In einer Fachzeitschrift wurde nun ein äußerst ungewöhnlicher Krankheitsfall beschrieben: Eine US-Amerikanerin, die an Rückenschmerzen litt, hatte Phenylbutazon eingenommen, das ihrem Pferd verschrieben worden war – das hätte sie besser nicht getan.
Die 41 Jahre alte US-Amerikanerin wurde nach ihrer fatalen Medikamenten-Einnahme mit einer Reihe besorgniserregender Symptome ins Krankenhaus eingeliefert. Die Frau hatte gedacht, dass das nicht-steroidale entzündungshemmende Medikament Phenylbutazon, allgemein als ,Bute' bezeichnet, bei ihren Rückenproblemen helfen würde, weil ihr zuvor ein rezeptfreies Schmerzmittel nicht geholfen hatte. Bei der Aufnahme gab sie zu, etwa drei Tage vor Beginn ihrer Symptome drei Einheiten des Medikaments in einer für ein ca. 180 kg schweres Pferd geeigneten Dosierung eingenommen zu haben. Der ungewöhnliche Fall wurde nun in der Fachzeitschrift ,Clinics and Practice’ detailliert beschrieben.
Autor Khalid Sawalha und seine Kollegen schrieben, dass die Frau, die keine nennenswerte Vorgeschichte hatte, ins Krankenhaus gekommen war, nachdem sie zwei Wochen lang über Übelkeit, Erbrechen und allgemeine Schwäche geklagt hatte. Es ging ihr gut, bevor diese Symptome auftraten, und sie hatte angenommen, dass sie ohne ärztliche Hilfe abklingen würden. Sie berichtete auch von Fieber mit starken Rückenschmerzen während dieser Zeit. Die Patientin sagte, dass sie oft leichte Rückenschmerzen hatte, die normalerweise durch die Einnahme des rezeptfreien Schmerzmittels Naproxen wieder verschwanden, aber diesmal hatte es nur wenig Linderung gebracht.
Die Patientin sagte, sie fühle sich zunehmend schlechter und habe ihren Appetit verloren. Ihr Mann schlug vor, viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Sie berichtete, dass sie eine Gallone (= ca. 3,8 l) Cranberrysaft, sechs Halbliter-Flaschen Wasser und vier Dosen Limonade getrunken habe, was zu schwerem Durchfall und weiterer Schwäche führte. Die Frau berichtete auch von einem Zeckenstich um den Zeitpunkt ihrer ersten Symptome. Sie bestritt, geraucht oder illegale Drogen konsumiert zu haben.
Bei der Untersuchung hatte die Frau eine hohe Herzfrequenz und einen grenzwertig niedrigen Blutdruck bei normaler Sauerstoffsättigung. Sie sah krank und lethargisch aus, hatte trockene Schleimhäute, wirkte aber ansonsten normal. Ihre Laborergebnisse zeigten mehrere besorgniserregende Werte, darunter eine sehr geringe Zahl weißer Blutkörperchen, niedrige Thrombozytenwerte, Hinweise auf eine akute Nierenschädigung und erhöhte Leberenzyme. Die Schilddrüsenfunktion war normal. Es gab keine Hinweise auf eine Hepatitis (Leberentzündung). Ihr Urin-Drogentest war positiv auf Amphetamine und Marihuana. Ein CT-Scan zeigte eine vergrößerte Milz ohne andere Auffälligkeiten. Das Fallberichtsteam sagte, die Urin-Drogenuntersuchung sei trotz ihrer anfänglichen Ablehnung wegen des Verdachts auf Drogenmissbrauch durchgeführt worden. Sie besprachen die Ergebnisse mit der Patientin, und sie gab später zu, sowohl Amphetamine als auch Marihuana konsumiert zu haben.
„Dies führte dazu, dass wir eine detaillierte Sozialgeschichte aufgenommen haben, die ein unerwartetes Ereignis offenbarte“, berichteten sie. Im Zuge der detaillierten Befragung gab die Patientin an, auf ihrer Ranch Pferde zu züchten, von denen eines Schmerzen hatte. Der Tierarzt verschrieb dem Pferd Phenylbutazon und sie beobachtete, dass dies dem Pferd deutlich geholfen hatte. Dies führte letztlich zu einer fatalen Schlussfolgerung: Die Patientin war frustriert, da das von ihr verwendete Naproxen diesmal nicht gegen ihre Rückenschmerzen half – und nahm Phenylbutazon, um ihre Schmerzen zu lindern. Die Patientin gab zu, etwa drei Tage vor Beginn ihrer Symptome drei Einheiten Phenylbutazon eingenommen zu haben – „in einer Dosierung, wie sie für ein ca. 180 kg schweres Pferd empfohlen wird, die also für ihr eigenes Körpergewicht von ca. 82 kg viel zu hoch war“, so die AutorInnen. Als die behandelnden Ärzte dies erfahren hatten, wurden Giftkontroll- und Toxikologiezentren kontaktiert, aber es wurde kein spezifisches Gegenmittel empfohlen. Ihr medizinisches Team verabreichte ihr daraufhin – aufgrund des Verdachts einer aktuen Leberschädigung – spezielle Infusionen und führte weitere zielgerichtete Behandlungen zur Verbesserung ihres Zustands durch.
Ihre Laborergebnisse verbesserten sich während ihrer drei Tage im Krankenhaus – die Frau fühlte sich besser, entschied sich jedoch leider, das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat zu verlassen, bevor eine vollständige Genesung eintrat.
Wie das Fallberichtsteam ausführte, wurde Phenylbutazon erstmals 1949 für die Verwendung beim Menschen zur Behandlung von Morbus Bechterew zugelassen – einer chronischen Erkrankung, die durch Entzündungsprozesse in den Wirbelgelenken zu einer schmerzhaften Versteifung der Wirbelsäule führt –, aber in den späten 1970er Jahren wieder zurückgezogen, und zwar aufgrund eines erhöhten Risikos für Agranulozytose, einer lebensbedrohlichen Bluterkrankung. Phenylbutazon darf daher nicht von Menschen eingenommen werden – trat dafür in der Veterinärmedizin, insbesondere im Pferdebereich, einen Siegeszug um die ganze Welt an. Dort ist Phenylbutazon als Schmerzmittel weit verbreitet und wird normalerweise als Pulver über das Futter von Pferden gestreut, die das Medikament benötigen.
Die meisten Fälle von Phenylbutazon-Vergiftung werden ähnlich behandelt wie andere Vergiftungsfälle mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern (NSAIDs), mit unterstützender Therapie, einschließlich Atemwegsmanagement, Volumenreanimation und Korrektur einer metabolischen Azidose (= Übersäuerung des Blutes). Diese Maßnahmen kamen auch bei der 41-jährigen Patientin zur Anwendung, wobei nicht nur die hohe eingenommene Dosis ein besonderes Problem darstellte, sondern auch der zuvor erfolgte Drogenkonsum: „Die lange Halbwertszeit, die Phenylbutazon beim Menschen aufweist, deutet darauf hin, dass das Medikament zwei bis drei Wochen in ihrem Blut war, da Medikamente etwa vier bis fünf Halbwertszeiten benötigen, um aus dem Körper ausgeschieden zu werden." Der Grad der Vergiftung könnte durch ihre Verwendung anderer NSAIDs weiter verschärft worden sein, so die Ärzte.
Die AutorInnen stellten auch fest, dass Tests Hinweise auf Ehrlichia ergaben, eine Bakterienart, die von Zecken übertragen wird. „Wir glauben, dass sie dem ausgesetzt war und ihr Immunsystem in der Lage war, die Infektion selbst zu beseitigen; das würde die Positivität für beide Immunglobuline erklären.
Der Fall, sagten sie, sei ein großartiges Beispiel dafür, wie wichtig es ist, eine ordnungsgemäße Anamnese von einem Patienten zu erheben, einschließlich der Sozial- und Drogengeschichte. „Patienten verstecken manchmal ihre Verwendung von rezeptfreien Medikamenten und pflanzlichen Arzneimitteln vor Ärzten. „Mehrere Medikamente wie Antibiotika, Anti-Helminthen und entzündungshemmende Mittel werden für Menschen und Tiere verwendet, aber es wird nicht empfohlen, dass Menschen die für Tiere hergestellten Formulierungen einnehmen, da sie unterschiedlich auf den Organismus wirken, anders verstoffwechselt werden und auch andere Absorptionseigenschaften haben.“
Mit einem Wort: Finger weg von Phenylbutazon, wenn man kein Pferd ist – es kann ansonsten böse enden …
Die Studie „Ain’t She a Bute?”: The Importance of Proper History Taking in a Case of Inappropriate Use of Horse NSAID in a Human" von Khalid Sawalha, Ryan James, Farah Mazahreh, Harmeen Goraya und Fuad Habash ist am 8. Juli 2021 in der Zeitschrift ,Clinics and Practice' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.