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Zenyatta – ein Pferd wie Pegasus
01.04.2015 / News

Selbstbewusst, intelligent, kapriziös – Zenyatta war immer eine auffallende Erscheinung.
Selbstbewusst, intelligent, kapriziös – Zenyatta war immer eine auffallende Erscheinung. / Foto: Mike Sekulic
Mit 178 cm Stockmaß überragte Zenyatta die meisten ihrer KonkurrentInnen.
Mit 178 cm Stockmaß überragte Zenyatta die meisten ihrer KonkurrentInnen. / Foto: Mike Sekulic
Im Ruhestand: Zenyatta genießt nach wie vor die Aufmerksamkeit des Publikums...
Im Ruhestand: Zenyatta genießt nach wie vor die Aufmerksamkeit des Publikums... / Foto: Alys Emson

Sie ist ohne Zweifel das beliebteste Pferd der USA – und genießt den Status eines vierbeinigen Popstars. Gemeint ist  die unvergleichliche Zenyatta, die heute – am 1. April – ihren Geburtstag feiert.

 

Es ist ein Foto des AP-Fotografen Mark J. Terrill, das die Legende dieses Pferdes wohl am besten ausdrückt. Es zeigt Zenyatta mit ihrem Jockey Mike Smith von hinten, sie trägt den Lorbeerkranz des Siegers, während ihr Reiter mit ausgebreiteten Armen nach oben blickt. Er hat wohl ein Gebet gesprochen und sich bei seinem Gott bedankt – doch es könnte ebenso gut bedeuten: „Seht her, auf diesem Pferd kann ich fliegen." In einem Interview hat er es später zugegeben – auf Zenyatta zu reiten, das wäre wie fliegen – oder in einem Sportwagen zu sitzen, der einfach immer einen Gang mehr hat, egal, wie hoch man schon geschaltet hat, es gibt immer noch einen Gang, den man einlegen kann, wenn man ihn brauchen sollte. „Sie hat keine Grenzen", so Mike Smith.

Groß und langbeinig
Zenyatta wurde am 1. April 2004 auf der Winter Quarter Farm von Don Robinson in Lexington/Kentucky geboren und stammt vom irischen Hengst Street Cry sowie der Stute Vertigineux v. Kris S (M. n. Forli) ab. Sie war großrahmig wie ihre Mutter, dazu langbeinig, aber insgesamt nicht besonders auffallend – bis auf die herrliche, massive und lange Schulter, die sie später zu so großen Dingen befähigen sollte. Sie zeigte Temperament, Selbstbewusstsein und Intelligenz, war aber spätreif und hörte gar nicht auf zu wachsen. So sah sie auch noch jung und unfertig aus, als sie bei der Jährlings-Auktion in Keeneland im September 2005 vorgestellt wurde. Das Interesse an ihr war groß, denn sie stammte aus dem ersten Jahrgang von Street Cry – doch viele Interessenten ließen sich von ihrem wenig entwickelten Äußeren und vielleicht auch von einem Hautausschlag an ihrer Schulter abschrecken, den sie sich wenige Tage vor der Auktion eingefangen hatte. So blieben die Gebote überschaubar – und am Ende erhielten der Musikproduzent Jerry Moss und seine Ehefrau Ann den Zuschlag für 60.000,– US-Dollar.

Behutsamer Aufbau
John Shirreffs übernahm das Training von Zenyatta und hatte – wie er später selbst zugab – alle Hände voll zu tun, aus der unterentwickelten, aber kapriziösen Dame eine wohlgeformte, gut bemuskelte und fitte Athletin zu machen. Er ging dabei sorgfältig und langsam vor – und das sollte sich später bezahlt machen. Zenyatta war bereits dreieinhalbjährig, als sie am 22. November 2007 ihr erstes Rennen lief und mit drei Längen Vorsprung gewann. Ihre imposante Statur – sie hatte mittlerweile ein Stockmaß von 178 cm erreicht – und ihre gewaltigen, weit ausholenden Galoppsprünge zogen schon damals die Blicke auf sich: Ja, Zenyatta war von Beginn an eine auffallende Erscheinung. Sie war – was ihr gesamtes Umfeld bestätigt – zu jedem Zeitpunkt eine Diva, sie liebte es, im Mittelpunkt zu stehen, und am meisten liebte sie es zu gewinnen. Das musste sie nie lernen – sie hatte es von Geburt an in sich: „Rennen zu gewinnen, das ist einfach ihr Ding", so hat es Besitzer Jerry Moss ausgedrückt. Ihre ersten drei Siege holte sie mit Jockey David Flores, ehe sie am 5. April 2008 in ihrem ersten Grad 1-Rennen in Oaklawn Park zum ersten Mal unter Mike Smith an den Start ging – und erneut ungefährdet gewann. Die Partnerschaft mit Mike Smith sollte ihre ganze Rennkarriere hindurch bestehen bleiben.

A Star is born
2008 stieg ihr Stern immer höher empor: Auch mit Mike Smith gewann Zenyatta ihre Rennen souverän, wie Perlen an einer Schnur reihten sich die Triumphe, und ihre Popularität wuchs und wuchs. Sie lieferte sich grandiose Duelle, brach Streckenrekorde – oder zeigte einfach bemerkenswerte Kunststücke: So gewann sie die Lady's Secret Stakes im Santa Anita Park am 27. September 2008, indem sie jede Viertelmeile schneller lief als die Viertelmeile davor – ein Start-Ziel-Sprint, wie man ihn am Turf nur äußerst selten miterlebt. Und nach einer ungeschlagenen Saison setzte sie beim Breeders' Cup Ladies' Classic am 24. Oktober einen ersten Meilenstein ihrer Karriere, holte sich den Sieg mit eineinhalb Längen Vorsprung – es war der neunte Triumph in Folge. Wenig später gewann Zenyatta auch den begehrten Eclipse Award für ältere Stuten. Es sollte nicht ihre einzige Auszeichnung bleiben.

Auf Secretariats Spuren
2009 ging der Lauf in die Geschichtsbücher weiter. Zenyatta siegte und siegte – und immer mehr Herzen flogen ihr zu. Und das nicht nur, weil sie ständig gewann – sondern vor allem durch die geradezu aufreizende Art und Weise, wie sie gewann: Sie lief meist die Hälfte des Rennens mit sichtlich wenig Anstrengung deutlich hinter dem Feld her – im Durchschnitt mit zehn bis zwölf Längen Abstand zur Spitze, als wäre ihr das, was sich da vor ihr tut, herzlich gleichgültig. Doch sobald sie ernst machte und Mike Smith einen Gang höher schaltete, flog sie mit ihrer enormen Speedstärke nahezu mühelos am gesamten Feld vorbei, nichts und niemand schien sie aufhalten zu können. Das Geheimnis dieser eher unüblichen, kräfteraubenden Rennstrategie war eine anatomische Besonderheit von Zenyatta – ihr riesiger Galoppsprung. Die Fernsehanstalt ESPN besuchte Zenyatta einmal während des Trainings und führte mit Spezialisten Messungen auf der Bahn durch. Das Ergebnis: Zenyattas Galoppsprung-Länge betrug unglaubliche 7,8 m – ebenso groß bzw. sogar noch ein Stückchen größer als jene von Secretariat. Das erlaubte es der Stute, das halbe Rennen in niedrigerer Frequenz laufen zu können, ohne allzu sehr an Boden zu verlieren – und Kraftreserven für das Finish zu mobilisieren.

Die Unbesiegbare
Eine exemplarische Demonstration dieses Rennstils brachte das Clement L. Hirsch Handicap auf dem Del Mar Race Track am 9. August 2009. Das Publikum sah an diesem Tag Zenyattas zwölften Sieg in Folge – und ein Rennen, in dem der Mythos der Unbesiegbarkeit erstmals heftig aufflackerte: Wie bei all ihren Starts zuvor lief Zenyatta wieder unbeteiligt die halbe Renndistanz hinter dem Feld her – doch diesmal schien sich Mike Smith verkalkuliert zu haben: Zenyatta lag eine Viertelmeile vor dem Ziel mehr als vier Längen hinter den Führenden zurück, und kein Mensch hätte in diesem Moment auch nur einen Cent auf sie gewettet. Doch was Zenyatta auf diesen letzten 400 Metern zeigte, war schier unglaublich: Mit jedem Galoppsprung machte sie sich länger, beschleunigte mit jedem Schub ihrer Hinterhand, und während alle anderen Pferde fast stehenzubleiben schienen, flog ein dunkelbraunes Geschoss heran und an allen vorbei und gewann das Rennen noch um Nasenlänge. Ungläubige Blicke im Publikum: Was – war – DAS? Es war eine grandiose Show – und die endgültige Geburtsstunde einer Legende. Später hieß es, dass Zenyatta auf der Ziellinie mit über 40 Meilen pro Stunde, also fast 70 km/h Speed gemessen worden war.

Der Hype bricht los
Mit diesem Rennen – und dem erneuten Sieg in den Lady's Secret Stakes am 10. Oktober 2009 – brachen alle Dämme: Die ganzen USA waren aus dem Häuschen und verrückt nach der Wunderstute mit dem unglaublichen Finish: Das Land hatte nach vielen Demütigungen und Niederlagen – den Attentaten vom 11. September, dem endlosen Irak-Krieg und dem Börsen-Crash von 2008 – endlich wieder einen Helden, genau gesagt: eine vierbeinige Heldin. Und Zenyatta enttäuschte die Nation nicht: Auch beim abschließenden Saison-Höhepunkt, dem Breeders' Cup Classic am 7. November 2009 im Santa Anita Park, hielt sie den hohen Erwartungen stand und gewann als erste Stute in der Geschichte diesen zur Triple Crown zählenden Turf-Klassiker. Es war ihr 14. Triumph in Folge – und Jerry Moss, der die Stute einst um 60.000,– Dollar gekauft hatte, durfte sich über einen Siegerscheck von 2,7 Millionen Dollar freuen.

Am Zenit
Damit war – so schien es jedenfalls – der absolute Zenit dessen erreicht, was ein Pferd erreichen kann, und alle erwarteten, dass Zenyatta nach ihrem historischen Sieg in den wohlverdienten Ruhestand und in die Zucht wechseln würde. Doch zur Überraschung vieler verkündete man am 16. Jänner 2010, dass Zenyatta noch eine Rennsaison anhängen und weiter laufen würde. Der Traum ging weiter – es folgten die Siege Nr. 15 im März, Nr. 16 im April und Nr. 17 im Juni. Am 7. August 2010 stellte Zenyatta einen weiteren Weltrekord auf, als sie beim Clement L. Hirsch Handicap in Del Mar ihr achtes Grad 1-Rennen in Folge gewann. Mit ihrem 18. Sieg in Folge zog sie sogar mit dem großen Eclipse gleich – und mit ihrem 19. Triumph zwei Monate später im Hollywood Park brach sie eine weitere historische Marke und wurde mit ihrem 13. Grad 1-Sieg nordamerikanische Rekord-Halterin bei Stuten in Grad 1-Rennen.

Traum und Albtraum
Die USA befanden sich im Ausnahmezustand, als sich am 6. November 2010 Zenyatta daran machte, auch ihr 20. und definitv letztes Rennen ungeschlagen zu beenden. 150.000 Zuschauer – unzählige mit Zenyatta-Plakaten und Transparenten bestückt – stürmten die Ränge, die großen Fernsehstationen, die großen Tageszeitung, alle waren sie gekommen, um ein Stück Sportgeschichte mitzuerleben und einer großen Athletin Tribut zu zollen. Mit einem weiteren Sieg wäre sie das erste nordamerikanische Pferd gewesen, das mit 20 Siegen ungeschlagen in den Ruhestand gegangen wäre – und sie wäre das zweite Pferd gewesen, das einen Sieg im Breeders' Cup Classic hätte wiederholen können. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, alle Herzen schlugen an diesem Tag für sie, doch ausgerechnet in ihrem letzten Rennen ging die Rechnung nicht auf. Nach atemberaubendem Schlussspurt und aufopferndem Kampf unterlag Zenyatta am Ende dem vierjährigen Hengst Blame mit Jockey Garet Gomez um Kopflänge. Und wieder konnte es das Publikum nicht glauben – aber es war wahr: Die Unbesiegbare war geschlagen.

Der große Verlierer
Doch der wahre Geschlagene war Jockey Mike E. Smith, der die Niederlage ganz allein auf seine Kappe nahm, weil er den finalen Sprint wohl um einen Hauch zu spät angetragen hatte. In der Pressekonferenz nach dem Rennen war er nicht mehr als ein Häuflein Elend: „Ich wünschte, ich hätte einige Dinge anders gemacht. Es tut mehr weh, als ich sagen kann, denn es war mein Fehler. Ich habe das Gefühl, dass ich sie im Stich gelassen habe, denn ich saß auf dem besten Pferd – und wenn ich irgendwem etwas vorwerfen müsste, dann bin das einzig und allein ich", meinte der 45-jährige, unter dem Zenyatta 16 ihrer 19 Triumphe erlaufen hatte, kleinlaut und den Tränen nahe. „Sie gehört zu den größten Pferden aller Zeiten – und wenn ich das Rennen heute gewonnen hätte, dann könnte niemand mehr das Gegenteil behaupten. Dass es so knapp war, tut einfach unsagbar weh."

Pferd des Jahres
Jedenfalls in einem Punkt irrte Mike Smith gewaltig: Der Legende der Wunderstute, die in drei Jahren mehr als 7,3 Millionen Dollar gewann, konnte auch die letzte Niederlage nichts anhaben: In den USA genießt sie nach wie vor den Status eines vierbeinigen Popstars – was sich auch an der Tatsache ablesen lässt, dass sie bei der Wahl der Nachrichtenagentur Associated Press zur US-Sportlerin des Jahres zweimal in Folge Platz zwei belegt hat (2009 hinter Tennis-Ikone Serena Williams und 2010 hinter Ski-Star Lindsey Vonn), ein einmaliger Vorgang. Und im Übrigen revanchierte sie sich im Jänner 2011 bei ihrem Widersacher Blame – indem sie ihn mit 128 zu 102 Stimmen bei der Wahl zum ,Pferd des Jahres 2010' auf Platz zwei verwies und erstmals in ihrer Karriere diesen prestigeträchtigen Titel eroberte. So holte sie ihn doch noch – diesen verflixten 20. Sieg...

Eine lebende Legende
Ihr Abschied von den großen Showbühnen des Turf ist nun schon fast fünf Jahre her, doch noch immer nimmt das ganze Land an ihrem Schicksal Anteil, feiert ihre Geburtstage und beobachtet mit Adleraugen, wie sich Zenyattas Nachwuchs, der sich mit schöner Regelmäßigkeit einstellt, entwickelt. Sie hat eine eigene Website (www.zenyatta.com) eine Facebook-Seite mit 385.000 Fans und genießt ihre Frühpension auf der herrlichen William S. Farish's Lane's End Farm in der Nähe von Versailles (Bundesstaat Kentucky). Sie mag die Aufmerksamkeit und die zahlreichen Besucher, posiert höflich und elegant für Erinnerungsfotos und genießt ihre Lieblings-Leckerlis: Süßkartoffeln, Birnen, Pfefferminzbonbons und Guinness-Bier. Sie bevorzugt Starkbier und kennt den Unterschied. So ein Leben als lebende Legende hat schon 'was für sich – in diesem Sinne: Happy birthday, Zenyatta!    Leopold Pingitzer

Dieses Video zeigt Zenyattas letztes Rennen – das Breeders' Cup Classic 2010, in dem sie trotz eines unglaublichen Finishs um Kopflänge verlor...

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