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Leiden Fiakerpferde unter der Sommerhitze? Studie der Vetmeduni Wien soll Klarheit bringen
07.07.2023 / News

Wie sehr – und ab welchen Temperaturen – leiden Wiens Fiakerpferde unter der sommerlichen Hitze? Eine Studie der VMU Wien soll diese Frage nun klären ...
Wie sehr – und ab welchen Temperaturen – leiden Wiens Fiakerpferde unter der sommerlichen Hitze? Eine Studie der VMU Wien soll diese Frage nun klären ... / Symbolfoto: Fotolia-Lukas Bast

Die alljährlich aufkommende Diskussion um ein Hitze-Fahrverbot für Wiens Fiakerpferde – und welche Temperaturgrenze dafür gelten soll – könnte schon bald auf eine neue Basis gestellt werden: Die Veterinärmedizinische Universität Wien arbeitet gerade an einer Studie zu dieser kniffligen Frage.


Nach dem überraschenden Vorstoß von Gesundheitsminister Johannes Rauch im Vorjahr, der in einem ORF-Interview die Existenzberechtigung der Wiener Fiaker in Frage stellte (siehe auch unseren Bericht dazu), hatte man sich im Herbst 2022 in Gesprächen zwischen der Stadt Wien sowie dem für Tierschutz zuständigen Gesundheitsministerium auf eine gemeinsame Studie geeinigt, um „die gesundheitlichen Auswirkungen der heißen Jahreszeit auf Pferde und im Speziellen auch auf Fiakerpferde umfassend zu untersuchen“, wie es damals hieß. Seither hatte man von diesem Plan aber nicht mehr viel gehört.

Wie der ,Standard’ nun auf seiner Website berichtet, ist diese Untersuchung aber bereits in Angriff genommen worden: Mit der wissenschaftlichen Durchführung wurde die Veterinärmedizinische Universität Wien betraut, „die zum Studienthema 'Pferdenutzung im Zeichen des Klimawandels' bereits mit Recherchen und Vorarbeiten begonnen hat“, wie es in einer Stellungnahme von Wiens Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) heißt. Im Zentrum soll die Frage stehen, wie gut Pferde mit Hitzebelastungen umgehen können und welche „physiologischen Reaktionen und Verhaltensindikatoren“ sie bei verschiedenen Temperaturen und insbesondere bei Hitzestress zeigen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die VMU Wien eine derartige Studie durchführt: Bereits im Jahr 2008 gab es eine detaillierte Untersuchung zum Thema „Hitzestressmessungen bei Fiakerpferden in Wien“, beauftragt von der Tierschutzombudsstelle Wien und durchgeführt von Bacc. Anna Damberger. Zentrales Ergebnis: „Die im Rahmen dieser Studie erhobenen klimatischen Bedingungen entsprachen einem typischen Wiener Sommer und überforderten die untersuchten Fiakerpferde in ihrem physiologischen Anpassungsvermögen nicht. Hitzestress, in Form einer Überforderung des thermoregulatorischen Systems im Pferd, wurde in keiner der annähernd 400 Messungen an den Tieren festgestellt."

Diese Studie wurde seither auch immer wieder angeführt, um zu verdeutlichen, dass auch heißere Temperaturen keine negativen Auswirkungen auf das Pferdewohl hätten. Pferde seien eben Steppentiere, wird argumentiert – und sie kämen daher gut mit der sommerlichen Hitze zurecht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Untersuchungen – so etwa vom renommierten Tier- und Bewegungsphysiologien Prof. Michael Lindinger, in denen darauf hingewiesen wird, dass Pferde für hitzebedingte Belastungen wesentlich anfälliger sind als Menschen und drei- bis zehnmal schneller „überhitzen" würden.

So sind sich offenbar selbst Experten nicht einig, wie gut Pferde ganz allgemein mit Hitzestress umgehen können – und ab welchen Temperaturen und sonstigen Bedingungen sie darunter zu leiden beginnen. Insofern ist es zweifellos wünschenswert und wichtig, zumindest eine möglichst objektive wissenschaftliche Expertise zu dieser Frage zu haben – für die nun die VMU Wien sorgen soll.

Evident ist auch, dass sich die Hitzebelastung in der Stadt seit dem Jahr 2008 durch den sich beschleunigenden Klimawandel nochmals verschärft hat, wie auch die Statistik belegt: 2008 gab es in Wien 74 Sommertage (also mit Temperaturen über 25 Grad Celsius) und 8 Hitzetage (mit Temperaturen über 30 Grad Celsius). Zehn Jahre später – also im Jahr 2018 – waren es bereits 113 Sommertage und 37 Hitzetage, 2022 wurden 93 Sommertage und 31 Hitzetage verzeichnet. Die Frage, wie Pferde mit derartigen Temperaturen – und vor allem mit einer derartigen Zahl von extrem heißen Tagen – zurechtkommen, muss daher neu beantwortet werden. Denn für Pferde sind nicht die Sommertage das Problem, sondern die Hitzetage, die sich vervielfacht haben.

Aktuell gilt in Wien zwar ein sommerliches Fahrverbot für Fiaker ab 35 Grad, doch Tierschützern geht das nicht weit genug: Sie fordern seit langem, diese Temperaturgrenze auf 30 Grad abzusenken, wie man das auch schon in Salzburg getan hat. Dagegen wehren sich die Wiener Fiaker aber mit Händen und Füßen – und meinen, dass dies de facto einem Arbeitsverbot gleichkomme und die Betriebe in den wirtschaftlichen Ruin treiben würde.

Ob die neue Studie diesen Streit – der bisweilen die Züge eines Glaubenskriegs annimmt – wirklich lösen oder auch nur entschärfen kann, darf bezweifelt werden. Sie wird aber jedenfalls für neuen Gesprächsstoff sorgen – man darf gespannt sein ...

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