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In memoriam HR Dr. Georg Kugler: Gentleman und Hippologe
25.08.2024 / News

Am 18. August ist Hofrat Dr. Georg Kugler im Alter von 90 Jahren verstorben Er war Chef der Wagenburg in Schönbrunn, Entwickler des Lipizzanermuseums in der Stallburg, Fachautor zahlreicher wichtiger Publikationen und als leitender Beamter im KHM eine unersetzliche Autorität. Ein persönlicher Nachruf von Martin Haller.

HR Dr. Georg Kuglers Wissen war international gefragt und geschätzt. Foto: Archiv Martin Haller

 

Hofrat Dr. Georg Kugler war Kunsthistoriker von internationalem Rang, fast drei Jahrzehnte lang Direktor der Kaiserlichen Wagenburg in Schönbrunn und langjähriges Mitglied des Kunsthistorischen Museums – seine vielfältigen Verdienste und Leistungen hat der KHM-Museumsverband in einer berührenden Mitteilung (siehe unten) zum Ausdruck gebracht und gewürdigt.

An dieser Stelle möchte ich auf eine öffentlich weniger bekannte, aber nicht weniger wichtige Facette im Lebenswerk von HR Dr. Kugler eingehen – nämlich seine besondere Beziehung zu Pferden und der mit ihnen verbundenen kulturellen Welt, die man gemeinhin unter dem Begriff der ,Hippologie’ subsumiert. In diesem Sinne war HR Kugler ein herausragender, kenntnisreicher Hippologe, umfassend interessiert und gebildet, hochangesehen und hochgeschätzt – und verdientermaßen auch hochdekoriert.

Als man Kaiserin Zita zu Grabe trug, war er beauftragt, den Kondukt in alter Weise zu bespannen, fast wie ein Oberststallmeister. Der riesige schwarze Leichenwagen aus der Wagenburg wurde von Noriker Rapphengsten aus Stadl-Paura gezogen, und Georg Kugler ging nebenher, in wichtiger Funktion, aber dennoch nicht im Zentrum stehend – wie es sich gehört.

Er war ein Kenner des Pferdes und aller Dinge, die damit zusammenhängen. Sein Wissen war legendär und muss es bleiben; seine Bücher über die Wagenburg in Schönbrunn und die Lipizzaner (und etliche andere) sind wohl die besten und wissenschaftlich fundiertesten zu diesen Themen.

Die Lipizzaner und die Spanische Hofreitschule waren HR Kugler stets ein besonderes Anliegen – er war Österreichs wissenschaftliche Autorität zum Thema Lipizzaner und über Jahrzehnte auch im Vorstand der ,Gesellschaft Freunde der Spanischen Hofreitschule’. Als sich die Hofreitschule um die Eintragung in die Nationalliste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes bewarb, war es HR Dr. Georg Kugler, der 2009 das Empfehlunsschreiben verfasste, übrigens gemeinsam mit Dressur-Olympiasiegerin Christine Stückelberger.

Er hatte ein gutes Auge für Pferde und konnte die großen Zusammenhänge sekundenschnell herstellen. Mit Hans Brabenetz teilte er sich die leitenden Funktionen im 2001 von Heinz Gawlik gegründeten ,Dokumentationzentrums für altösterreichische Pferderassen’, und auch den damit einhergehenden Bildungsauftrag: Nie fuhr einer der beiden dem anderen in die Parade, denn jeder wusste ganz genau, welch ungeheures Wissen der andere auf seinen Gebieten besaß. Gemeinsam trugen sie die Vereinsreisen des Dokuzentrums als Doppel-Conference, wie in der alten Tradition der Wiener Kabaretts, jedoch ohne einen „Blöden“ und einen „G’scheiten“ – sie waren beide die G’scheiten, und sie wussten es, ohne eitel zu sein.

 

HR Dr. Kugler mit Heinz Gawlik (li.), dem Gründer des ,Dokumentationszentrums für altösterreichische Pferderassen, dem Kugler als Präsident vorstand. Foto: Archiv Martin Haller

 

Diese Reiseleitungen sind legendär, sie waren uns allen mehrmals im Jahr ein konzentrierter Unterricht, simultan in allen Fächern. Man saß im Bus oder stand vor einem Gebäude und lauschte gebannt Georg Kuglers oft recht komplexen Ausführungen, die aber sprachlich und didaktisch immer perfekt waren. Er war der Meister des großen Bogens, weil ihm alle Werkzeuge des Wissens zur Verfügung standen. Auf dem bunten Teppich grandioser Allgemeinbildung wurde etwa Architektur ausgebreitet, dazu ein paar Biografien von barocken Baumeistern; es folgte die Typologie und Malerei des 17. Jahrhunderts – die Frage „Wer is des do ob’n?“ wurde mit einem kurzen Ausflug in die Mythologie beantwortet – und alles schließlich mit profunden Ergänzungen aus Geschichte und Politik garniert.

So oder ähnlich haben wir es oft erlebt und genossen, auch wenn es unseren sterblichen Gehirnen nicht vergönnt ist, sich ein Hundertstel dessen zu merken, was Georg mühelos abrufen konnte. Wie sein Mitstreiter Hans Brabenetz war auch er mit der Gabe des perfekten Gedächtnisses gesegnet, das keine Unterstützung durch Google oder Wikipedia brauchte. Dazu hatte er seine kongeniale Frau Christa an der Seite, die neben ihm unermüdlich alles notierte, auf kleinen Zetteln, schweigend in gestochener Handschrift, sodass Georg über eine Dokumentation des Gesagten und Gehörten verfügte und stets darauf Bezug nehmen konnte. Sie wusste, was er brauchte.

Als ich mein erstes Buch über die Pferde der Habsburger schrieb, kam es zum ersten Kontakt per Telefon – ich wollte ein Bild von einem Hamilton-Pferd und wurde an ihn verwiesen. Er war spürbar erstaunt, dass ein unbekannter Quereinsteiger es wagte, SEIN Thema zu beackern. Der Preis für das Bild war ungeschönt realistisch und daher für mich unleistbar. Später hat er mir unzählige Male großzügig geholfen und seine unerschöpflichen Quellen zur Verfügung gestellt. Da hatte er wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass ich keine hippologische Eintagsfliege, sondern dazu berufen war, am selben Strang zu ziehen wie er.

Ich lernte ihn persönlich wenige Jahre später als Präsidenten des Dokuzentrums kennen – und als einen typischen Vertreter seiner Kaste. Sofort erkannte ich den „Stallgeruch“ – achte Dienstklasse, wie Vati auch, gleiches Verhalten, gleiche Kleidung, gleiche Sprache … österreichischer Beamten-Adel. Und er hatte mich sofort (oh, die alten Generäle sind hervorragende Menschenkenner) in genau die gleiche Kategorie gesteckt wie mein alter Herr: charmanter Bursch, plaudert gern und ist nicht blöd, aber ein fauler, oberflächlicher Taugenichts. Also durfte ich leiden, wurde korrigiert, wenn ich wieder einmal Blödsinn geredet oder geschrieben hatte; wurde sachlich und beharrlich belehrt, ergänzt oder erhielt einen neuen Blickwinkel.

Es dauerte viele Jahre und gemeinsame Vereins-Reisen, eher ich mich näher in des „Hofrats“ Dunstkreis bewegen durfte, noch länger, bis endlich das beinahe kollegiale Du-Wort angeboten wurde, der Ritterschlag. Und für alles das war und bin ich unendlich dankbar, aus einigen Gründen. Fachlich (Hippologie, Architektur, bildende Künste, Literatur, Politik und Geschichte, Landeskunde, Geographie u. v. m.) erkannte ich als Lehrbub sofort den Meister; und wenn man nicht völlig blöd ist, dann spitzt man die Ohren und lernt von ihm. Menschlich gibt es ewige Kinder (sowas bin ich), und die brauchen ewige Erwachsene (sowas war Georg), um von ihnen hin und wieder eine sanfte Pflichtwatsch’n zu kriegen, damit sie wenigstens ein bisserl erwachsener werden können. Diese Watschen haben anfangs wehgetan, dann hab ich sie langsam verstanden und danach haben sie immer sehr wohl getan. Ich werde sie sehr vermissen. Sie waren mir Motivation und Korrektiv und werden es immer bleiben.

Wenn man sich eines besonderen Menschen erinnert, dann ist es gut, ihn auf sein Wesentliches zu reduzieren, auf die reine Essenz zu verdichten. Ich will es versuchen: Georg Kugler war eine Verkörperung all dessen, was einen „Herrn“ im guten, alten Sinn ausmachte. Lebensführung, Haltung und vor allem Bildung als Nährboden seiner Ideale waren ihm selbstverständlich. Er war Altösterreicher im besten Sinn des Wortes, Österreich-Ungarns klare Antwort auf den etwas diffusen Begriff des englischen Gentlemans. Gentiluomo, hätte Georg sofort gesagt, ein alter italienischer Begriff für den höflichen, gebildeten Mann, den wohlerzogenen Kulturmenschen.

„Wir haben einen Freund verloren" – so hat es Heinz Gawlik, der langjährige Wegbegleiter und Mitstreiter, treffend ausgedrückt: „Georg Kugler war Mitinitiator unserer Vereinsgründung und seit 2001 aktiv dabei. Er war sowohl über seine Verbindung zur Spanischen Hofreitschule aber vor allem durch sein Wissen zur Fahr- und Wagenkunde und als Kulturführer durch Mittel- und Osteuropa sowohl für unser Reiseprogramm als auch für den Status unseres Vereins von tragender Bedeutung. Er fehlt uns.“

Martin Haller

 

KHM-Museumsverband trauert um HR Dr. Georg Kugler
Mit berührenden Worten haben sich KHM-Generaldirektorin Sabine Haag und Geschäftsführer Paul Frey vom langjährigen Direktor der Kaiserlichen Wagenburg und des Monturdepots und langjährigem Mitglied des Kunsthistorischen Museums, Hofrat Dr. Georg Johannes Kugler, verabschiedet.

Geboren am 25. Mai 1935 in Wien, verbrachte Georg J. Kugler seine Jugend in Gmunden am Traunsee, studierte Rechtswissenschaften und Geschichte in Wien und absolvierte den Lehrgang am Institut für österreichische Geschichte. Die Beziehung von Georg J. Kugler mit dem Kunsthistorischen Museum begann mit seinem Eintritt als Volontär und später als Kustos in den wissenschaftlichen Dienst in der Direktion der Wagenburg unter Erich M. Auer bereits 1959.

Mit 1. Jänner 1973 wurde er nach der Pensionierung Auers mit der Leitung der Wagenburg und des Monturdepots betraut, die er 27 Jahre bis zu seiner Pensionierung im Dezember 2000 innehatte. Daneben leitete er die Bibliothek, das Archiv und die Reproduktions-Abteilung des Kunsthistorischen Museums und zwischen April und Oktober 1990 parallel dazu als interimistischer Erster Direktor das gesamte Haus. Schließlich war er von 1990 bis 2000 stellvertretender Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums.

Georg Kugler begleitete die Generalsanierung der Wagenburg in Schönbrunn, deren neu gestaltete Schauräume 1974 wiedereröffnet werden konnten. In seiner Amtszeit fanden vielbeachtete Sonderausstellungen der Wagenburg statt. 1977 jene zum Goldenen Wagen des Hauses Liechtenstein und 1980 in Kooperation mit Schloss Schönbrunn die Jubiläumsausstellung zu Maria Theresia, die der Wagenburg damals mit über 565.000 Gästen einen nie wieder erreichten Besucherrekord brachte.
Georg Kugler legte sein Augenmerk auch auf die Sichtbarkeit der bis dahin weithin unbekannten Sammlung des Monturdepots, der Sammlung von Livreen des Oberststallmeisteramtes und der Garderobe der habsburgischen Hausorden.

1979/80 fand im New Yorker Metropolitan Museum die vielbeachtete Ausstellung The Imperial Style. Fashions of  the Hapsburg Era statt. Das führte in der Folge zu zwei Burgenländischen Landesausstellungen in Schloss Halbturn: Uniform und Mode am Kaiserhof (1983) und Des Kaisers Rock (1989). Es folgte Costumes à la cour de Vienne im Musée de la Mode et du Costume im Palais Galliera in Paris (1995/96). Mit der großen Sonderausstellung Des Kaisers teure Kleider. Festroben und Ornate, Hofuniformen und Livreen vom frühen 18. Jahrhundert bis 1918, die Georg Kugler gemeinsam mit seiner Nachfolgerin Monica Kurzel-Runtscheiner 2000 im Wiener Palais Harrach und in der Folge in Mannheim kuratierte, verabschiedete er sich in die Pension.

Georg Kugler war zudem wissenschaftlicher Leiter des 1997 in der Alten Hofapotheke in der Wiener Stallburg gegründeten Lipizzanermuseums. Er publizierte zahlreiche Überblickswerke zu den Sammlungen und zur Ausstattung des Kunsthistorischen Museums, zu Schloss Schönbrunn, zur Wiener Hofburg, zu den Lipizzanern und der Spanischen Hofreitschule, zur Reichskrone, zu Staatskanzler Metternich und seinen Gästen sowie zu Kaiser Franz Joseph I. und dessen Gemahlin Kaiserin Elisabeth. Mit Herwig Wolfram veröffentlichte er 99 Fragen zur Geschichte Österreichs (2009) und mit Nina Nemetschke das Lexikon der Wiener Kunst und Kultur (1990).

Seine Direktionszeit war von einer regen Sammlungstätigkeit geprägt, bedeutende Neuerwerbungen konnten für die Wagenburg, das Monturdepot und die Bibliothek ermöglicht werden. Georg Kugler brachte auch nachhaltige Verbesserungen in der Textil- und Lederrestaurierung auf den Weg und konnte 1985 eine moderne Textilrestaurierwerkstätte im Areal der Wagenburg einrichten.

Für seine Leistungen wurde Georg J. Kugler im Jahr 2000 mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich vom Bundespräsidenten ausgezeichnet.

Sabine Haag: „Mit Georg J. Kugler verliert Österreich einen bedeutenden Kulturhistoriker, einen charismatischen Kulturvermittler und einen vielseitigen Museumsmann. Das Kunsthistorische Museum wird seinem ehemaligen Direktor der Kaiserlichen Wagenburg und langjährigem Mitglied des Hauses stets ein ehrendes Andenken bewahren“.

Quelle: Presseaussendung des KHM-Museumsverbands
 

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