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Absolutes Vertrauen: Morgan Wagner und ihr blindes Pferd Endo
17.02.2016 / News

Endo und seine Besitzerin Morgan Wagner verbindet ein magisches Band der Freundschaft und des Vertrauens.
Endo und seine Besitzerin Morgan Wagner verbindet ein magisches Band der Freundschaft und des Vertrauens. / Foto: Morgan Wagner

Es ist eine Geschichte, die Pferdefreunde auf der ganzen Welt erstaunt, fasziniert und zu Tränen rührt: Das blinde Pferd Endo und seine Reiterin Morgan Wagner verbindet ein magisches Band der Freundschaft und des Vertrauens.

 

Als Morgan Wagner aus Oregon/USA 13 Jahre alt war, bekam sie von ihrer Großmutter ein hübsches Appaloosa-Fohlen namens Endo. Sie waren ein Team vom ersten Moment an, lernten gemeinsam die ersten Lektionen, machten Bodenarbeit und noch vieles andere mehr. Doch im Jahr 2005 wurde von einem Tag auf den anderen Morgan Wagners Leben auf den Kopf gestellt – sie erhielt die Diagnose ,Lupus Erythematodes (SLE)', eine Autoimmunerkrankung, bei der die Zellen des körpereigenen Immunsystems andere Körperzellen angreifen und Entzündungen verursachen. Für Morgan war es ein Schock: „Alles, wovon man als normaler Mensch träumt – eine berufliche Karriere oder eine Familie zu gründen – löste sich in nichts auf." In dieser schweren Zeit war Endo ihr einziger Trost: „Endo war immer für mich da – er war der Grund, warum ich weitermachte."

Im Jahr 2010 wurde die Partnerschaft auf eine weitere harte Probe gestellt: Morgan bemerkte eine Trübung in Endos linkem Auge und brachte ihn zur OSU Tierklinik der Oregon State University in Corvallis. Der diensthabende Tierarzt, Dr. Jaco Mecham, stellte fest, daß Endo an der Equinen Rezidivierenden Uveitis (ERU), besser bekannt als Mondblindheit, litt. ERU ist eine chronische innere Augenentzündung und die häufigste Augenerkrankung bei Pferden weltweit; sie ist durch immer wiederkehrende Entzündungsschübe gekennzeichnet ist und kann bis zur völligen Erblindung führen. Bei Appaloosas kann diese Augenerkrankung aufgrund genetischer Faktoren besonders häufig auftreten.

Dr. Mecham behandelte Endo mit entzündungshemmenden Medikamenten und mit Schmerzmitteln – und konnte damit die Symptome innerhalb weniger Tage deutlich bessern. Doch nach einigen Monaten trat – typisch für die Mondblindheit – ein neuerlicher Entzündungsschub auf, deutlich schlimmer als der erste, und diesmal war das rechte Auge betroffen. Endo musste wieder in die Klinik – und die Behandlung gestaltete sich schwierig. Endo bekam täglich Tabletten, um die schmerzhafte Entzündung in seinem Auge zu bekämpfen, aber er vertrug sie nicht, man musste die Medikamente wieder absetzen. Sein Zustand verschlechterte sich immer weiter, bald waren beide Augen betroffen, seine Sehkraft nahm ab, und die Schmerzen wurden schlimmer und schlimmer.

An irgendeinem Punkt gab es schließlich nur noch einen verzweifelten Ausweg: Morgan und Dr. Mecham beschlossen, ein entzündetes Auge operativ zu entfernen – sechs Monate später war auch das zweite nicht mehr zu retten. Es war eine enorm schwere Entscheidung für Morgan – doch sie sollte sich als die richtige herausstellen: „Er war da, als ich gegen meine Erkrankung kämpfte und lernen und akzeptieren musste, mit ihr zu leben. Und jetzt lag es an mir, ihm in seinem Kampf beizustehen", so Morgan Wagner. Zu keiner Sekunde dachte sie daran, Endo einzuschläfern – sie war entschlossen, ihm zu helfen und ihm wieder das alte Vertrauen und die alte Lebenslust zurückzugeben, soweit das in ihrer Macht stand. Und weil Dr. Mecham dazu riet, die normale Routine so weit wie möglich beizubehalten, saß sie schon am Tag nach der Operation wieder im Sattel.

Dennoch war die erste Zeit der Umstellung schwierig. Morgan: „Am schwersten war es für Endo, seine Balance zu halten. Ohne seine Augen konnte er nun nicht mehr hell und dunkel unterscheiden. Wir mussten lernen, daß es einen großen Unterschied macht, blind zu sein, aber noch Augen zu haben – oder eben nicht. Wir haben Monate darauf verwendet, auf großen Zirkeln im Schritt zu gehen, dann haben wir allmählich das Tempo und den Schwierigkeitsgrad gesteigert, bis er wieder in der Lage war, auf kleinen Zirkeln zu galoppieren", so Morgan Wagner.

Glücklicherweise ist Endo ein äußerst intelligentes Pferd, und er begann, die fehlende Sehkraft mit anderen Mitteln zu kompensieren. Morgan Wagner: „Er hat von selbst herausgefunden, daß der Boden rund um Bäume, Zaunpfosten oder die Reitplatz-Begrenzung leicht ansteigt – und das hilft ihm bei der Orientierung am ganzen Gelände." Mit der Zeit konnte Endo immer mehr seiner früheren Aktivitäten wieder aufnehmen, so etwa Zeit mit seinem Freund Cinnamon auf der Weide zu verbringen oder mit Morgan auszureiten. Erstaunlicherweise hat Endo kaum Probleme damit, sich auf und in der Nähe der Farm zurechtzufinden, er kann sogar der Straße folgen, die rund um die Gebäude führt. Er verlässt sich dabei vor allem auf seinen Geruchssinn und sein Gehör – weshalb ihn auch zwei Dinge nervös machen: sehr laute, anhaltende Geräusche wie das eines Traktors – und Schnee. Morgan Wagner: „Ein Traktor stört seinen Gehörsinn – und der Schnee deckt alle Gerüche zu."

Im Dezember 2013 lernte Morgan eine Disziplin kennen, die sie durch ihre Vielfalt und ihren Abwechslungsreichtum begeisterte – Working Equitation. Weil dabei auch Sprünge zu absolvieren waren, brachte Morgan ihrem Endo in wochenlanger Arbeit bei, auf Kommando zu springen. Die Fortschritte des Paares waren erstaunlich – und das Selbstvertrauen eines Tages so groß, daß man 2014  die Teilnahme an einer Pferde-Show, der Northwest Horse Expo All Breed Challenge in Albany/Oregon, wagte: Die Zuschauer waren fassungslos, als sie hörten, daß der hübsche Appaloosa, der da so präzise, sicher und geschickt durch die Prüfung sauste, vollständig blind war. 2015 folgte ein weiterer magischer Auftritt beim Andalusian World Cup in Las Vegas, wo die beiden in einer Working Equitation-Klasse teilnahmen: Es war eine Demonstration von blindem, absolutem Vertrauen – das Publikum war zu Tränen gerührt, und das Band zwischen Morgan und Endo stärker als je zuvor.

Kein Wunder, daß die Facebook-Seite von Endo & Morgan mittlerweile über 23.000 Fans hat – und daß ihre Anhänger tatkräftig mithelfen, Kurse und Trainingsstunden sowie die aufwendigen Turnier-Teilnahmen mittels Crowdfunding finanziell zu unterstützen – auch das ist mehr als ungewöhnlich. „Endo ist fantastisch", meint auch sein langjähriger Tierarzt Dr. Mecham: „Das Vertrauen, das er Morgan entgegenbringt und das es ihm sogar ermöglicht zu springen, ist einfach unglaublich." Und Morgan Wagner ergänzt: „Er ist einfach ein ganz besonderes Pferd." Und, so dürfen wir ergänzen, gemeinsam sind sie ein ganz besonderes, unglaubliches Paar – und zweifellos eine Inspiration für jeden Pferdefreund auf der ganzen Welt.

Hier geht's zur Facebook-Seite von Endo, wo es viele zauberhafte Fotos und Videos des außergewöhnlichen Paares zu sehen gibt.

Auf diesem Youtube-Video ist der grandiose Auftritt von Endo & Morgan Wagner beim Haras Cup 2015 zu sehen – eine tatsächlich unglaubliche Vorstellung!

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