In Frankfurt droht eine mehr als 150-jährige Rennsport-Tradition zu Ende zu gehen: Bei einem Bürgerentscheid verfehlten die Rennbahn-Befürworter die erforderliche Stimmenanzahl klar, die Galopprennbahn in Niederrad ist damit wohl Geschichte – auch wenn dies manche noch nicht wahrhaben wollen.
Am Sonntag, den 21. Juni, hatte die Frankfurter Bevölkerung über die zukünftige Nutzung der Galopprennbahn Niederrad zu entscheiden. Um die Rennbahn zu retten und die geplante Errichtung einer Akademie des Deutschen Fußball-Bundes am Rennbahngelände zu verhindern, hätten 25 % der Frankfurter Wahlberechtigten dafür stimmen müssen – doch die erforderlichen 124.000 Stimmen kamen bei weitem nicht zusammen, lediglich 62.900 Frankfurter stimmten dafür – zu wenig, um das Areal für den Pferdesport zu erhalten. Da war es auch nur ein schwacher Trost, dass dies die Mehrheit der abgegebenen Stimmen war – die Wahlbeteiligung war mit 20,9 % einfach zu gering. Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann zeigte sich zufrieden: „Ein Gewinn für Frankfurt, ein Gewinn für den Fußball", so sein Kommentar.
In Wahrheit kam die Entscheidung nicht überraschend – wenn die Bevölkerung zwischen Fußball und Galopprennsport entscheiden muss, dann hat der Rennsport zweifellos schlechte Karten. Und der großen Mehrheit der Frankfurter war der Ausgang des Bürgerentscheids offenkundig egal – trotz einer aggressiven Kampagne der Rennbahn-Befürworter und großflächer Plakate mit der Aufschrift „Kein DFB-Palast auf unsere Kosten!" Der Deutsche Fußball-Bund möchte auf dem Areal der Rennbahn seine neue Verbandszentrale samt Nachwuchs-Leistungszentrum errichten, insgesamt sollen 89 Millionen Euro investiert werden. Die Stadt Frankfurt verpachtet das rund 20 ha große Grundstück für 99 Jahre an den DFB, und zwar für einen Pachtzins von insgesamt 6,8 Millionen Euro, das sind 68.000,– Euro pro Jahr. Pünktlich am 1. Jänner 2016 soll das Areal an den DFB übergeben werden.
Die entscheidenden Weichen wurden ohnehin schon vor einem Jahr gestellt, als Manfred Hellwig, Präsident des Frankfurter Renn-Klubs 2010 e.V. und geschäftsführender Gesellschafter der Hippodrom GmbH, der Pächterin des Rennbahn-Geländes, seine Hippodrom-Anteile für rund 3 Millionen Euro an die Stadt Frankfurt verkaufte – und sich dafür sogar als ,Judas' und als ,Verräter' beschimpfen lassen musste. Prompt wurde er als Renn-Klub-Präsident abgewählt und durch Manfred Louven ersetzt – was aber nichts mehr daran ändern konnte, daß von nun an die Stadt Frankfurt alle Trümpfe in der Hand hielt und ihre DFB-Pläne zügig vorantreiben konnte.
Die Rennbahn-Befürworter hatten und haben dem wenig entgegenzusetzen, wollen aber weiter für den Erhalt der Bahn kämpfen. Der Renn-Klub hat für 2016 sogar acht Rennen angemeldet – und möchte den Verlust der Rennbahn notfalls auch mit juristischen Mitteln verhindern, selbst politische Aktionen und das Antreten mit einer eigenen Liste bei den Kommunalwahlen im März 2016 sind nicht ausgeschlossen. Ob all das Früchte trägt, ist mehr als zweifelhaft – die Würfel scheinen endgültig gefallen. Nach 150-jähriger Tradition wird die Frankfurter Galopprennbahn, auf der einst Turf-Legenden wie die Wunderstute Kincsem oder der Derbysieger Birkhahn Triumphe feierten, wohl heuer ihr letztes Jahr erleben – ein Schicksal, wie es in Österreich auch die Freudenau ereilt hat. Frankfurts Stadtrat Markus Frank von der CDU hat vor kurzem den Galopprennsport als „Sport der Vergangenheit" bezeichnet – zumindest in Frankfurt könnte sich diese Aussage schon bald bewahrheiten...
Hintergrund: Pferderennsport in der Krise
Nicht nur die Frankfurter Galopprennbahn kämpft mit Existenzsorgen – auch den meisten anderen deutschen Pferderennbahnen geht es nicht gut. Das Problem ist nicht mangelndes Interesse seitens des Publikums oder der Wettspieler – das Problem für die 20 noch existierenden Galopprennbahnen in Deutschland ist das Internet, das immer mehr Wettumsätze von den Bahnen abzieht und an international agierende Wettanbieter fließen lässt. Zahlen des Bundesfinanzministeriums zeigen, daß in den letzten zehn Jahren die Einnahmen aus der Totalisator- und Buchmachersteuer um 90 % auf nur noch 2,3 Millionen Euro im Jahr 2014 zurückgegangen sind. Und neben dem Fiskus geht auch der deutsche Rennsport leer aus, da ein Großteil der Steuereinnahmen an die Rennvereine zurückfließt. Der Online-Wettmarkt boomt hingegen und soll allein im letzten Jahr 2 Milliarden Euro in Deutschland umgesetzt haben, 150 Millionen davon entfallen auf Pferdewetten, so eine Recherche der FAZ – und wandern ins Ausland. Das hat dramatische Auswirkungen auf den gesamten Galopprennsport – durch die geringeren Einnahmen gibt es weniger Renntage und sinkende Preisgelder, auch der gesamte damit verbundene Wirtschaftszweig mit Trainern, Reitern, Tierärzten, Hufschmieden etc. leidet darunter. Es ist eine Spirale nach unten, die den Pferderennsport in Deutschland und auch in Österreich erfasst hat – und die Frankfurter Galopprennbahn wird wohl nicht ihr letztes Opfer sein...