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Nasenbremsen – pro und kontra
03.10.2015 / News

Hier eine sogenannte Oberlippen-Strickbremse im tierärztlichen Einsatz.
Hier eine sogenannte Oberlippen-Strickbremse im tierärztlichen Einsatz. / Foto: Garner Equine

Eine aktuelle Studie der Universität von Michigan hat untersucht, wie Pferde auf die Anwendung einer Nasenbremse reagieren und welche Veränderungen dabei beim Pferd und seinem Verhalten zu beobachten sind.

 

Nasenbremsen wurden schon in der Antike eingesetzt und sind auch heute noch in Verwendung, um das Pferd bei bestimmten Maßnahmen (z. B. Hufbeschlag, tierärztliche Behandlungen) oder unangenehmen Prozeduren ruhig zu stellen. Damit soll nicht zuletzt sichergestellt werden, daß das Pferd während dieser Prozeduren nicht sich selbst oder andere beteiligte Personen gefährdet oder verletzt. Unter Reitern und Pferdebesitzern wird die Verwendung einer Nasenbremse durchaus kontrovers gesehen – während die einen keinerlei Bedenken bei der Anwendung haben, sehen andere diese Ruhigstellungs-Maßnahme kritisch, sie sei für das Pferd mit Stress oder gar mit Schmerz verbunden und daher abzulehnen.

Um beurteilen zu können, wie eine Nasenbremse tatsächlich auf das Pferd wirkt und welche Veränderungen sich bei wichtigen physiologischen Parametern (z. B. Herzfrequenz) und beim Verhalten dadurch ergeben, führte ein Forscherteam der Michigan State University rund um Ahmed Ali eine Untersuchung durch, die bei der diesjährigen Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES) Anfang August in Vancouver mündlich präsentiert wurde.

Im Rahmen der Studie wurden acht Araber-Pferde (vier Stuten, vier Wallache) einer unangenehmen Prozedur ausgesetzt – nämlich dem Stutzen der Haare an der Ohren-Innenseite – und das jeweils mit und ohne Nasenbremse. Die Pferde hatten zuvor keinen der beiden Vorgänge (Ohrenhaare stutzen bzw. Nasenbremse anlegen) jemals erlebt – beides war für sie also völlig neu. Nach dem Zufallsprinzip wurden den Pferden die Ohrenhaare gestutzt, einmal mit und einmal ohne Nasenbremse. Danach wurde jedes Pferd noch ein zweites Mal unter Anwendung der Nasenbremse gestutzt. Das Forscherteam analysierte detailliert das Verhalten der Pferde sowie wesentliche physiologische Parameter wie Herzschlag, Herzschlagvariabilität (also Änderungen der Herzschlagrate) und natürlich die Zeit, die das Haare-Stutzen beanspruchte.

Pferde ohne Nasenbremse zeigten dabei die höchsten Herzschlagraten und die niedrigste Herzschlagvariabilität – beides sind klare Indikatoren für eine große Stressbelastung – und sie zeigten auch die meisten ablehnenden Verhaltensweisen (wie z. B. heftiges Kopfschütteln). Zudem dauerte bei ihnen das Haare-Stutzen am längsten – deutlich länger als im Vergleich zu den Pferden mit Nasenbremse.

Die Pferde mit Nasenbremse zeigten deutlich weniger abwehrende Verhaltensweisen, ihre Herzschlagrate war niedriger, was auf verminderte Stressbelastung schließen lässt – und nach der zweiten Anwendung der Nasenbremse entsprachen sämtliche Werte nahezu den Basismessungen vor der Prozedur.

Interessanterweise zeigte sich beim zweiten Anlegen der Nasenbremse keinerlei abwehrendes oder ablehnendes Verhalten und auch keine erhöhte Herzschlagrate – was zu erwarten gewesen wäre, wenn die Pferde die Nasenbremse beim ersten Mal als unangenehm oder gar schmerzhaft empfunden hätten. Dies war offenbar nicht der Fall.

Wie auch schon bei früheren Studien zu Nasenbremsen bestätigte sich auch in dieser Untersuchung, daß Nasenbremsen tatsächlich eine schmerzlindernde (analgetische) Wirkung haben, wie sie auch bei bestimmten Akupunktur-Behandlungen nachweisbar ist. Die Forscher abschließend: „Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studie sind wir der Ansicht, daß Nasenbremsen – fachlich korrekt angewendet – eine praktikable und schonende Beruhigungsmaßnahme für kurzfristige Behandlungen darstellt. Dies soll jedoch nicht als Ermutigung angesehen werden, eine Nasenbremse als Ersatz für ein sorgfältiges Training zu verwenden."

Hintergrund
Obwohl Nasenbremsen oder ,Rossbremsen', wie man sie früher nannte, bereits seit vielen Jahrhunderten beim Pferd angewendet werden, weiß man erst seit relativ kurzer Zeit über den genauen Wirkungsmechanismus Bescheid. Nach neueren Erkenntnissen bewirkt der von der Nasenbremse ausgehende Druck auf die Oberlippen-Region die Ausschüttung von sogenannten Endorphinen, also körpereigenen Hormonen mit stark schmerzstillender Wirkung, wie sie auch durch die Stimulierung bestimmter Akupunktur-Punkte freigesetzt werden. Das Anlegen einer Nasenbremse ist für das Pferd mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Stress verbunden – ob es auch an sich schmerzhaft ist, bleibt strittig: Dr. Dorothea Schelp geht in ihrer Dissertation aus dem Jahr 2000 davon aus, daß der durch das Anlegen der Bremse ausgelöste Schmerz vom Pferd vermutlich nur vermindert oder auch gar nicht wahrgenommen wird.

Auch die „Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V." (TVT) hat sich vor einigen Jahren mit der Nasenbremse beschäftigt und ist dabei zum Schluss gekommen, daß eine Nasenbremse ausschließlich in der Form der Oberlippen-Strickbremse vertretbar ist, sofern sie fachlich korrekt angewendet wird. Völlig unakzeptabel sind aus tierschutzrechtlichen Gründen sämtliche Systeme mit zu dünnen Stricken oder Schnüren, mit Metallketten, Zangenbremsen und alle Bremsen, die am Halfter fixiert werden. All diese Systeme können zu erheblichen Schmerzen, Verletzungen und dauerhaften Gewebeschädigungen führen und sind daher strikt abzulehnen.

Das Resümee der TVT: „Der Einsatz der Nasenbremse muss auf o. g. sachkundige Personenkreise (wie Tierärzte, Tierpfleger, Hufschmiede, Pferdewirte etc.) beschränkt bleiben, damit fachkundig entschieden werden kann, welche Maßnahme in der jeweiligen Situation für das Pferd am sinnvollsten ist. Ein unnötiger oder unnötig langer Einsatz der Nasenbremse ist aus Tierschutzgründen abzulehnen, genauso die Anwendung durch Laien, nicht zuletzt wegen der bei unsachgemäßer Anwendung bestehenden Verletzungsgefahr für Mensch und Tier."

Das vollständige Merkblatt der TVT zum Thema Nasenbremse kann man hier nachlesen.

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