sie verendeten noch an Ort und Stelle.

Der Vorfall führt auf dramatische Weise vor Augen, wie sehr der Wolf inzwischen wieder in Italien verbreitet ist – und dass seine Ausbreitung viele neue Fragen und Probleme aufwirft: Das Zusammenleben von Menschen, Nutztieren und Wölfen wird immer mehr zu einer Herausforderung – und einer Bewährungsprobe für die Politik.

Letztes Jahr schätzte das Nationale Institut für Umweltschutz und Forschung (ISPRA), dass es im Land etwa 3.000 Wölfe gibt – rund 1.000 in den Alpen und ca. 2.000 im Apennin, der traditionellen Hochburg des italienischen Wolfs. Damit zählt Italien – gemeinsam mit dem Balkan, den Karpaten und der iberischen Halbinsel – zu den wolfreichsten Regionen Europas.

Bislang mussten vor allem Schafzüchter mit dem Vormarsch des Wolfes zurechtkommen: Da sie es gewohnt sind, ihre Tiere frei grasen zu lassen, mussten sie in den letzten Jahrzehnten wolfsichere Zäune aufstellen und verstärkte Schafställe bauen. Vor allem aber mussten sie auf Schäferhunde zurückgreifen, die einzig wirksame Verteidigung gegen die schlauen Raubtiere. Diejenigen, die sich nicht entsprechend gewappnet haben, mussten erleben, wie ihre Herden dezimiert wurden.

Mittlerweile sind die Wölfe ein immer größeres Problem – und dringen immer weiter in bewohnte Gebiete vor: In Palombaro nel Chietino in den Abruzzen tötete vor wenigen Tagen ein Wolf den Hund einer Dame: Die 56-jährige war mit ihrem Hund an der Leine durch das Dorf spaziert, als mitten im Zentrum der Wolf auf das Tier losgegangen war. Die Frau hatte noch versucht, den Hund zu schützen, wurde daraufhin aber selbst vom Wolf attackiert – als sie zu Boden stürzte, schnappte sich der Wolf den kleinen Hund und lief mit ihm im Maul davon. Die 56-jährige selbst trug nur leichte Verletzungen, aber einen schweren Schock davon. Der Bericht von dem Vorfall sorgte in Italien für große Aufregung und Empörung.

Auch ein anderer Vorfall zeigt, dass der Wolf keineswegs bei allen beliebt ist: Neun Wölfe wurden in der vergangenen Woche von Förstern in der Provinz L'Aquila unweit des Nationalparks der Abruzzen tot aufgefunden. Die Tiere sollen vergiftet worden sein – mit Fleischstücken, die man in den Wäldern der Gegend entdeckt hat. Der Vorfall wird jetzt von Experten untersucht – die vergifteten Fleischköder könnten Trüffelsammler ausgelegt haben, um bei der Trüffelsuche in den Wäldern ungestört zu sein, so eine Vermutung.

In jedem Fall gestaltet sich auch in Italien das Zusammenleben mit den Wölfen nicht immer friedlich und friktionsfrei. Alle Vorfälle weisen auf die zunehmende Ausbreitung des Wolfes hin – und die Notwendigkeit, sich an ihre Anwesenheit anzupassen und Regeln für den Umgang miteinander zu finden. Ein Rudel Wölfe lebt seit Jahren dauerhaft in Rom, im Naturschutzgebiet Castel di Guido am Stadtrand.

Für die Lipizzaner von Montelibretti wird der dramatische Vorfall zweifellos vieles verändern, wie auch der geschockte Geschäftsführer von CREA und Unesco-Kontaktperson für das Lipizzanerpferd, Luca Buttazzoni, zugibt: „Das hat es in 70 Jahren noch nie gegeben. Seit 1948 ermöglicht uns das milde Klima der römischen Landschaft, die Pferde das ganze Jahr über auf der Weide zu halten: Seit über 70 Jahren geht es den Pferden gut, sie sind gesund und kräftig, konnten frei miteinander interagieren und zeigten eine unglaubliche Vielfalt an Sozialverhalten.“ Diese offene und freie Haltungsform steht nun – wie manches andere auch – auf dem Prüfstand und könnte zugunsten verschärfter Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt werden.

In Montelibretti wurden jene Lipizzaner untergebracht, die nach dem Zweiten Weltkrieg im November 1947 zwischen Italien und Österreich aufgeteilt worden waren. 80 Pferde und die Zuchtbücher kamen an Italien und wurden zunächst in Pinerolo in Piemont, Anfang 1948 dann im Militärgestüt Montelibretti in die Nähe von Rom untergebracht. Die Nachkommen der italienischen Pferde werden seit 1952 im Staatsgestüt in Monterotondo weitergezüchtet. 2022 wurde die „Tradition der Lipizzaner-Pferdezucht" in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen – auch Italien war darin aufgeführt, gemeinsam mit Österreich und sechs weiteren europäischen Ländern. Erst wenige Tage vor dem furchtbaren Wolfsangriff hatte man diese Aufnahme noch gefeiert – nun ist freilich niemandem mehr nach Feiern zumute ...

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