Schädlingsbekämpfung ohne Insektizide wird auch in Pferdebetrieben immer gefragter. Amerikanische Wissenschaftler haben nun in einem Report auf die vielversprechenden Möglichkeiten dieser Methode beim Kampf gegen lästige Fliegen hingewiesen.
Fliegen sind für Pferd und Reiter nicht nur lästig, sondern auch gefährlich, da sie als Überträger von Bakterien und Krankheitserregern erheblichen gesundheitlichen Schaden anrichten können, immer mehr Pferde reagieren sogar allergisch auf die Stiche oder Bisse bestimmter Insekten. Der Fliegenplage im Pferdestall auch nur einigermaßen Herr zu werden gleicht jedoch einer Sisyphus-Aufgabe – und fast jeder Stallbetreiber zerbricht sich jedes Jahr aufs neue den Kopf darüber, was er denn noch ausprobieren könnte, um die fliegenden Schädlinge von Haus, Hof und Stall zu vertreiben oder zumindest ihre Zahl einzudämmen. Insektizide versprechen zwar schnelle Hilfe, aber ebenso schnell kommt es auch zur Resistenzbildung bei den Insekten – und zu einem unerwünschten Teufelskreis (immer höhere Dosis, immer stärkere Resistenz etc.). Sich ohne Chemie gegen die Plagegeister zu wehren, ist zwar möglich – etwa mit Klebefallen, Fliegenvernichtern, Fliegenfallen, insektenvertreibenden Pflanzen etc. – bringt aber meist nur punktuelle Erfolge.
Kein Wunder also, daß es auch und gerade in Pferdebetrieben ein immer größeres Interesse an natürlicher, biologischer Schädlingsbekämpfung gibt, insbesondere gegen die omnipräsenten Stuben- und Stallfliegen (Wadenstecher). Das Problem: Das Wissen über die spezifischen Probleme und Anforderungen derartiger Bekämpfungsmaßnahmen für Pferdebetriebe ist noch gering – und meist schwer zugänglich. Die Forschung dazu hat sich bisher auf andere landwirtschaftliche Sparten konzentriert, etwa die Vorratswirtschaft oder auf Rinder-, Schweine- und Geflügelbetriebe, während für Reit- und Zuchtställe kaum spezielle Empfehlungen existieren.
US-amerikanische Wissenschaftler haben sich dieses Themas angenommen und die bislang verfügbaren Erkenntnisse dazu in einem Report zusammengefasst, der vor wenigen Tagen im ,Journal of Integrated Pest Management' erschienen ist. Sie haben sich insbesondere auf die Bekämpfung von Insekten-Spezies konzentriert, die in Pferdebetrieben massenhaft vorkommen und dort eine wahre Plage darstellen – nämlich die Stubenfliege (Musca domestica) und die Stallfliege bzw. den Wadenstecher (Stomoxys calcitrans). Diese finden im Pferdemist, wie er in Boxen, Weiden und auf Misthaufen fortlaufend in beachtlicher Menge anfällt, nahezu ideale Bedingungen für die Eiablage vor – und vermehren sich nach Herzenslust: In den Sommermonaten legen etwa die Weibchen der Stubenfliegen bis zu 400 Eier pro Eiablage – und das mehrere Male während ihres kurzen Lebens. Bei optimalen Lebensbedingungen sind bis zu 15 Generationen pro Jahr möglich – man kann sich leicht ausrechnen, welche gewaltigen Schwärme auf diese Weise entstehen...
Schlupfwespen gegen die Fliegenplage
Eine natürliche biologische Methode, der ungebremsten Vermehrung Einhalt zu gebieten, stellt die Bekämpfung durch sogenannte ,parasitoide Insekten' wie etwa die Schlupfwespe dar. Die weiblichen Schlupfwespen bohren dabei ein Loch in die Fliegen-Puppen und legen dort ihre Eier ab. Die aus dem Ei geschlüpften Wespenlarven ernähren sich von den Fliegen-Puppen und vernichten sie dadurch. Schlupfwespen sind sehr klein (3 mm) und für Menschen und Tiere weder lästig noch gefährlich.
Die US-Wissenschaftler rund um Erika T. Machtinger haben in ihrer Untersuchung recherchiert, welche Schlupfwespen-Arten in der biologischen Schädlingsbekämpfung in den USA kommerziell eingesetzt werden – und welche davon sich für die speziellen Erfordernisse von Pferdebetrieben eignen. Von sechs untersuchten Schlupfwespen-Arten blieben am Ende zwei übrig, die für Pferdebetriebe in Betracht kommen: Es sind dies die Arten ,Spalangia' (z. B. Spalangia cameroni) sowie ,Muscidifurax' (z. B. Muscidifurax raptor), wobei sich letztere noch besser für die Verwendung in Rinderbetrieben eignen. Erika Machtinger: „Wir haben in Laborversuchen herausgefunden, daß die von uns getestete Spezies ,Muscidifurax' Rinderdung bevorzugt, während für ,Spalangia' offenkundig Pferdemist anziehender ist – das wäre auch schon eine erste Differenzierung, die das Schädlings-Kontrollprogramm auf einem Betrieb beeinflussen könnte."
Die Wahl der richtigen Parasitoiden-Art ist ein erster wesentlicher Schritt bei der biologischen Schädlings-Bekämpfung, so die Forscher. Ein weiterer ist es, die Parasitoiden in der passenden Anzahl, zum richtigen Zeitpunkt – beginnend vor der Fliegen-Saison – sowie in der passenden Frequenz auf seinem Betrieb anzusiedeln bzw. auszustreuen. Mangels wissenschaftlicher Studien über empfehlenswerte Mengen und Frequenzen auf Pferdebetrieben ist es sinnvoll, die Angaben bzw. Empfehlungen des Herstellers zu beherzigen, die meist auch die Erfahrungswerte von Kunden miteinbeziehen. Auch die Transport-Bedingungen sind ein wichtiger Punkt, um größere Populations-Verluste während der Zustellung auszuschließen. Und man sollte auch sicherstellen, daß man bei der Lieferung auch tatsächlich Zuhause ist, um längere Warte- oder Lagerzeiten zu vermeiden.
Die Forscher zusammenfassend: „Die biologische Bekämpfung von Stallfliegen mittels parasitoiden Insekten bietet die Möglichkeit, die Fliegenpopulationen auf Pferdebetrieben effektiv zu reduzieren – wie dies bereits bei anderen Tierarten Praxis ist. Es ist jedoch wichtig darauf hinzuwiesen, daß der Einsatz dieser biologischen Schädlings-Bekämpfer keine kurzfristige Lösung ist, einer Fliegenplage Herr zu werden; vielmehr muss die Freisetzung derartiger Parasitoiden sorgfältig überlegt und an die jeweilige örtliche Situation angepasst erfolgen und durch ein entsprechendes Management zur Entsorgung des Pferdemists ergänzt werden. Mit sorgsamer Planung und Vorbereitung können Pferdehalter die Parasitoiden jedoch als umweltfreundliche Methode einsetzen, die Fliegenplage und die damit verbundenen Risiken für Mensch und Pferde einzudämmen. Die Betriebsbesitzer sollten ermutigt werden, ihre Erfahrungen mit anderen Stallbetreibern, aber auch mit Tierärzten und den Lieferanten von Parasitoiden zu teilen, sodaß alle zusammen vom Wissen und den Erfahrungen anderer profitieren können und gemeinsam lernen, wie man die biologischen Kontrollmaßnahmen am besten in das praktische Haltungs-Management integrieren kann."
Nicht zuletzt ist auch die Pferdeindustrie aufgerufen, diesbezügliche Forschungsprojekte und Studien noch stärker zu fördern und zu unterstützen – dann könnten in Zukunft noch bessere und effektivere Empfehlungen für den Einsatz von Parasitoiden gegeben werden. Man wird sehen, ob die Industrie diesem Aufruf folgt.
Ein Tipp: Auch im deutschsprachigen Raum gibt es Anbieter von Schlupfwespen für die biologische Schädlingsbekämpfung, die sich auch für den Einsatz auf Pferdebetrieben eignen – so etwa die Firma Bega-Tierzuchtbedarf, nähere Infos dazu gibt's hier!
Das Dossier ,Use of Pupal Parasitoids as Biological Control Agents of Filth Flies on Equine Facilities' von Erika T. Machtinger, Christopher J. Geden, Phillip E. Kaufman, Amanda M. House ist am 23. September 2015 im ,Journal of Integrated Pest Management' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.