Amerikanische Forscher haben untersucht, wieso sich Zebras – im Gegensatz zu Hauspferden – niemals domestizieren ließen und bis heute zum Menschen lieber auf Distanz bleiben.
Zebras gehören zwar zur Familie der Pferde (Equidae) und sind – zoologisch betrachtet – enge Verwandte unserer Hauspferde, doch neben vielen gemeinsamen Eigenschaften, etwa dem ausgeprägten Fluchtinstinkt, gibt es einen bemerkenswerten Unterschied: Zebras lassen sich bis heute nicht domestizieren oder zähmen und sind Menschen gegenüber äußerst distanziert. Zebras zeigen im allgemeinen ein sehr aggressives Verhalten, insbesondere wenn es darum geht, ihr eigenes Territorium zu verteidigen. Bislang führten Wissenschaftler die natürliche Aggressivität von Zebras auf ihren ausgeprägten Überlebensinstinkt und ihre zahlreichen Freßfeinde in der afrikanischen Steppe wie Löwen, Hyänen und Leoparden zurück. Können Zebras nicht rechtzeitig die Flucht ergreifen, sind sie äußerst wehrhaft und verteidigen sich mit heftigen Bissen und Tritten gegen ihre Angreifer – oft genug mit Erfolg, denn sogar Löwen nehmen sich vor den Hinterhufen von Zebras in Acht.
Das aggressive Verhalten von Zebras könnte aber nicht nur auf die Gefahr durch vierbeinige Fleischfresser, sondern auch auf den Menschen zurückzuführen sein – das jedenfalls meinen amerikanische Wissenschaftler in einer neuen Untersuchung. Ihre Hypothese: Die Vorsicht gegenüber Menschen könnte eine evolutionäre Anpassung der Zebras sein, um sich vor den giftigen Pfeilen des Menschen zu schützen, die – wie urzeitliche Funde belegen – seit mindestens 24.000 Jahren bei der Jagd eingesetzt wurden.
Wie Richard Coss und Alexali Brubaker ausführen, ist die Angst vor menschlichen Jägern seit Jahrtausenden tief in der Psyche der Zebras verankert und ein wesentlicher Faktor ihrer natürlichen Wildheit. Die Wissenschaftler untersuchten das Fluchtverhalten von Wildpferden in den USA (Nevada und Kalifornien) sowie von Steppenzebras in Afrika bei der Annäherung eines Menschen zu Fuß. Gemessen wurde, bei welcher exakten Distanz die jeweiligen Tiere die Flucht ergreifen (Fluchtdistanz/FID = flight initiation distance) – und zwar in Gebieten mit sehr niedriger sowie mit hoher menschlicher Frequenz, in denen also Begegnungen zwischen Mensch und Pferd bzw. Zebra sehr selten oder eben häufiger stattfinden.
Die durchschnittlich gemessene Flucht-Distanz in Gebieten mit niedriger menschlicher Frequenz lag auf einem ähnlich hohen Niveau – sie betrug bei Wildpferden 146 m und bei Zebras 106 m. Erheblich größer waren die Unterschiede in Gebieten mit hoher menschlicher Frequenz: Hier ergriffen die Wildpferde erst die Flucht, als sich der Mensch bis auf 17 m angenähert hatte – Zebras suchten jedoch schon bei 37 m das Weite, also bei mehr als der doppelten Fluchtdistanz. Interessanterweise ist dies auch genau jene Distanz, die gerade noch außerhalb der effektiven Reichweite vergifteter Pfeile liegt.
Die Entdeckung, daß Wildpferde in menschenarmen Gebieten ebenso früh wie Zebras (in den gemessenen Versuchen sogar noch früher) die Flucht vor dem Menschen antreten, hat die Forscher durchaus überrascht: „Dies zeigt, daß Pferde ihre große Vorsicht vor aufrechten, sich annähernden Gestalten nicht verloren haben, die – aus großer Entfernung betrachtet – gefährliche Raubtiere sein könnten." Ein weiteres Ergebnis: „Die Entdeckung, daß sich Steppenzebras niemals so vollständig an den Menschen gewöhnt haben wie Pferde könnte eine Anpassung an ihre jahrtausendealten Jagderfahrungen im afrikanischen Busch sein und ihren Widerstand gegenüber der Domestikation zumindest teilweise erklären", so die Wissenschaftler abschließend.
HINTERGRUND
In der Geschichte gibt es nur ganz wenige Beispiele, in denen es gelungen ist, ein Zebra zu zähmen und zum Partner des Menschen zu machen. Das wohl berühmteste, historisch jedoch einzigartige Beispiel einer solchen Zähmung gelang dem Bankier und Zoologen Lionel Walter Rotschild, der vier Zebras vor seine Kutsche einspannen ließ. In jüngster Zeit machte die US-amerikanische Tiertrainerin Sammi Jo Stohler mit dem Zebra Zack auf sich aufmerksam, die ihren gestreiften Vierbeiner sogar ohne Sattel und über Sprünge reiten konnte. Doch derartige Leistungen bleiben Ausnahmen – eine nachhaltige Domestizierung ist beim Zebra, im Gegensatz zum Hauspferd, nie gelungen.
Die Studie „Evolutionary Constraints on Equid Domestication: Comparison of Flight Initiation Distances of Wild Horses (Equus caballus ferus) and Plains Zebras (Equus quagga)" von Alexali S. Brubaker und Richard G. Coss ist im Journal of Comparative Psychology am 7. September 2015 erschienen und kann in einer kurzen Zusammenfassung hier nachgelesen werden.