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Schmerz im Pferdegesicht: eine Blickschulung
17.06.2023 / News

Schmerzen, Leid und Qualen werden von jedem Pferd anders verarbeitet und ausgedrückt, so Dr. Reinhard Kaun, der davor warnt, bei der Beurteilung des Schmerzausdrucks einer starren ,Skala' zu folgen und dabei das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren. Er demonstriert anhand eindrucksvoller – und bedrückender – Foto-Beispiele: Pferde leiden nicht nur stumm, sondern auch sehr individuell, aber dem sehenden Auge eines Pferdemenschen erkennbar.


Nahezu im Wochentakt erscheinen unter dem Mäntelchen wissenschaftlicher Studien Veröffentlichungen, die sich mit dem Gesichtsausdruck von Pferden befassen. Es scheint seit einigen Jahren bei „Forschenden aller geschlechtlichen Varianten“ in Mode gekommen zu sein, Schmerz und Leid, Frustration und Enttäuschung eines Pferdes dem Gesichtsausdruck entnehmen zu können:

–  FER – facial expression für ridden horses,
–  Equi FACS – Horse Facial Action Coding System,
–  HGS - Horse Grimace Scale
–  CPS – Composite Pain Scale

sind nur einige der neu formulierten, wissenschaftlich anmutenden  „Fachbezeichnungen“, die – näher betrachtet – alle gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen:

–  Sie basieren auf einer sehr geringen Anzahl untersuchter Pferde (meist einiges unter Hundert, drücken die Ergebnisse aber in Prozenten aus),
–  sie legen der Betrachtung menschliche Emotionen und Gefühlsregungen zugrunde,
–  sie leiten von manchmal absurden Versuchsanordnungen groteske Aussagen ab,
–  sie verallgemeinern in einem unzulässigen Ausmaß und ……..
–  …..kommen – schlussendlich – zur Aussage, „dass alles noch vertiefend untersucht werden müsste, um von einem konkreten Ergebnis sprechen zu können.“

Kaum einer dieser Studien letzter Zeit konnte ich entnehmen, dass begleitend auch zumindest die Puls- und Herzfrequenz, die Anzahl der Atemzüge oder das Verhalten der Körpertemperatur – also der PAT - Werte – bestimmt worden wäre, um eine Korrelation zu Körperfunktionen herzustellen.

Natürlich – und daran möchte der Autor keinen Zweifel lassen – ist Forschung wichtig, aber sie sollte, wenn sie seriös und aussagekräftig sein soll, mit Ergebnissen erst dann an die Öffentlichkeit treten, wenn diese auf Grund einer großen Zahl an Versuchsteilnehmern, eines klaren Designs und klarer Aussagen weitgehend gesichert sind und von anderen Untersuchern bestätigt werden.

Die augenblickliche Situation ist für den „normalen“ Pferdefreund eher verwirrend, für Pferde aber auch nicht ungefährlich, denn: Pferde leiden nicht nur stumm, sondern auch sehr individuell. Schmerzen, Leiden und Qualen werden von jedem Pferd anders verarbeitet und ausgedrückt, die Beurteilung des Schmerzausdrucks nach einer Skala birgt die Gefahr, dass bei Fehlen einzelner Symptome die Gesamtsituation falsch eingeschätzt wird. Ein Pferd, das auf Grund der Dauer und/oder der Intensität seines Leidens „in seinem Schmerz bereits erstarrt ist“ hat kaum mehr Regungen im Gesichtsausdruck.

Gegenwärtig habe ich den Eindruck, dass nicht unwesentliche Teile der „Pferde-Community“ den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen – der Blick für das Wesentliche – das Pferd – scheint manchmal verloren gegangen zu sein, aus Angst, Details  irgendeiner neuen „Studie“ nicht verinnerlicht zu haben.

Pferde leiden stumm, individuell im Ausdruck, aber dem sehenden Auge eines Pferdemenschen erkennbar: Erkennen durch wissendes Sehen und Re-Agieren müssen also die Konsequenzen sein, die vonnöten sind,  um „alltägliche Bilder mit Tierschutzrelevanz“ wie die folgenden von Turnier- und Reitplätzen und Pferdehöfen zu verbannen ...

 

 

 

 

Das letzte Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Fotografin, alle anderen Bilder stammen vom Autor.

Alle dargestellten Aufnahmen zeigen Pferde in Bedrängnis, mit Ungemach, schmerzbehaftet und – dem Gesichtsausdruck folgend – leidend bis gequält.

Diese Bilder haben folgende Gemeinsamkeiten:

–  Die abgebildeten Pferde wurden über einen Zeitraum von zumindest fünfzehn bis dreißig Minuten beobachtet, um die Situation als Zustand zu dokumentieren - die hier dargestellten Aufnahmen entsprechen einem längeren qualvollen Zeitraum und nicht etwa einer ungünstigen oder gar böswilligen „Moment“- Aufnahme.
–  Alle hier dargestellten Pferde wurden zu diesem Zeitpunkt auf Turnieren, anderen pferdesportlichen Veranstaltung oder Reiterhöfen „öffentlich vorgestellt“, unter vermeintlicher Aufsicht von Garanten für Tierschutz wie Turnierrichter, Turniertierärzten, Verbandsbeauftragten oder Reiterhofbetreibern, die in keinem einzigen Fall für Unterbindung gesorgt haben.

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun
http://www.pferd.co.at | http://www.pferdesicherheit.at

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