Victoria Pendleton ist eine Sport-Legende und eine der erfolgreichsten britischen Sportlerinnen bei olympischen Spielen. Nach ihrer einzigartigen Rad-Karriere hat sie nun den Sattel gewechselt und am 2. Juli ein vielbeachtetes Debüt als Jockey gegeben.

Victoria Pendleton ist eine Ikone des Sports – und in Großbritannien eine nationale Heldin. Sie ist zweifache Olympiasiegerin, vielfache Weltmeisterin, Weltcup-Siegerin und Siegerin bei den Commonwealth Games. Für ihre Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde sie mit dem Verdienstorden M.B.E. von Queen Elizabeth II. geehrt – und nahm nach ihrer zweiten Goldmedaille 2012 in London Abschied vom Bahnradsport. Ihre Auftritte bei der Heim-Olympiade, ihr umjubeltes Gold im Keirin, ihre umstrittene Disqualifikation im ersten Lauf der Sprint-Entscheidung und schließlich ihre tränenreiche Niederlage im zweiten gegen die Australierin Anna Meares – das ist der Stoff, aus dem Legenden gewoben werden.

Nach ihrer einzigartigen Karriere im Radsport wurde es keineswegs still um Pendleton. Sie veröffentlichte ihre Autobiographie, nahm an der Tanzshow ,Strictly Come Dancing' (der britischen Variante von ,Dancing Stars') teil, war Gast in zahlreichen Talkshows und engagierte sich für mehr Turnunterricht an britischen Schulen. Und im März dieses Jahres machte sie erneut Schlagzeilen – als sie bekanntgab, daß sie sich zu einem Sattel-Wechsel entschlossen habe und vom Rad aufs Pferd steigen werde: Der Buchmacher ,betfair' hatte ihr das Angebot gemacht, für ein Charity-Rennen 2016 in Cheltenham eine Jockey-Ausbildung unter professioneller Anleitung zu finanzieren. Die 34-jährige Ex-Olympionikin überlegte nicht lange und sagte zu – obwohl sie bis dahin noch nie im Sattel eines Pferdes gesessen war. Gegenüber dem ,Guardian' meinte sie: „Ich war auf der Suche nach einer neuen und aufregenden Herausforderung. Als Betfair auf mich zukam und mir die Möglichkeit bot, zu trainieren und eine Amateur-Lizenz für Jockeys zu erwerben, hat das meine Fantasie beflügelt und mich nicht mehr losgelassen. Die enorme Bandbreite dieser Herausforderung und die Gelegenheit, meine Liebe zu Pferden mit dem Erwerb neuer Fähigkeiten unter der Anleitung von Pferde- und Rennsport-Experten zu verbinden, das alles hat mich sehr motiviert."

Unterstützt wird sie dabei von Yogi Breisner, dem sportlichen Leiter des britischen Vielseitigkeits-Teams, sowie von Champion-Trainer Paul Nicholls. Schon nach den ersten Tagen des gemeinsamen Trainings streute er der Sportlerin Rosen: „Victoria ist enorm talentiert, ehrgeizig und mutig – und diese Eigenschaften werden es ihr auch ermöglichen, dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen. Ich arbeite gerade mal eine Woche mit ihr, und die Fortschritte, die sie in dieser kurzen Zeit gemacht hat, sind wirklich bemerkenswert. Es ist eine Ehre und ein Privileg, mit Victoria an einer Herausforderung von solchem Ausmaß zu arbeiten. Man darf nicht unterschätzen, was noch alles vor uns liegt – aber ihre enorme mentale und physische Stärke und die professionelle Unterstützung des Betfair-Teams sind eine fantastische Basis, das große Ziel tatsächlich zu erreichen und beim Cheltenham Festival 2016 dabei zu sein."

Auch Paul Nicholls zeigte sich nach den ersten Trainingseinheiten begeistert: „Victoria Pendleton ist eine außergewöhnliche Ahtletin mit großer Hingabe und Entschlossenheit – und auch wenn die Aufgabe enorm schwierig ist, diese zwei Eigenschaften brauchst Du, wenn Du wirklich Jockey werden willst. Sie hat einfach die Einstellung und das mentale Setup einer Olympiasiegerin – und ich habe keinen Zweifel, daß sie diese Herausforderung erfolgreich meistern wird, und auch der Rennsport wird von ihrer Persönlichkeit und ihrer außergewöhnlichen Leistung profitieren."

In der Tat: Vom ersten Moment des Trainings an hatte Victoria Blut geleckt und sich mit 100%igem Einsatz ihrer neuen Herausforderung gewidmet. Sie trainierte fünf Mal die Woche jeweils mehrere Stunden, sie hat in der Kraftkammer ebenso geschwitzt wie in der Reitbahn und auf dem Rennsimulator – und sie hat in den ersten vier Monaten mit sieben verschiedenen Pferden gearbeitet, die sie jeweils ganz spezifische Fähigkeiten lehrten. Victoria Pendleton: „Da war die wunderbare Miss Hazel, ein 23 Jahre altes Vielseitigkeitspferd, das mich ganz behutsam an die ersten Sprünge herangeführt hat. Und es gab Champ, einen früheren Blenheim-Sieger, mit dem ich den korrekten Sitz im Rennsattel und richtiges Galoppieren gelernt habe."

All das hat, wie Pendleton freimütig zugibt, ihr Leben verändert: „Reiten ist heute ein wichtiger Teil meines Lebens. Sobald ich in der Früh aufwache, möchte ich nichts anderes tun. Es hat mich geradezu überrumpelt – obwohl ich wußte, daß ich Tiere liebe und daß ich immer Reiten wollte. Heute kann ich an nichts anderes mehr denken. Es ist eine echte Herausforderung – die mich noch beschäftigt, wenn ich schlafen gehe. Und wenn ich aufwache, denke ich nur daran, was ich heute im Training anders machen könnte. Es hat mich völlig in seinen Bann gezogen."

Am 2. Juli konnte Victoria Pendleton erstmals in einem Rennen zeigen, was sie bislang gelernt hatte: Sie ging mit dem Pferd Mighty Mambo im ,George Frewer Charity Race' für Amateure an den Start – und bewies dabei auch taktisches Gespür: Sie teilte sich das Rennen perfekt ein, lief mühelos mit dem Feld und konnte auf der Zielgeraden sogar noch zwei Konkurrenten überholen und am Ende Platz acht erobern. Pendleton: „Es ist ein unglaubliches Gefühl – in einem Feld zu galoppieren ist einfach mit nichts vergleichbar." Sie möchte weiter hart arbeiten und weitere Rennen starten, um bis August die Punkte für ihre Amateur-Lizenz beisammen zu haben. Ihr großes Ziel sind die Foxhunters Chase beim Cheltenham Festival 2016 – und kaum jemand zweifelt daran, daß sie es erreichen wird. Ihre wichtigste Lektion hat sie übrigens längst gelernt: „In Wahrheit geht es darum, das Vertrauen zu spüren, die Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd – und das ist etwas ganz Unglaubliches, nicht wahr?"

Dieses Video zeigt das Renn-Debüt von Victoria Pendleton am 2. Juli beim ,George Frewer Charity Race' in Newbury...