Der international gefeierte Bildhauer Jason deCaires Taylor hat einen aufrüttelnden Beitrag zum Kunst-Festival ,Totally Thames 2015" geliefert: Vier apokalyptische Reiter, die jeden Tag am Südufer der Themse von der Flut verschlungen werden.
Der Brite Jason deCaires Taylor – aufgewachsen in Europa und Asien – zählt zu den bemerkenswertesten und zweifellos auch spannendsten Künstlern unserer Tage. Der passionierte Taucher und preisgekrönte Unterwasserfotograf studierte Skulptur an der University of Arts in London und erlernte danach die Kunst der traditionellen Steinbildhauerei. Im Jahr 2006 hatte er die Idee, Betonskulpturen zu erschaffen und diese im Meer zu versenken, um künstliche Riffe zu erzeugen – heute zählt der von ihm kreierte, weltweit erste Unterwasser-Skulpturenpark an der Westküste von Grenada zu den erstaunlichsten Kunstwerken der Gegenwart und wird von der Zeitschrift ,National Geographic' unter den 25 größten Wundern dieser Welt gelistet.
Sein jüngstes Projekt – und übrigens das erste in seiner Heimat Großbritannien – heißt „The Rising Tide" („Die steigende Flut") und wurde Anfang September in London enthüllt. Es ist eine spektakuläre Installation, die im Rahmen des Kunst-Festivals ,Totally Thames 2015' noch bis Ende September am Südufer der Themse zu bestaunen ist. Vier mächtige, über 3 m hohe Pferd-Reiter-Skulpturen symbolisieren die apokalyptischen Reiter, die Boten des drohenden Untergangs. Ihre dramatische Wirkung bezieht die Installation aus dem Umstand, daß sie nur rund zwei Stunden am Tag während der Ebbe vom Land aus zu sehen ist, ehe sie die allmählich steigende Flut Stück für Stück verschlingt – und uns so die Folgen des Klimawandels und des Anstiegs der Meerespegel eindringlich vor Augen führt.
Jedes der vier Pferde trägt anstelle seines Kopfes ein Segment einer Ölpumpte (das in der Fachsprache tatsächlich ,Pferdekopf' heißt, weil es die Form eines solchen hat) – ein Hinweis auf die Anfänge der Industrialisierung und die Gewinnung fossiler Brennstoffe, die bis heute entscheidend zum Klimawandel beitragen. Zwei Pferde werden von Männern mittleren Alters in Anzügen geritten – es mögen Politiker, Banker oder Geschäftsleute sein – die ungerührt und teilnahmslos in die Ferne blicken, während ihre Pferde ,grasen', also weiter die Erde aussaugen. Sie symbolisieren die Macht des Kapitals und der Wirtschaft, welche die Ausbeutung der Erde gnadenlos und ungerührt vorantreibt.
Auf den beiden anderen Pferden sitzen zwei Kinder – ein Mädchen und ein Junge. Sie sind die nächste Generation, und auch wenn ihre Pferde nicht mehr ,grasen', also nicht mehr zur Ausbeutung des Planeten beitragen, sind sie dem Untergang geweiht: Gleichsam unschuldig verurteilt, können sie dem Anstieg der Flut nur noch traurig und ohnmächtig zusehen, ohne ihn beeinflussen oder gar aufhalten zu können. Es ist ein bedrückendes Schauspiel, das sich Besuchern täglich bietet, wie die Flut langsam anschwillt und am Ende Mensch und Tier, Kinder und Erwachsene unter sich begräbt.
Der Kampf gegen die Zerstörung der Natur und gegen die Folgen des Klimawandels sind zentrale Motive in der Arbeit von deCaires – und auch ,The Rising Tide' ist diesen Zielen verpflichtet. Seine Unterwasser-Museen sind einzig für den Zweck errichtet, Taucher von den zerbrechlichsten und sensibelsten Teilen der kostbaren Korallenriffe fernzuhalten. „Ich engagiere mich für Natur- und Umweltschutz – der Klimawandel mit all seinen Folgen und die derzeitige Gefährdung der Ozeane erfüllen mich mit großer Sorge", so Taylor über seine Beweggründe.
Taylor wollte mit ,The Rising Tide' nicht zuletzt ein politisches Statement abgeben – vor allem auch mit dem besonderen Standort seiner Skulpturen am Südufer der Themse, in Sichtweite zum britischen Parlament: „Ich mag die Idee das die Skulpturen genau im Blickfeld jenes Ortes liegen, wo soviele Politiker und Leute, die zum Klimawandel beitragen, arbeiten und diese verheerende, umweltfeindliche Politik mittragen", so deCaires gegenüber der Tageszeitung ,The Guardian'. „Ich wollte dieses einprägsame Bild darstellen, das einen Politiker vor dem Parlament zeigt, der die Welt ignoriert, obwohl sie gerade rund um ihn untergeht."
Eine starke Botschaft – und eine faszinierende, aufrüttelnde Kunst-Installation, die man noch bis 30. September am Südufer der Themse bewundern kann. Zu besichtigen ist ,The Rising Tide' in Vauxhall, neben dem Camelford House, Albert Embankment 87-90, SE1 7TW.
Über die Arbeit von Jason deCaires Taylor kann man sich ausführlich auf seiner Website www.underwatersculpture.com sowie auf seiner Facebook-Seite informieren.