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Tödlicher Unfall beim Pferde-Verladen: "Eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt!" 24.07.2023 / News
Eine bekannte Schweizer Militärangehörige erlitt beim Verladen eines Pferdes tödliche Verletzungen. Für die Verlade- und Transport-Spezialistin Claudia Wobornik zeigt der besonders tragische Fall, dass „das Verladen eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt ist, die man mit Pferden machen kann" – und ein gewisses Restrisiko immer bestehen bleibt.
Das Verladen eines Pferdes ist eine Stress- und Gefahrensituation par excellence – und sollte niemals unterschätzt werden, wie ExpertInnen mahnen. Symbolfoto: Archiv Martin Haller
Der tödliche Unfall von Oberstleutnant Christine Hug am 10. Juli dieses Jahres sorgte in der Schweiz für große Aufmerksamkeit und Betroffenheit. Die genauen Hintergründe des Dramas blieben vorerst unbekannt – nun hat ein Bericht der renommierten ,Neuen Zürcher Zeitung' Details dazu enthüllt.
Demnach wollte Christine Hug mit ihrer Familie und ihren Pferden in die Sommerferien nach Ungarn fahren. Beim Verladen in den Anhänger soll eines der Pferde plötzlich eine abrupte Bewegung gemacht und Hug angerempelt haben: Diese stürzte daraufhin rückwärts und fiel auf den Hinterkopf. Frau und Tochter leisteten sofort Nothilfe und setzten die Rettungskette in Gang. Christine Hug wurde per Helikopter ins Krankenhaus geflogen, erlag dort jedoch ihren schweren Kopfverletzungen.
Christine Hug war als Oberstleutnant im Generalstab das erste hochrangige Mitglied der Schweizer Armee, das sich 2019 als Trans-Frau outete – und damit landesweit für Schlagzeilen sorgte, auch der Schweizer Rundfunk (SRF) widmete ihr eine ausführliche Doku. Christine Hug warb im Rahmen des Frauenförderungsprogramms der Schweizer Armee und hielt Vorträge zum Thema Diversity-Management – sie war damit eine Vorreiterin der Trans-Bewegung und wurde für ihre Offenheit und Charakterstärke von vielen geschätzt.
Privat waren Pferde ihre große Leidenschaft – Christine Hug war begeisterte Reiterin und züchtete auf einem kleinen Pferdehof im Kanton Solothurn Trakehner, sie erfüllte sich damit einen Lebenstraum.
Expertin: Verladen ist „eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt"
Verlade-Spezialistin Claudia Wobornik: „Beim Verladen bitte niemals ablenken lassen! Bitte immer konzentriert bleiben und einen ruhigen Platz zum Verladen suchen – mit wenig Ablenkung fürs Pferd!" Foto: Sabine Tauscher
Für die Verlade- und Transport-Expertin Claudia Wobornik (www.pferde-transport.at) zeigt der besonders tragische Todesfall, dass „das Verladen eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt ist, die man mit Pferden machen kann" – und ein gewisses Restrisiko auch bei noch so vorsichtiger Herangehensweise immer bestehen bleibt, selbst wenn man top vorbereitet ist, sehr viel Pferdeerfahrung hat und die eigenen Pferde sehr gut kennt, was bei Christine Hug zweifellos der Fall war.
„Gerade deswegen", so Claudia Wobornik weiter, „darf man auch bei den eigenen Pferden nicht den Respekt vor und die Einsicht in die Gefährlichkeit der Verladesituation verlieren, und das gilt auch bei anderen stressbehafteten Situationen: Pferde bleiben Fluchttiere, und auch wenn schon x-mal nichts passiert ist, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Pferde ruhig auf den Hänger gehen und dort auch ebenso ruhig stehenbleiben. Man muss sehr konzentriert sein, um die Verladesituation zu überwachen, es sind ja meist auch noch andere Menschen involviert – und man braucht eine eigene blitzschnelle Reaktion in einer Gefahrensituation."
Damit hängt auch ein weiterer wesentlicher Punkt zusammen, so Claudia Wobornik: „Beim Verladen bitte niemals ablenken lassen!!! Bitte immer konzentriert bleiben, einen ruhigen Platz zum Verladen suchen mit wenig Ablenkung fürs Pferd, Zuschauer wegschicken, Zeit, Ruhe und Geduld nehmen, damit lässt sich das Risiko von Störungen und letztlich von Unfällen deutlich verringern."
Für Wobornik sind „Routine, Erfahrung und ein breites Wissen rund um Pferdepsyche bzw. Pferdeverhalten" wichtig und hilfreich, um Risiken zu minimieren: „Und ich sage auch immer: Man muss die Pferde „fühlen"! Ich kann es schwer beschreiben aber ich weiß ganz genau, wenn ein Pferd noch nicht soweit ist, um die hintere Stange zu schließen. Ich lasse die auch manches Mal nochmals aus- und wieder einsteigen – nicht beim Training, sondern bei wirklichen Transport-Terminen, damit die Pferde wirklich entspannt und innerlich „bereit" losfahren können."
Denn sie weiß aus Erfahrung: „Es sind wirklich oft unbewusste „Kleinigkeiten“, die zu Unfällen führen. Ich weiß von einem Fall, bei dem ein junger Mann sein Auge verloren hat, weil das Pferd den Kopf hochgerissen hatte und sich der Panikhaken vom Strick gelöst hatte und in seinem Auge gelandet ist. Das hätte nicht passieren müssen, wäre am Halfter ein Strick mit Karabiner oder ähnliches gewesen. Oder ein anderes Beispiel: Mir ist ein weiterer Vorfall bekannt, bei dem eine nicht pferdeerfahrene Person beim Verladen geholfen hat und dabei einen Finger verloren hat – das Pferd rannte aus dem Anhänger und der Strick hat sich am Finger/Daumen verfangen."
Viele Unfälle passieren schlicht deshalb, weil manche Pferdebesitzer sehr selten Pferde verladen und es ihnen daher an der Routine in den Abläufen und Verlade-Schritten fehlt. In ihren Schulungen, Workshops und Kursen sieht sie immer wieder typische Anfänger-Fehler, auf die sie auch unermüdlich hinweist – und gibt Tipps, wie man diese abstellt: „Wichtig: Bitte niemals direkt hinter dem Pferd stehen, um die Stange zu schließen, immer seitlich! Immer ein ordentliches langes Seil – 4 bis 5 m lang – mit ordentlichen Karabinern verwenden, ebenso ein passendes Stallhalfter – das wird von mir auch immer kontrolliert, bevor wir überhaupt mit dem Verladen beginnen; dazu gutes Schuhwerk, am besten Sicherheitsschuhe, und auch Handschuhe sind empfehlenswert."
Auch das Thema Sicherheitshelm – unter Pferdemenschen oft emotional aufgeladen – spricht sie in ihren Schulungen an: „Ich persönlich trage zwar keinen Helm – aber ich weise darauf hin, dass er in bestimmten Situationen absolut sinnvoll und ratsam ist. Es ist letztlich immer eine individuelle Entscheidung."
Schutzausrüstung kann lebensrettend sein
Die wissenschaftliche Evidenz zum letzten Punkt ist übrigens eindeutig: Untersuchungen und Statistiken zeigen, dass gerade die Gefährdung des sogenannten ,Bodenpersonals' – also Personen, die nicht auf, sondern beim bzw. neben dem Pferd sind – besonders hoch ist und dabei Kopfverletzungen eine herausragende Rolle spielen. Die klare Empfehlung lautet daher, bei jeglichem Umgang mit dem Pferd – ob nun auf dem Boden oder im Sattel – auf entsprechende Sicherheitsausrüstung und ganz besonders auch auf das Tragen eines Sicherheitshelms zu achten. Wie Daten der „US National Trauma Data Bank" aus den Jahren 2007 bis 2016 zeigen, sind von den 320 registrierten pferdebezogenen Todesfällen in diesem Zeitraum nicht weniger als 237 auf Kopf- und Halsverletzungen zurückzuführen (= 74,83 %). Allein diese tragische Größenordnung verdeutlicht, wie wichtig bzw. buchstäblich lebenswichtig es ist, beim Reiten und im Idealfall bei jeglichem Umgang mit Pferden einen Schutzhelm zu tragen.
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Große Unfall-Studie zum Reiten: "Schutzausrüstung kann Leben retten, wird aber nicht immer getragen!" 16.10.2021 / News
Wer Köpfchen hat, sollte es auch schützen – diese einfache Weisheit wird durch die dramatischen Unfallzahlen aus den USA neuerlich bestätigt: Während des Untersuchungszeitraums starben 320 Menschen an ihren Verletzungen, wobei Kopf- und Halsverletzungen die häufigste Todesursache waren und für nicht weniger als 237 Todesfälle (= 74,83 %) ursächlich waren. / Symbolfoto: Archiv/Julia Rau
Eine großangelegte Studie in den USA zeigt, dass das Verletzungsrisiko beim Reiten höher ist als bei anderen unfallträchtigen Freizeitbeschäftigungen wie Fußball, Motorsport oder Skifahren. Während die häufigste verletzte Körperstelle der Brustbereich war, waren Kopf- und Halsverletzungen am tödlichsten, wie die Ergebnisse zeigen.
Reiten ist in den USA enorm populär – Daten der US-amerikanischen Zentren für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten zeigen, dass jedes Jahr in den Vereinigten Staaten mehr als 30 Millionen Menschen Reiten als Sport- oder Freizeit-Aktivität betreiben. Über die Häufigkeit und die Folgen von Verletzungen beim Reiten ist jedoch relativ wenig bekannt, weshalb ein Studienteam unter der Leitung des Unfallchirurgen Dr. Jeffrey Skubic aus Texas mehr Licht in dieses Dunkel bringen wollte.
Die Forscher stützten sich in ihrer Untersuchung auf Daten, die von Traumazentren der Stufen 1 und 2 an die US National Trauma Data Bank über Verletzungen von Erwachsenen beim Reiten über zehn Jahre hinweg – konkret zwischen 2007 und 2016 – gemeldet wurden. Für diesen Zeitraum wurden Details von 45.671 Patienten mit Reitverletzungen abgerufen. Bei 20.880 der Verletzungen waren die Informationen leider unvollständig, sodass schlussendlich 24.791 für die Einbeziehung in die Studienanalyse übrig blieben. Das Durchschnittsalter der Verletzten lag bei 47 Jahren, wobei Männer und Frauen fast gleich groß waren.
Die häufigste von Verletzungen betroffene Körperstelle war bei 9.189 Unfällen die Brust, was 37 % aller Verletzungen ausmachte. Verletzungen an Armen und Beinen traten in 6.560 Fällen (26,5 %) auf, während 5.689 (23 %) Patienten Kopfverletzungen erlitten. Bauchverletzungen waren mit 3.353 Fällen oder 13,5% am seltensten. Schwere neurologische Schäden, klassifiziert nach der ,Glasgow Coma Scale’ (GCS) mit einem Score von 3 bis 8, wurden bei 888 Patienten beobachtet, was 3,5 % der in der Studie analysierten Verletzungen entspricht. (Anmerkung: Diese klinische Skala wird verwendet, um den Grad der Bewusstseinsstörung einer Person nach einer Schädel-Hirn-Verletzung abzuschätzen; sie reicht von 3 bis 15, wobei ein Score von 13–15 als ,leichtes Schädel-Hirn-Trauma eingestuft wird, ein Wert von 0–12 als mittelschweres und ein Score von 3–8 als schweres Schädel-Hirn-Trauma.)
Innerhalb dieser Gruppe waren Kopf- und Halsverletzungen die wahrscheinlichste Ursache und traten bei 706 Patienten auf. Eine mittelschwere Beeinträchtigung (GCS-Score von 9 bis 12) trat nur bei 258 Verletzungen (1 %) auf. 21.917 (88,5%) Patienten hatten ein GCS-Score zwischen 13 und 15, also nur ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma – doch 4.508 (20,5%) dieser Patienten wiesen auch eine Kopf-Hals-Verletzung auf. Während die Verletzungen hauptsächlich als leicht (33 %) bis mittelschwer (43,5%) eingestuft wurden, mussten die meisten (88%) dieser Patienten ins Krankenhaus eingeliefert werden, wobei mehr als ein Viertel (28 %) auf die Intensivstation geschickt wurden. Etwa 1 von 10 musste operiert werden.
Die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus betrug 4,5 Tage, wobei durchschnittlich 4 Tage auf der Intensivstation und 6 Tage am Beatmungsgerät verbracht wurden. Die Gruppe der 50- bis 59-Jährigen musste am häufigsten in Traumazentren behandelt werden, sie stellte mehr als ein Viertel (exakt 26,58 %) aller Verletzten. 22% der Verletzten waren über 60 Jahre alt. Diejenigen im Alter von 30 bis 39 Jahren waren am seltensten unter den Verletzten, was nur 13% der Patienten ausmachte. Etwa 14.096 Patienten oder 57 % konnten nach Hause entlassen werden, ohne weitere Gesundheitsleistungen zu benötigen, während 7 % in eine Reha oder eine qualifizierte Pflegeeinrichtung verlegt wurden.
Während des Untersuchungszeitraums starben 320 Menschen an ihren Verletzungen, wobei Kopf- und Halsverletzungen die häufigste Todesursache waren und für nicht weniger als 237 Todesfälle (= 74,83 %) ursächlich waren. Allein diese tragische Größenordnung sollte verdeutlichen, wie wichtig bzw. buchstäblich lebenswichtig es ist, beim Reiten und im Idealfall bei jeglichem Umgang mit Pferden einen Schutzhelm zu tragen. Nur 2 % der Verstorbenen erlitten Verletzungen an Armen oder Beinen. Reiter mit Kopf- und Nackenverletzungen starben 44-mal häufiger als Reiter mit Arm-/Beinverletzungen, während Fahrer mit Brust- und Bauchverletzungen etwa sechsmal häufiger starben. Auch der gemessene Blutdruck bei der Einlieferung erwies sich als kritische Größe: Wenn Patienten mit einem systolischen Blutdruck von weniger als 90 (mm Hg) in die Notaufnahme kamen, starben sie 23-mal häufiger als Patienten mit einem höheren Wert.
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass reiterbedingte Verletzungen ein häufig ignoriertes Thema der öffentlichen Gesundheit sind. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Gefahren des Reitsports stark unterschätzt wurden. „Bei Betrachtung der Aktivität nach Stunden führte das Reiten zu einem höheren Anteil an Krankenhauseinweisungen als andere risikoreichere Aktivitäten wie Skifahren.“
Fest steht: Schutzausrüstung kann Leben retten, wird aber nicht immer getragen, so die Wissenschaftler. „Studien haben gezeigt, dass ein großer Teil der Reiter, die an Reitverletzungen beteiligt waren, zum Zeitpunkt ihres Unfalls keinen Helm trug. Es liegt auf der Hand, dass eine Sensibilisierung für mögliche Verletzungen und verstärkte Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor Kopfverletzungen die Sterblichkeit deutlich senken würden.“ Sie fügen hinzu: „Interessanterweise ist das Risiko, im Krankenhaus zu landen, beim Reiten höher als bei Fußball, Auto- und Motorradrennen und Skifahren.
„In letzter Zeit“, so die Wissenschaftler weiter, „wurden von Pferdesportorganisationen der Verwendung von Schutzausrüstungen zur Vorbeugung von Verletzungen, insbesondere in Bezug auf Gehirnerschütterungen und Hirnverletzungen, einige Aufmerksamkeit gewidmet; jedoch haben sich nur sehr wenige Kampagnen im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf die Prävention von Verletzungen bei Reitern konzentriert, die Pferde für Freizeit und Arbeit verwenden. „Dies steht in starkem Kontrast zu der Popularität, die dieser Sport genießt“, so ihr Resümee.
Tatsächlich ist Reiten in der US-amerikanischen Bevölkerung immens beliebt, so die AutorInnen: „Wir schlagen vor, vorbeugende Maßnahmen und Kampagnen einzuleiten, um Sicherheitspraktiken hervorzuheben. Die konsequente Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung wie Helmen und Westen wird allen Reitern (Arbeits- oder Freizeit) beim Reiten zusätzlichen Schutz bieten.“ Die Forscher sagten, es sei auch zwingend erforderlich, dass medizinisches Fachpersonal beim Reiten verletzte Patienten auf Kopf- und Nackenverletzungen untersucht, da diese zur höchsten Sterblichkeit beitragen. Die Autoren stellten fest, dass wenig Arbeit geleistet wurde, um die tatsächlichen Kosten von Pferdesportverletzungen zu quantifizieren. „Obwohl die Gesamttodeszahlen niedrig sind, haben frühere Arbeiten gezeigt, dass die langfristigen Rehabilitationskosten für die Behandlung dieser Verletzungen hoch sein können.“ Weitere Untersuchungen zur tatsächlichen finanziellen Belastung dieser Verletzungen seien gerechtfertigt, hieß es.
Ein weiterer interessanter Punkt: Die demografischen Daten der Studie zeigten, dass Männer und Frauen gleich häufig verletzt wurden (Anteil Männer: 50,53 %, Anteil Frauen: 49,47 %). „Dieses Ergebnis würde nahelegen, dass beide Geschlechter anfällig für Verletzungen sind und dass sich die aktuellen Präventionsbemühungen auf beide Geschlechter konzentrieren sollten.“
Diese Schlussfolgerung ist zweifellos richtig – doch angesichts der deutlichen weiblichen Übermacht in Sachen Reitsport – die in den allermeisten Ländern und wohl auch in den USA 70–80 % aller aktiven PferdesportlerInnen stellen (beim Motorrad-Fahren ist es übrigens genau umgekehrt) – zeigt diese Zahl auch, dass das relative Verletzungsrisiko für reitende Männer offenbar doch größer als jenes der Frauen ist, aber das nur nebenbei ...
Die Studie „Hearing hoofbeats? Think head and neck trauma: a 10-year NTDB analysis of equestrian-related trauma in the USA" von Kevin Mutore1, Jiyun Lim1, Demba Fofana, Annelyn Torres-Reveron und Jeffrey J. Skubic ist in der Zeitschrift ,Trauma Surgery and Acute Care Open’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
09.06.2018 - Unfälle mit Pferden: Verletzungen des Bodenpersonals sind besonders schwer
Unfälle mit Pferden: Verletzungen des Bodenpersonals sind besonders schwer 09.06.2018 / News
Auch Personen, die Pferde vom Boden aus betreuen, sind Gefahren ausgesetzt – aber nur in seltenen Fällen durch Helme oder sonstige Sicherheitsausrüstung geschützt. / Symbolfoto: Simone Aumair
Australische Ärzte haben Unfälle untersucht, die Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Pferden bzw. beim Reiten passiert sind. Ein überraschendes Ergebnis: Verletzungen des sogenannten ,Bodenpersonals’ – also von Personen neben bzw. beim Pferd – stellten sich als besonders schwerwiegend heraus.
Schon der einleitende Satz der englischsprachigen Zusammenfassung geht unter die Haut: „Mit Pferden verbundene Verletzungen sind für ein Viertel aller tödlichen Sportunfälle von Kindern verantwortlich.“ Diese Hiobs-Botschaft muss man erst einmal verdauen, bevor man sich in die Details der Studie vertiefen kann – doch gerade diese Details sind es, die interessant sind und die durchaus das Potenzial haben, eine Bewusstseinsveränderung in der Pferdeszene einzuleiten und so vielleicht dazu beizutragen, diese bedrückend hohe Todesrate nachhaltig zu verringern.
Durchgeführt wurde die Untersuchung von Wissenschaftlern der ,Surgical Research Group’ am ,Murdoch Children’s Research Institute’ der Unversität von Melbourne sowie vom Royal Children’s Hospital Melbourne. Über eine Periode von 16 Jahren hinweg wurden die Daten von insgesamt 505 PatientInnen (Alter bis max. 16 Jahre), die ins Traumazentrum einer großen Kinderklinik mit pferde-bezogenen Verletzungen eingeliefert worden waren. Die Patienten-Daten wurden statistisch analysiert und nach unterschiedlichsten Kategorien bzw. Kriterien ausgewertet – so etwa hinsichtlich ihrer demographischen Merkmale, nach dem Schweregrad der Verletzungen, ob sie einen Helm getragen haben oder nicht und ob sie beim Unfall auf dem Pferd geritten sind oder nur beim Pferd waren (mounted/unmounted).
Die Auswertungen brachten z. T. durchaus unerwartete Ergebnisse:
– Die Mehrheit der Unfälle bzw. Verletzungen ereignete sich im privaten Bereich (56%) – nur 23 % passierten bei einem sportlichen Event bzw. in einem sonstigen Kontext mit Aufsichts (also bei Kursen, Trainings etc.).
– Die häufigsten Verletzungen im Zusammenhang mit Pferden sind Kopfverletzungen.
– Reitende Patienten machten den Großteil der kindlichen PatientInnen aus (77%).
– Bei reitenden Patienten war es wahrscheinlicher, dass sie Frakturen der oberen Extremitäten oder Verletzungen der Wirbelsäule erlitten – und sie trugen auch mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Reit- bzw. Sicherheitshelm.
– Die nicht-reitenden Patienten waren vorwiegend männlich – und sie waren eher von Gesichts- oder Bauchverletzungen betroffen.
– Bemerkenswerterweise hatten die nicht-reitenden Patienten – also das sogenannte ,Bodenpersonal’ – signifikant mehr schwere und kritischere Verletzungen und mussten demzufolge auch einen längeren Krankenhausaufenthalt (2,0 Tage gegenüber 1,1 Tage) hinnehmen.
– Bei den nicht-reitenden Patienten war die Wahrscheinlichkeit einer intensivmedizinischen Versorgung oder einer Operation doppelt so hoch – und die Wahrscheinlichkeit einer schweren Kopfverletzung sogar acht mal so hoch.
Die Schlussfolgerungen der StudienautorInnen waren eindeutig: „Pferdebedingte Verletzungen bei Kindern sind schwerwiegend. Nicht-reitende Patienten unterscheiden sich von reitenden Patienten in Bezug auf Geschlecht, Alter und der Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Schutzausrüstung, aber auch hinsichtlich des Schweregrads der Verletzungen und der Notwendigkeit intensiver oder invasiver medizinischer Betreuung. Diese Studie zeigt insbesondere auf, wie wichtig es vor allem für nicht-reitende Personen ist, wachsam und auf ihre Sicherheit bedacht zu sein, wenn sie sich im Umfeld von Pferden aufhalten – und schlägt gezielte Sicherheits-Kampagnen für diese Zielgruppe vor, um Unfälle und Verletzungen vorzbeugen, sowohl bei organisierten als auch bei privaten Reitaktivitäten.“
Die Untersuchung „Horse-related injuries in children - unmounted injuries are more severe: A retrospective review" von Grace E.L. Wolyncewicza, Cameron S. Palmer, Helen E. Jowett, John M. Hutson, Sebastian K. King und Warwick J. Teague ist im Mai 2018 in der Zeitschrift ,Injury' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.
Studie: Gefährdung des ,Bodenpersonals’ wird vielfach unterschätzt
Dass auch nicht-reitende Personen in besonders hohem Maße von pferdebezogenen Unfällen und Verletzungen betroffen sind, hat bereits eine im September 2014 ebenfalls in der Zeitschrift ,Injury' veröffentlichte Studie aufgezeigt. Die Untersuchung analysierte Verletzungsfälle von PatientInnen der Universitätsklinik von Kentucky (USA) im Zusammenhang mit Pferden über einen Zeitraum von fünf Jahren (von 2003 bis 2007). Dabei zeigte sich, daß knapp mehr als die Hälfte der insgesamt 284 Unfälle durch einen Sturz vom Pferd (54 %) bzw. durch Tritte/Ausschlagen des Pferdes (22 %) verursacht werden. Die häufigsten daraus resultierenden Verletzungen sind Arm- und Beinbrüche (33 %) sowie Kopfverletzungen (27 %).
Während Personen auf dem Pferd öfter von Verletzungen des Oberkörpers und der unteren Extremitäten betroffen sind, so werden Personen am Boden öfter im Gesicht sowie im Unterleib verletzt. Schwere Kopfverletzungen betreffen beide Personengruppen in gleichem Ausmaß – auffallend war jedoch, daß alle drei Todesfälle, die im Untersuchungszeitraum registriert werden mussten, Personen am Boden betrafen: Eine wurde durch einen Tritt an den Kopf getötet, eine zweite durch einen Tritt gegen den Brustkorb – und die dritte stürzte beim Verladen ihres Pferdes vom Anhänger.
Das Resümee der Studienautoren war eindeutig: Der Umgang mit Pferden birgt ein erhebliches Verletzungspotential – und zwar gleichermaßen für Personen auf dem Pferd und für Personen auf dem Boden. Und sie empfahlen dringend, bei jeglichem Umgang mit dem Pferd – ob nun auf dem Boden oder im Sattel – auf entsprechende Sicherheitsausrüstung und ganz besonders auch auf das Tragen eines Sicherheitshelms zu achten. Bei den 284 untersuchten Unfällen wurde nur in 12 Fällen – das sind 6 % – ein Helm verwendet.
Die Untersuchung „On and off the horse: mechanisms and patterns of injury in mounted and unmounted equestrians." von Samuel P. Carmichael, Daniel L. Davenport, Paul A. Kearney und Andrew C. Bernard ist im September 2014 in der Zeitschrift ,Injury' erschienen und kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.
31.07.2015 - Unterschätzte Gefahr: Auch „Bodenpersonal" sollte Helm tragen
Unterschätzte Gefahr: Auch „Bodenpersonal" sollte Helm tragen 31.07.2015 / News
Auch Personen, die Pferde vom Boden aus betreuen, sind Gefahren ausgesetzt – aber nur in seltenen Fällen durch Helme oder sonstige Sicherheitsausrüstung geschützt. / Foto: Simone Aumair
Eine Reiterin, die ihr Pferd in den Stall bringen wollte und dabei verunglückte, überlebte nur, weil sie einen Helm trug. Wie Studien zeigen, sind Personen am Boden ebenso gefährdet wie auf dem Pferd – aber nur in seltenen Fällen geschützt.
Der Unfall geschah am 21. Juli in Foxhills nahe der Kleinstadt Romsey: Reiterin Claire Balysz wollte gerade ihr junges Pferd vom Außenplatz in den Stall führen, als die Dinge aus dem Ruder liefen: „Er hat sich absolut normal benommen und ließ sich ganz ruhig führen. Wir sind stehengeblieben, damit er ein wenig Gras knabbern konnte – und als wir wieder weitergingen, ist er plötzlich und völlig unerwartet nach vor gesprungen und hat mich am Rücken und an der Schulter erwischt", so die Reiterin gegenüber dem Magazin ,Horse & Hound'. „Ich fand mich plötzlich unter dem 700 kg schweren Pferd wieder. Ich trug einen Reithelm – und der hat mir ganz ohne Zweifel das Leben gerettet. Ich habe mich bei dem Unfall am Knie verletzt, habe mehrere gebrochene Rippen und Abschürfungen vom Gesicht abwärts. Mein Helm war voll mit Hufabdrücken – ich war mit dem Kopf zwischen seine Vorderbeine geraten, als es immer wieder versuchte aufzustehen."
Trotz ihrer schweren Verletzungen hatte Claire Balysz Glück – denn obwohl Unfälle beim Führen durchaus häufig passieren, sind die Personen nur in sehr seltenen Fällen durch einen Sicherheitshelm geschützt.
Eine im Vorjahr veröffentlichte Studie von PatientInnen an der Universitätsklinik von Kentucky machte das Dilemma deutlich: Die Untersuchung analysierte Verletzungsfälle im Zusammenhang mit Pferden über einen Zeitraum von fünf Jahren (von 2003 bis 2007). Dabei zeigte sich, daß knapp mehr als die Hälfte der insgesamt 284 Unfälle durch einen Sturz vom Pferd (54 %) bzw. durch Tritte/Ausschlagen des Pferdes (22 %) verursacht werden. Die häufigsten daraus resultierenden Verletzungen sind Arm- und Beinbrüche (33 %) sowie Kopfverletzungen (27 %).
Während Personen auf dem Pferd öfter von Verletzungen des Oberkörpers und der unteren Extremitäten betroffen sind, so werden Personen am Boden öfter im Gesicht sowie im Unterleib verletzt. Schwere Kopfverletzungen betreffen beide Personengruppen in gleichem Ausmaß – auffallend war jedoch, daß alle drei Todesfälle, die im Untersuchungszeitraum registriert werden mussten, Personen am Boden betrafen: Eine wurde durch einen Tritt an den Kopf getötet, eine zweite durch einen Tritt gegen den Brustkorb – und die dritte stürzte beim Verladen ihres Pferdes vom Anhänger.
Das Resümee der Studienautoren war eindeutig: Der Umgang mit Pferden birgt ein erhebliches Verletzungspotential – und zwar gleichermaßen für Personen auf dem Pferd und für Personen auf dem Boden. Und sie empfahlen dringend, bei jeglichem Umgang mit dem Pferd – ob nun auf dem Boden oder im Sattel – auf entsprechende Sicherheitsausrüstung und ganz besonders auch auf das Tragen eines Sicherheitshelms zu achten. Bei den 284 untersuchten Unfällen wurde nur in 12 Fällen – das sind 6 % – ein Helm verwendet.
Dabei gab es in den letzten Jahren in diversen Medien genügend Berichte über schwere und sogar tödliche Unfälle, die Personen am Boden betrafen. Sogar Olympiasieger Ben Maher kam auf diese Weise in die Schlagzeilen, als er 2012 in seinem Reitstall in Essex von einem Tritt am Kopf getroffen wurde – das Pferd war ausgerutscht, als er es an der Hand führte und auf ihn gefallen. Ein besonders tragischer Fall geschah 2011, als die 16-jährige Lauren Bryant in Schottland ihren schweren Kopfverletzungen erlag, die sie sich beim Einfangen ihres Pferdes auf der Koppel zugezogen hatte.
Als besonders gefährliche Momente für Unfälle am Boden gelten das Longieren, das Führen, das Verladen und der Koppelgang. Auch Tierärzte und Hufschmiede sind immer wieder von schweren Unfällen betroffen. Aber obwohl zahllose Schauergeschichten in der Szene kursieren und die Gefahren durchaus bekannt sind, weigern sich viele Pferdefreunde nach wie vor, einen Helm zu tragen, wenn sie ihre Pferde vom Boden aus betreuen. Warum das so ist – das bleibt wohl eines der ungelösten Rätsel der Pferdeszene, ebenso wie die Frage, wieso es in einer sonst so strikt reglementierten Sportart kaum verbindliche Sicherheits-Richtlinien und -Vorschriften für die große Gruppe des ,Bodenpersonals' gibt....?
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