Ich bin seit mehr als 25 Jahren Pferdejournalist, habe schon einiges erlebt und mich über vieles geärgert oder gewundert. Was aber seit vorgestern auf den Web- bzw. Facebook-Seiten des OEPS und seines offiziellen Organs Pferderevue passiert ist bzw. inszeniert wurde, ist absolut einzigartig – und hätte ich, ehrlich gesagt, in dieser Form auch nicht für möglich gehalten.
Es fing mit der Meldung „Herpes: Situation beruhigt sich" an (auf Facebook gepostet am 20. Juni um 13.07 Uhr), der ich bereits gestern einen Kommentar gewidmet habe und in der klipp und klar gesagt wurde: „Keine weiteren neuen Herpesfälle!" Die Pferderevue apportierte diese Meldung ihres Herausgebers pflichtschuldigst wenig später.
Nur Minuten, nachdem der OEPS seinen Artikel gepostet hatte, kamen erste Zweifel auf, ob denn die gute Nachricht auch tatsächlich stimmt: Mehrere User fragten nach, was denn mit den Herpes-Fällen aus der Steiermark wäre, die bereits am Tag zuvor (19. Juni) von einer Pferdebesitzerin in der populären Druse-Herpes-Gruppe gemeldet worden waren?
Der OEPS antwortete prompt: „Laut unserer Vets gibt es keine bestätigten Fälle in der Steiermark. Darüber sind wir sehr froh, denn wir achten auf alle Meldungen aus allen Bundesländern! Danke fürs Wachsam sein!" Dieses Posting wiederholte – nachdem die kritischen Stimmen nicht verstummen wollten – der OEPS mehrfach. Auch Hinweise auf Stallsperren und Turnierabsagen in der Steiermark und Bedenken, daß diese wohl nicht ohne triftigen Grund passiert wären, wurden selbstbewusst beiseite gewischt – man wusste es besser als alle User. Um 17.13 Uhr wurde nochmals bestätigt: „Noch einmal an alle, die sich Sorgen machen: Danke für eure Aufmerksamkeit! Unsere Vet-Chefin Dr. Constanze Zach hat mit dem uns genannten Tierarzt in Leoben Kontakt aufgenommen: Es gibt dort KEINEN Herpesfall. Und auch in der gesamten Steiermark derzeit nicht! Wir hoffen, dass es so bleibt!"
Auch die Pferderevue sprang dem OEPS zur Seite und teilte ihren Userinnen mit: „Wir haben eben mit dem Österreichischen Pferdesportverband Rücksprache gehalten: Die beiden gemeldeten Fälle in Leoben (St) sind NICHT bestätigt – bei den betroffenen Pferden besteht eine Fiebererkrankung, es handelt sich lt. Tierarztaussage jedoch nicht um Herpes. Bis auf die drei bereits gemeldeten Ställe gibt es in Österreich seit über einer Woche damit keine neuen Herpeserkrankungen!" (20. Juni, 17.29 Uhr). Mit anderen Worten: Es kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf.
Das Problem war aber, daß der OEPS offenbar schlecht recherchiert und mit dem falschen Tierarzt geredet hatte – denn wie sich herausstellte und wie der OEPS gestern auch zugeben musste, gab es sehr wohl einen Herpes-Fall in der Steiermark: In jenem Stall im Bezirk Leoben waren insgesamt sechs Pferde von einer Infektion mit EHV-4 betroffen, das teilte der OEPS in einer Meldung mit dem Titel „Kein Herpes des Typs EHV-1 in der Steiermark" gestern (21. Juni) Abend mit, und die Pferderevue folgte natürlich auf dem Fuß.
Kein EHV-1 also, sondern EHV-4 – aber Herpes! Somit war die Meldung „Herpes: Situation beruhigt sich – Keine weiteren neuen Herpesfälle" ganz klar falsch und in der Sache unrichtig. Es sei denn, man wollte ernsthaft behaupten, EHV-4 sei in Wirklichkeit gar kein Herpes, sondern nur eine Art Schnupfen (auch das würden wir mittlerweile dem OEPS zutrauen).
Wer nun aber geglaubt hat, der OEPS würde diese seine Falschmeldung korrigieren oder sich gar dafür entschuldigen, der kennt den OEPS schlecht. Der macht nämlich niemals etwas falsch – und gibt auch niemals einen Fehler zu, denn der OEPS ist allwissend, allmächtig und unfehlbar. Stattdessen tut man so, als hätte man quasi eh immer nur von EHV-1 gesprochen und jedenfalls EHV-1 gemeint und hat sich halt nur, wie soll man sagen, missverständlich ausgedrückt, wobei das Missverständnis ganz allein auf Seiten der Leser liegt. Es ist ein Schmierentheater, das an Peinlichkeit nicht zu überbieten ist.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Fehler können jedem passieren, selbstverständlich auch uns – und es wäre auch kein Thema, wenn man diesen Fehler schlicht und einfach richtigstellt und im Idealfall noch eine Entschuldigung hinterherschickt. Den besten Medien und den tollsten Journalisten ist das schon passiert. Es ist eine Frage des Charakters und der Glaubwüridgkeit: Wenn man etwas Falsches meldet (und die Meldung „Keine weiteren neuen Herpesfälle" war definitiv falsch), dann hat man dafür geradezustehen und die Verantwortung zu übernehmen. Und man hat sich bei all jenen dafür zu entschuldigen, denen durch die Falschmeldung irgendwelche Nachteile erwachsen sind.
Da wären etwa jene wackeren Facebook-Nutzer, die den OEPS mehrfach auf den steirischen Fall aufmerksam gemacht und dafür nur mit der ewig gleichen Leier („Es gibt keinen bestätigten Fälle in der Steiermark") abgespeist wurden. Vor allem wäre da aber die leidgeprüfte Besitzerin der erkrankten Ponys, die man durch das gebetmühlenartige Wiederholen in Wahrheit verhöhnt hat und den Eindruck provozierte, daß die Frau entweder nicht wüsste, wovon sie redet oder eine Wichtigtuerin, Hysterikerin oder maßlose Übertreiberin sein müsse. Dies hat man jedenfalls, wie es ein Anwalt ausdrücken würde, billigend in Kauf genommen.
Dieser Dame gegenüber hätten sich der OEPS und auch die Pferderevue zu entschuldigen – und das wäre noch das Mindeste. Sie hat alles richtig gemacht, hat die Öffentlichkeit über die Situation in ihrem Stall informiert und andere gewarnt, vorsichtig und aufmerksam zu sein. Sie hat sich in einer schwierigen persönlichen Lage für andere verantwortlich gefühlt, wollte helfen – und steht dafür nun, Dank OEPS und Pferderevue, als Panikmacherin am Pranger. Was für eine kranke, verkehrte Welt!
An eine Entschuldigung für ihre Fehlinformation und deren Folgen denken aber offensichtlich weder OEPS noch Pferderevue – ganz im Gegenteil: Man beschwichtigt munter weiter und betont, wie ungefährlich EHV-4 doch sei: „Bei Herpes dieses Typs beschränken sich die Symptome in der Regel auf Atemwegserkrankungen. Aborte (Fehlgeburten) und neurologische Störungen wie Hinterhandschwäche und Festliegen, wie sie bei EHV-1 vorkommen können, gehören nicht dazu." Mit dieser Argumentation begibt sich der OEPS auf dünnes Eis: Natürlich ist im Allgemeinen eine Infektion mit EHV-1 (insbesondere in seiner neurologischen Form) schwerwiegender als mit EHV-4 – verharmlosen sollte man EHV-4 aber keinesfalls, wie etwa der Website MSD Tiergesundheit zu entnehmen ist. Zwar verlaufen die Symptome meist mild, doch kann EHV-4 bei Fohlen unmittelbar nach der Geburt zu Schwäche und Atemnot und sogar zum Tod führen; bakterielle Sekundärinfektionen können starken Husten, Lungenentzündung und chronische Atemwegserkrankungen verursachen. Das Tierärzte-Handbuch von Merck spricht sogar davon, daß EHV-4 bei trächtigen Stuten in seltenen Fällen zu Aborten führen kann. Pferde, die mit EHV-4 infiziert sind, bleiben ebenfalls ein Leben lang Virusträger, in Stress-Situationen kann sich das Virus reaktivieren und in die Umwelt ausgeschieden werden. Zudem müssen bei Ausbruch einer Infektion die gleichen Vorsichts- und Hygiene-Maßnahmen (Quarantäne etc.) eingehalten werden wie bei EHV-1.
Pferdebesitzer haben also allen Grund, einer EHV-4-Infektion ihrer Pferde ebenso entschieden vorzubeugen und aus dem Weg zu gehen wie einer EHV-1-Infektion. Die Risiken dieser Erkrankung herunterzuspielen ist die nächste Fehlleistung von OEPS und Pferderevue, für die sich diese eigentlich entschuldigen müssten, meint Ihr
Leopold Pingitzer
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