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Nachtruhe im Stall sorgt für weniger Stress bei Pferden
25.07.2021 / News

Die Nacht im geschützten Stall fördert den Schlaf und führt zu geringerem chronischen Stress bei Pferden, so italienische Wissenschaftler.
Die Nacht im geschützten Stall fördert den Schlaf und führt zu geringerem chronischen Stress bei Pferden, so italienische Wissenschaftler. / Symbolfoto: Archiv

Die Nacht im geschützten, von Umwelteinflüssen weitgehend abgeschirmten Stall zu verbringen fördert den Schlaf und hilft Weidepferden dabei, chronischen Stress abzubauen, berichten italienische Forscher.


Wissenschaftler der Universität Mailand haben über die Ergebnisse einer Studie mit 47 Freizeitpferden berichtet, deren Spiegel des Stresshormons Cortisol im Rahmen einer einjährigen Studie anhand von Haarproben überwacht wurden. Silvia Michela Mazzola und ihre Forscherkollegen stellten in der Zeitschrift Animals fest, dass der Erfüllung der Verhaltensbedürfnisse von Pferden immer mehr Bedeutung beigemessen wird. „Es wächst das Bewusstsein, dass Pferde, die in Einzelboxen gehalten werden, sowohl in ihren sozialen Kontakten als auch ihren Möglichkeiten, natürliche Verhaltensweisen auszuleben, eingeschränkt sind. Aber auch auf der Koppel können viele praktische Faktoren die Lebensqualität der Pferde beeinflussen“, so die AutorInnen.

Die Forscher beschrieben ein Experiment, das sich auf drei Ställe in der Region Gardasee in Norditalien konzentrierte, basierend auf drei verschiedenen Haltungs- bzw. Managementstrategien, die von den Pferdebesitzern gewählt wurden.

In den Ställen 1 und 2 konnten Pferdebesitzer wählen, ob sie ihr Pferd den größten Teil des Tages auf der Weide in Gruppen von etwa zehn Tieren verbringen ließen. Jeden Abend wurden die Pferde wieder in ihre Einzelboxen gebracht, wo sie ihre Heu- und Futterration erhielten und die Nacht verbrachten. Die Autoren bezeichneten diese Pferde als ,Gemischte-Haltungs-Gruppe’ (Gruppe 1).

Alternativ konnten die Pferdebesitzer ihr Pferd auch dauerhaft auf den Koppeln lassen, auch über Nacht. Ansonsten wurden diese Pferde genauso gepflegt wie die gemischte Führungsgruppe. Sie erhielten Heu und Futter und eine ähnliche tierärztliche Versorgung. Diese Pferde bildeten die sogenannte ,Koppelgruppe’ (Gruppe 2).

Die dritte Gruppe wurde von den Prinzipien der naturnahen Haltung inspiriert. Die Pferde lebten in einer Herde auf sechs Hektar Land, Wald und Olivenhainen. Zwei natürliche Teiche ermöglichten Pferden den Zugang zu Wasser. Es gab drei an einer Seite offene Ställe, die den Tieren Unterschlupf boten, und vier Heuraufen wurden weit auseinander verteilt, um die Pferde zum Bewegen zu ermutigen. Probanden, die zusätzliches Kraftfutter benötigten, waren mit einem Computerchip ausgestattet, der vom automatischen Haferspender gelesen wurde, um täglich die individuell richtige Futtermenge zu verabreichen. Diese Pferde bildeten die ,Natur-Haltungs-Gruppe’ (Gruppe 3). Die Pferde aller drei Gruppen waren in Bezug auf Geschlecht und Alter ähnlich strukturiert.

In dem Experiment wurden allen Pferden viermal im Jahr, einmal in jeder Jahreszeit, am selben Tag Haarproben entnommen, anschließend wurden die Haarkortisolkonzentrationen, die als zuverlässiger Marker für langfristigen (chronischen) Stress gelten, im Labor ermittelt und analysiert.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Die Forscher fanden heraus, dass die höchsten Haarkortisolwerte im Herbst und Sommer festgestellt wurden, unabhängig von der verwendeten Haltungsstrategie, und die Werte waren auch bei den älteren Pferden (über 15 Jahre) signifikant höher. Die Cortisolkonzentration im Haar wurde nicht durch das Geschlecht oder die Fellfarbe der Pferde beeinflusst. Der Vergleich der verschiedenen Haltungsstrategien zeigte jedoch, dass im Sommer, Herbst und Winter der Haarcortisolspiegel bei Pferden, die ihre Nachtruhe in der Einzelbox im Stall verbrachten (Pferde der Gruppe 1 – ,Gemischte Haltungs-Gruppe’), signifikant niedriger war.

„Die Nacht im Stall zu verbringen, scheint sich positiv auf das Wohlbefinden der Pferde auszuwirken, und dies könnte zumindest teilweise mit der Schlafqualität zusammenhängen“, so die Erklärung des Studienteams. „Schlaf ist ein wesentlicher Faktor für körperliches Wohlbefinden und optimale geistige Leistungsfähigkeit, insbesondere wenn man bedenkt, dass Pferde als große Beutetiere durchschnittlich nur drei Stunden am Tag schlafen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Stall für Pferde, die den Tag auf der Weide verbrachten, mit sozialer Interaktion und freier Bewegung eine nächtliche Umgebung darstellen könnte, die den Schlaf fördert.“ Die erholsame Nachtruhe im geschützten, von Umwelteinflüssen weitgehend abgeschirmten Stall wäre demnach eine sinnvolle Ergänzung des ganztägigen Weidegangs mit seinen vielfältigen Sozialkontakten und Bewegungsanreizen, die es den Pferden erleichtert, chronischen Stress abzubauen und sich psychisch zu regenerieren.

Pferde, die auf der Koppel bzw. Weide übernachten, könnten hingegen von mehreren Faktoren negativ betroffen sein, so die Wissenschaftler. Dazu gehören etwa das Wetter, die Umgebungstemperatur, Insekten oder Interaktionen mit anderen Pferden. Sie meinten, dass das Fehlen signifikanter Cortisol-Unterschiede im Frühjahr mit dem milden Klima dieser Jahreszeit in dieser besonderen Region Italiens zusammenhängen könnte.

Eine weitere interessante Beobachtung ergab sich durch die Tatsache, dass einige Pferde der ,Gemischte-Haltungs-Gruppe’ während der kältesten Monate durchgehend eine Decke trugen – und dies offenkundig mit einem erhöhten Cortisolspiegel bei diesen Pferden verbunden war: „Obwohl die Anzahl der Probanden begrenzt war, ergab die statistische Analyse, dass diejenigen ohne Decken einen statistisch signifikant niedrigeren Haarcortisolspiegel aufwiesen.“

Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass Pferde die Decke eher als Bewegungseinschränkung denn als thermischen Vorteil erleben würden, da sie keinen besonders anspruchsvollen thermoregulatorischen Herausforderungen ausgesetzt waren. Die Forscher sagten, dass die höheren Cortisolkonzentrationen, die bei Pferden über 15 Jahren gefunden wurden, mit der geringeren Fähigkeit älterer Pferde zusammenhängen könnten, mit Stressoren umzugehen, weshalb ältere Pferde noch sorgfältiger behandelt werden sollten.

Zusammenfassend meinten die Autoren, dass es bei Pferdebesitzern ein wachsendes Bewusstsein dafür gebe, dass das Wohlergehen von Freizeitpferden sehr erheblich mit der Befriedigung ihrer natürlichen Verhaltensbedürfnisse zusammenhängt – und diese Tatsache macht es zunehmend notwendig, diese Fragen auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu untersuchen. „Aus Mangel an wissenschaftlicher Literatur über die Auswirkungen der Haltung auf das Pferdewohl können sich Züchter, Stallmanager und Besitzer derzeit nur auf ihre Erfahrung und den gesunden Menschenverstand verlassen.“

Die Ergebnisse ihrer Studie könnten, wenn sie durch weitere Studien bestätigt werden, nützlich sein, um das Wohlergehen der Pferde zu verbessern und bei der Entscheidungsfindung über das Haltungssystem zu helfen, so das Resümee der Wissenschaftler.

Die Studie „Do You Think I Am Living Well? A Four-Season Hair Cortisol Analysis on Leisure Horses in Different Housing and Management Conditions" von Silvia Michela Mazzola, Carla Colombani, Giulia Pizzamiglio, Simona Cannas, Clara Palestrini, Emanuela Dalla Costa, Alessia Libera Gazzonis, Arianna Bionda und Paola Crepaldi ist am 20. Juli 2021 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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