Schweiz: Zoll beschlagnahmt immer mehr Pferde-Entwurmungsmittel 02.11.2021 / News
Wurmkur-Archiv.jpg: Auf die Dosis kommt es an: Was Pferden hilft, kann für den Menschen hochgiftig sein, warnen Wissenschaftler. (Fotocredits: Symbolfoto: Archiv)
In immer mehr Ländern schwören Impfskeptiker auf die Wirkung des Entwurmungsmittels Ivermectin – so auch in der Schweiz, wo das Mittel immer öfter illegal importiert und vom Zoll beschlagnahmt wird. Die Gesundheitsbehörden warnen.
Der Irrglaube, dass das Entwurmungsmittel Ivermectin gegen das Covid-19-Virus beim Menschen helfen würde, ist weitverbreitet und hält sich hartnäckig – und wie das ,Tagblatt' berichtet, bleibt davon auch die Schweiz nicht verschont. So hat die Eidgenössische Zollverwaltung in den letzten Wochen bei Kontrollen vermehrt illegale Arzneimittelsendungen entdeckt und an die zuständige Heilmittelbehörde Swissmedic weitergeleitet, darunter auch „illegale Arzneimittelimporte mit Medikamenten gegen Würmer und andere Parasiten mit dem Wirkstoff Ivermectin". Ganz offensichtlich versuchen immer mehr Personen, sich das Mittel – das in der Schweiz nicht zur Behandlung von Covid-19 zugelassen ist – auf illegalem Weg aus dem Ausland zu beschaffen und sich damit gleichsam auf eigene Faust gegen die Infektion zu schützen, wie dies in diversen Chatgruppen und sozialen Medien empfohlen wird. Leider wird dieses fundamentale Missverständnis auch immer wieder von Politikern – zuletzt sogar von FPÖ-Chef Herbert Kickl – befeuert.
Der Ursprung dieses Missverständnisses liegt in einer Studie australischer Wissenschaftler, die im Frühjahr 2020 in die Schlagzeilen geriet. Die Forscher fanden in Laborversuchen heraus, dass Ivermectin in der Lage war, die zellbasierte RNA des Covid-19-Virus innerhalb von 48 Stunden nahezu vollständig aus Zellkulturen zu entfernen – ein vielversprechendes Resultat, so die Forscher, die jedoch zugleich einräumten, dass dieses Ergebnis noch hinsichtlich des Nutzens für den Menschen weiter untersucht werden müsse. Wenig später warnten gleich mehrere Wissenschaftler eindringlich vor jeglichen Selbstversuchen mit den im Handel verfügbaren tierischen Rezepturen von Ivermectin – diese seien explizit nicht für den menschlichen Gebrauch geeignet und könnten schwere Nebenwirkungen verursachen; es habe sich um Laborversuche an Zellkulturen gehandelt – von einem marktreifen oder gar zulassungsfähigen Medikament gegen Covid-19 sei man noch meilenweit entfernt, sofern es überhaupt jemals dazu kommen würde (siehe auch unsere ausführliche Meldung dazu).
Dem weltweiten Siegeszug des gefährlichen Missverständnisses taten diese Warnungen aber keinen Abbruch. Ivermectin geistert seither verlässlich als vermeintliches ,Corona-Wundermittel' durchs Internet – und zwar weltweit. Im August 2021 sah sich die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA sogar zu einer eindringlichen Warnung veranlasst, nachdem es zu mehreren Spitalseinweisungen nach Selbstmedikationen mit Ivermectin gekommen war. Zentrale Botschaft der FDA: „Verwenden Sie niemals Medikamente, die für Tiere bestimmt sind, an sich selbst. Ivermectin-Präparate für Tiere unterscheiden sich erheblich von denen, die für den Menschen zugelassen sind.“
Und weiter: „Die Einnahme eines Medikaments für einen nicht genehmigten Gebrauch kann sehr gefährlich sein. Dies gilt auch für Ivermectin. Leider kursieren dazu jede Menge Falschmeldungen – und Sie haben vielleicht irgendwo gehört, dass es in Ordnung wäre, große Dosen von Ivermectin einzunehmen. Das ist falsch! Sogar die Ivermectin-Spiegel für zugelassene Anwendungen können mit anderen Medikamenten wie Blutverdünnern interagieren. Sie können Ivermectin auch überdosieren, was Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hypotonie (niedriger Blutdruck), allergische Reaktionen (Juckreiz und Nesselsucht), Schwindel, Ataxie (Gleichgewichtsprobleme), Krampfanfälle, Koma und sogar den Tod verursachen kann."
Vor allem ging es der FDA um die Klarstellung, dass sich Ivermectin-Produkte für Tiere gravierend von Ivermectin-Produkten für Menschen unterscheiden: „Zum einen sind Tierarzneimittel oft hochkonzentriert, weil sie für große Tiere wie Pferde und Kühe verwendet werden, die ein viel größeres Körpergewicht haben als wir – eine Tonne oder mehr. Solche hohen Dosierungen können für den Menschen hochgiftig sein. Darüber hinaus überprüft die FDA Medikamente nicht nur auf die Sicherheit und Wirksamkeit der Wirkstoffe, sondern auch auf die inaktiven Inhaltsstoffe. Viele inaktive Inhaltsstoffe, die bei Mitteln für Tiere zum Einsatz kommen, sind nicht für die Anwendung beim Menschen überprüft. Oder sie sind in viel größerer Menge enthalten als die, die beim Menschen verwendet werden. In einigen Fällen wissen wir nicht, wie sich diese inaktiven Inhaltsstoffe auf die Aufnahme von Ivermectin im menschlichen Körper auswirken."
Dieser Warnung schlossen sich aus aktuellem Anlass nun auch Schweizer Experten an. Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, meinte wörtlich: „Für den Nachweis einer Wirksamkeit bei der Behandlung von Covid-19 fehlen seriöse Grundlagen." Vor einer Anwendung auf eigene Faust sei dringendst abzuraten: „Das kann gesundheitlich äusserst gefährlich sein", so Hauri gegenüber dem ,Tagblatt'.
Das Thema ist in der Schweiz auch politisch brisant, da am 28. November erneut eine Volksabstimmung über wichtige Teile des Covid-19-Gesetzes durchgeführt wird. Es geht dabei um die Anpassungen, die das Parlament im März 2021 beschlossen hat. Im Juni war bei einem ersten Referendum das Covid-19-Gesetz, das im September 2020 beschlossen worden war, mit 60 Prozent angenommen worden – dieses Mal könnte es deutlich knapper werden, meinen Beobachter.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:23.08.2021 - FDA warnt vor Ivermectin: Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Hör auf damit!
FDA warnt vor Ivermectin: Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Hör auf damit! 23.08.2021 / News
Selten greift die honorige FDA zu solchen Schlagzeilen: „Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Ernsthaft, ihr alle: Hört auf damit!" / Screenshot: Twitter/FDA
Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt einmal mehr vor der Einnahme von Ivermectin, nachdem sich mehrere Personen selbst mit dem Entwurmungsmittel therapiert haben und danach ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.
Schon im Mai hatte die zuständige US-Behörde für Lebens- und Arzneimittelsicherheit (FDA) eine Warnung vor Selbstbehandlungen mit Ivermectin veröffentlicht. Das im Veterinärbereich eingesetzte Entwurmungsmittel geistert seit vielen Monaten als vermeintliches ,Wundermittel’ gegen das Covid-19-Virus durch die sozialen Medien, nachdem im Vorjahr eine australische Studie Ivermectin eine gute Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 in Laborversuchen bescheinigt hatte (siehe auch unsere ausführliche Meldung dazu). Schon damals kam es nach der Veröffentlichung der Studienergebnisse massenhaft zu missbräuchlichen Anwendungen im Humanbereich – und schon damals haben Gesundheitsbehörden und Arzneimittel-Experten eindringlich davor gewarnt, die Medikamente aus dem Veterinärbereich für die menschliche Einnahme heranzuziehen. Der Nutzen dieser Warnungen war – wie die jüngste Entwicklung in den USA zeigt – offenbar begrenzt.
Nun versucht es die FDA mit noch eindringlicheren, drastischeren Worten und twitterte am Samstag: „Du bist kein Pferd. Du bist keine Kuh. Ernsthaft, ihr alle: Hört auf damit!“
In der offiziellen Mitteilung dazu bemühte sich die FDA natürlich wieder um größtmögliche Sachlichkeit. Dort heißt es: „Angesichts der Zahl der Todesfälle durch die Krankheit ist es vielleicht nicht überraschend, dass einige KonsumentInnen nach unkonventionellen Behandlungen suchen, die nicht von der Food and Drug Administration (FDA) geprüft oder zugelassen sind. Obwohl dies verständlich ist: Seien Sie bitte vorsichtig! Die Aufgabe der FDA besteht darin, die wissenschaftlichen Daten zu einem Medikament sorgfältig auszuwerten, um sicherzustellen, dass es für eine bestimmte Anwendung sowohl sicher als auch wirksam ist – und dann zu entscheiden, ob es zugelassen wird oder nicht. Die Anwendung einer Behandlung für COVID-19, die nicht von der FDA geprüft oder zugelassen ist (es sei denn, sie ist Teil einer klinischen Studie), kann ernsthafte Schäden verursachen.“
Wie die FDA weiter ausführt, gibt es offenkundig ein wachsendes Interesse an Ivermectin zur Behandlung von Menschen mit COVID-19 in der Gesellschaft. Ivermectin wird in den USA häufig zur Behandlung oder Vorbeugung von Parasiten bei Tieren verwendet. Die FDA hat in den letzten Tagen jedoch mehrere Berichte über Patienten erhalten, die medizinische Unterstützung benötigten und nach einer Selbstmedikation mit Ivermectin für Pferde ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Was man über Ivermectin wissen muss
Vor diesen praktizierten ,Selbstbehandlungen' warnt die FDA jedoch eindringlich. Wörtlich heißt es in der Mitteilung: „Die FDA hat Ivermectin nicht zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19 beim Menschen zugelassen. Ivermectin-Tabletten sind in sehr spezifischen Dosen für einige parasitäre Würmer zugelassen, und es gibt topische (auf der Haut anzuwendende) Formulierungen für Kopfläuse und Hauterkrankungen wie Rosacea. Ivermectin ist kein antivirales Mittel, also kein Medikament zur Behandlung von Viren. Die Einnahme großer Dosen dieses Medikaments ist gefährlich und kann ernsthafte Schäden verursachen. Wenn Sie ein Rezept für Ivermectin für eine von der FDA zugelassene Anwendung haben, besorgen Sie es aus einer legitimen Quelle und nehmen Sie es genau wie verschrieben ein. Verwenden Sie niemals Medikamente, die für Tiere bestimmt sind, an sich selbst. Ivermectin-Präparate für Tiere unterscheiden sich erheblich von denen, die für den Menschen zugelassen sind.“
Einige Formen von Ivermectin, so die FDA weiter, werden bei Tieren verwendet, um Herzwurmerkrankungen und bestimmte innere und äußere Parasiten zu verhindern. Es ist wichtig zu beachten, dass sich diese Produkte von denen für Menschen unterscheiden und nur dann sicher sind, wenn sie wie vorgeschrieben ausschließlich bei Tieren eingesetzt werden.
Wann kann die Einnahme von Ivermectin unsicher sein?
Die FDA hat keine Daten überprüft, die die Verwendung von Ivermectin bei COVID-19-Patienten zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19 unterstützen; es sind jedoch erste Forschungen dazu im Gange. Dann heißt es explizit: „Die Einnahme eines Medikaments für einen nicht genehmigten Gebrauch kann sehr gefährlich sein. Dies gilt auch für Ivermectin. Leider kursieren dazu jede Menge Falschmeldungen – und Sie haben vielleicht irgendwo gehört, dass es in Ordnung wäre, große Dosen von Ivermectin einzunehmen. Das ist falsch! Sogar die Ivermectin-Spiegel für zugelassene Anwendungen können mit anderen Medikamenten wie Blutverdünnern interagieren. Sie können Ivermectin auch überdosieren, was Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hypotonie (niedriger Blutdruck), allergische Reaktionen (Juckreiz und Nesselsucht), Schwindel, Ataxie (Gleichgewichtsprobleme), Krampfanfälle, Koma und sogar den Tod verursachen kann."
Ivermectin-Produkte für Tiere sind anders als Ivermectin-Produkte für Menschen!
Vor allem geht es der FDA um die Klarstellung, dass sich Ivermectin-Produkte für Tiere gravierend von Ivermectin-Produkten für Menschen unterschieden: „Zum einen sind Tierarzneimittel oft hochkonzentriert, weil sie für große Tiere wie Pferde und Kühe verwendet werden, die ein viel größeres Körpergewicht haben als wir – eine Tonne oder mehr. Solche hohen Dosen können für den Menschen hochgiftig sein. Darüber hinaus überprüft die FDA Medikamente nicht nur auf die Sicherheit und Wirksamkeit der Wirkstoffe, sondern auch auf die inaktiven Inhaltsstoffe. Viele inaktive Inhaltsstoffe, die bei Mitteln für Tiere zum Einsatz kommen, sind nicht für die Anwendung beim Menschen überprüft. Oder sie sind in viel größerer Menge enthalten als die, die beim Menschen verwendet werden. In einigen Fällen wissen wir nicht, wie sich diese inaktiven Inhaltsstoffe auf die Aufnahme von Ivermectin im menschlichen Körper auswirken."
Die FDA verwies abschließend auf die bestehenden wirksamen Möglichkeiten, die Ausbreitung von COVID-19 zu begrenzen, wie sie auch die nationalen Gesundheitsbehörden empfehlen – etwa in bestimmten Bereichen Schutzmasken zu tragen, einen Mindestabstand von 2 m zu anderen Personen einzuhalten, häufig die Hände zu waschen und Menschenansammlungen zu vermeiden. Nicht zu vergessen die wirkungsvollste Vorbeugung: die zugelassenen Covid-19-Impfungen, die mit hoher Zuverlässigkeit vor schweren Krankheitsverläufen schützen und auch das Risiko einer Virusübertragung deutlich senken.
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