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Wieviele Pferde gibt es in Europa – und wer schützt sie?
14.06.2015 / News

Pferde sind Teil der europäischen Identität – dennoch nimmt die europäische Gesetzgebung kaum auf sie Rücksicht, so die Studien-Autoren.
Pferde sind Teil der europäischen Identität – dennoch nimmt die europäische Gesetzgebung kaum auf sie Rücksicht, so die Studien-Autoren. / Foto: Irene Gams
Diese Statistik zeigt den Pferdebestand der 28 EU-Mitgliedsländer – über Details kann man wohl diskutieren, doch die Gesamtzahl von 7 Millionen Equiden ist zweifellos realistisch.
Diese Statistik zeigt den Pferdebestand der 28 EU-Mitgliedsländer – über Details kann man wohl diskutieren, doch die Gesamtzahl von 7 Millionen Equiden ist zweifellos realistisch. /

Zu diesen Fragen gibt es nun einen ausführlichen Report der Organisationen ,Eurogroup for Animals' und World Horse Welfare: Sie haben in einer aufwendigen Recherche erstmals den EU-weiten Pferdebestand erhoben – und spannende Zahlen und Fakten ermittelt.

 

Der Report der beiden Tierschutzorganisationen ist vor wenigen Tagen unter dem Titel ,Removing the Blinkers: The Health and Welfare of European Equidae in 2015* (,Weg mit den Scheuklappen: Die Gesundheit und das Wohl der europäischen Equiden im Jahr 2015') erschienen und verdient zweifellos Anerkennung. Der grundsätzliche Ansatz: Immer mehr relevante gesetzliche Entscheidungen, die Tiere bzw. den Tierschutz betreffen, fallen heute auf europäischer Ebene – doch gerade auf europäischer Ebene ist die Pferdewirtschaft nahezu unsichtbar. Kaum jemand in den europäischen Institutionen weiß verlässlich darüber Bescheid, wieviele Pferde es überhaupt in der EU gibt, wie sie eingesetzt und gehalten werden und mit welchen Problemen sie konfrontiert sind. Diese riesige Informationslücke versucht der nun vorliegende Report zu füllen – kämpft dabei aber, zumindest in einigen Bereichen, selbst mit dem Problem von unzureichender Information bzw. mangelhaften Quellen.

Das fängt schon bei der einfachen Frage an, wieviele Pferde es überhaupt in den 28 EU-Mitgliedsstaaten gibt. Hier geben die Autoren des Reports freimütig zu, daß nur höchst ungenaue Zahlen und Schätzungen über die genaue Größe der nationalen Pferdepopulationen aufzutreiben waren – und das, obwohl bereits seit 1. Juli 2009 die EU-Verordnung 504/2008/EG in Kraft ist, die eine europaweit obligatorische Kennzeichnung und Identifikation aller Equiden (also Pferde, Ponys, Esel, Maultiere, Maulesel und Zebras) und auch die Einführung von nationalen Datenbanken zur Speicherung dieser Daten vorsieht. Theoretisch müsste der exakte Equiden-Bestand eines Landes also quasi auf Knopfdruck abrufbar sein – doch soweit ist man auch sechs Jahre nach Einführung der berühmten Verordnung noch nicht. „Zahlreiche Mitgliedsstaaten haben keine Daten übermittelt – und andere haben sehr unterschiedliche Zahlen geschickt", heißt es. So half man sich notgedrungen mit einem Trick aus Patsche – man veröffentlichte sowohl die niedrigste als auch die höchste Schätzung und nahm am Ende den mathematischen Mittelwert aller abgegebenen Angaben.

Diese Methode dürfte nicht schlecht funktioniert haben – so ist die Zahl von 103.250 Equiden für Österreich zweifellos realistisch (und deckt sich weitgehend mit jener Zahl, die auch die zentrale Pferdedatenbank des Gesundheitsministeriums angibt). Für insgesamt elf Länder wurden die Angaben von FAOSTAT – der statistischen Abteilung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen – übernommen. Zwei Länder sorgen jedoch für einiges Erstaunen – nämlich die überraschend hohe Pferdezahl von Rumänien (728.814) sowie die überraschend niedrig geschätzte Pferdezahl von Deutschland (480.500). Inzwischen soll, wie mehrere Quellen meinen, der Pferdebestand Rumäniens in Folge der jahrelangen Wirtschaftskrise bereits deutlich unter 600.000 gefallen sein. Auf der anderen Seite schätzt die Deutsche Reiterliche Vereinigung, zweifellos eine zuverlässige und glaubwürdige Quelle, den Pferdebestand in Deutschland auf etwa 1 Million Tiere – mehr als das Doppelte der im Report angegebenen Zahl. Damit wäre auch Deutschland – und nicht Frankreich – das pferdereichste Land Europas (siehe Tabelle), gefolgt von Großbritannien. Im Verhältnis zur Bevölkerung ist übrigens Belgien das pferdereichste Land – hier kommen auf 1.000 Einwohner beachtliche 47 Pferde, während im relativ gesehen pferdeärmsten Land, der Slowakei, auf 1.000 Einwohner nur ein Pferd kommt.

Insgesamt leben in den EU-Mitgliedsstaaten 6,99 Millionen Pferde – und auch die weiteren Eckdaten des Reports sind eindrucksvoll: Die Pferdebranche setzt EU-weit rund 100 Milliarden Euro um und beschäftigt insgesamt 896.000 Menschen. Eine weitere imposante Zahl: Zumindest 2,6 Millionen ha Landfläche werden in der EU im Zusammenhang mit Pferden genutzt und bewirtschaftet.

Diese Zahlen allein sollten in den europäischen Institutionen für Aufmerksamkeit sorgen und allen Beteiligten klar machen, daß im EU-weiten Pferdesektor eine enorme Wirtschaftskraft und großes ökonomisches Potential schlummert – und daß es Sinn macht, die Rahmenbedingungen für diesen Wirtschaftszweig auf europäischer Ebene zu gestalten und zu vereinheitlichen. In diesem Sinn enthält der Report auch eine Vielzahl an Wünschen und Empfehlungen an die diversen europäischen Institutionen, allen voran die Europäische Kommission. Hier nur eine kleine Auswahl:

– Die Europäische Kommission sollte eine umfassende Untersuchung über den ,Wirtschaftsfaktor Pferd' in all seinen Facetten in Auftrag geben und sämtliche ökonomischen, aber auch sozialen Auswirkungen des Pferdes untersuchen.

– Die Europäische Kommission soll die rechtliche Basis für eine arten-spezifische Gesetzgebung zum Wohl aller Equiden schaffen. In vielen Ländern ist die gesetzliche Situation weitgehend zufriedenstellend – aber es gibt auch Ländern, in denen Equiden durch die gängigen juristischen Raster schlüpfen, die meist entweder auf landwirtschaftliche Pferdehaltung oder auf die Haltung von Pferden als Haustiere abgestimmt sind.

– Generell muss dem Wohl des Pferdes sowohl im Freizeit- als auch im Leistungssport die gleiche Aufmerksamkeit seitens der Gesetzgeber geschenkt werden wie der Sicherheit der Reiter. Begleitend zu entsprechenden Gesetzen muss ein System entwickelt werden, in dem Pferdebesitzer und Pferdehalter leichteren Zugang zu pferdespezifischem Wissen über Haltung, Gesundheit und Pflege ihrer Pferde bekommen.

– Wie schon die mühsame und unsichere Beschaffung der Pferdebestandszahlen zeigt, ist das derzeitige europäische System zur Kennzeichnung und Identifikation von Equiden fehleranfällig und nur eingeschränkt funktionsfähig – hier muss es eine striktere Vollziehung und Überwachung der geltenden Regelungen geben. Insbesondere wird empfohlen, die Zahl der Pferdepass-ausstellenden Institutionen in jedem Land deutlich zu reduzieren.

– Um das Wohl der Pferde zu garantieren und Miffbrauch sowie Fehlverhalten effizient zu unterbinden, sollte in EU-Schlachthöfen eine verpflichtende Videoüberwachung eingeführt werden. Zudem sollten durch autorisierte EU-Institutionen unangekündigte Inspektionen in zertifizierten EU-Schlachthöfen durchgeführt werden.

Abschließend heißt es im Report: „Die Pferdewirtschaft sollte eine Quelle des Stolzes für die EU sein – und sie spielt in der Tat eine wichtige Rolle in der Zucht, im globalen Sport und im Rennsport. Gesunde Pferde, die sich wohlfühlen, bringen sowohl ihren Besitzern als auch der EU insgesamt Nutzen und Gewinn. Die natürlichen Bedürfnisse von Equiden dürfen niemals vergessen werden – ob sie nun in hochkarätigen Events auftreten oder als Freizeitpartner, als Partner in der Arbeit oder in der Therapie oder einfach nur als Freund und Gefährte zur Seite stehen: Die EU wäre anders – und sehr viel ärmer – ohne Pferde."

Auf dieser Website kann man die gesamte Studie (in Englisch) oder auch eine Zusammenfassung downloaden.

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