Schweizer Forscher haben in einer neuen Studie Erstaunliches entdeckt: Pferde wiehern immer zweistimmig, also mit zwei unterschiedlichen Grundfrequenzen – und teilen so neben positiven und negativen Emotionen zugleich auch deren Intensität bzw. Stärke mit.
Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben im Zuge eines Forschungsprojekts, in dem sie die Evolution von Emotionsäusserungen analysieren, auch das Wiehern von Pferden untersucht – und dabei entdeckt, dass Pferde damit erheblich vielschichtiger und differenzierter kommunizieren können als bislang angenommen.
Wiehern ist nicht einfach Wiehern
Tatsächlich können Pferde durch Wiehern komplexe Informationen vermitteln, und diese Äusserungen spiegeln, ähnlich wie beim Menschen die Stimme, ihre Emotionen wider. Jedes Wiehern setzt sich dabei aus zwei voneinander unabhängigen Grundfrequenzen zusammen, wie Wissenschaftler der Einheit für Ethologie und Tierwohl am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich im Fachmagazin «Scientific Reports» berichten. «Die eine Frequenz – F0 – gibt an, ob es sich um positive oder negative Emotionen handelt, die andere – G0, wie stark diese Emotion ist», erläutert Projektleitern Elodie Briefer.
Bislang war nicht bekannt, dass Pferde zweistimmig wiehern – in keiner früheren Studie sei dieses Phänomen bisher beschrieben worden, obwohl die beiden Grundfrequenzen sogar mit dem normalen Gehör wahrzunehmen seien, wenn man bewusst darauf achte, berichtet Briefer. «Solche Lautäusserungen mit zwei Grundfrequenzen sind bei Säugetieren – anders zum Beispiel als bei Singvögeln – selten», erläutert Briefer. Wie Pferde gleichzeitig Laute auf zwei verschiedenen Tonebenen erzeugen, ist nicht genau bekannt. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie durch ein asynchrones Vibrationsmuster der Stimmbänder entstehen.
Um mehr über Emotionsäusserungen bei Pferden herauszufinden, testeten die Forschenden 20 jeweils in einer Gruppe gehaltene Pferde und setzten diese Tiere unterschiedlichen positiven und negativen Situationen aus. So studierten die Wissenschaftler etwa die Reaktion der einzelnen Tiere, wenn sie Artgenossen aus ihrer Gruppe entfernten und diese später wieder zurückführten. Dabei zeichneten die Wissenschaftler das Verhalten und die Lautäusserungen der Versuchstiere mit Kamera und Mikrofon auf, während sie zugleich physiologische Reaktionen wie Herzaktivität, Atmung und Hauttemperatur erfassten.
Aufgeregte Pferde wiehern anders
Das Ergebnis: Die Intensität der Emotionen lässt sich am besten an der Herz- und Atemfrequenz, den Bewegungen der Pferde sowie beim Wiehern an den Eigenschaften der tieferen der beiden Grundfrequenzen sowie der lauter werdenden hohen Obertöne dieser Grundfrequenz ablesen. Konkret: Je aufgeregter ein Pferd ist, desto mehr beschleunigen sich Herz- und Atemfrequenz, es bewegt sich unruhig hin und her und desto höher ist beim Wiehern die tiefere der beiden Grundfrequenzen – unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative Emotionen handelt.
Die Wertigkeit – also ob die Emotion positiv oder negativ ist – drückt sich am stärksten in den Eigenschaften der höheren Grundfrequenz, der Dauer des Wieherns sowie der Kopfhaltung aus: Positive Emotionen lassen sich daran erkennen, dass ein Pferd beim Wiehern die höhere Grundfrequenz etwas tiefer ansetzt sowie kürzer wiehert und dazu den Kopf senkt. Negative Emotionen äussert ein Pferd mit einer höheren hohen Grundfrequenz und einem längeren Wiehern.
Evolution der Emotionsäusserungen
Dieses Wissen kann Pferdehaltern ebenso wie Tierärzten dabei, das Verhalten der Tiere noch besser zu deuten und um damit letztlich den Bedürfnissen der Pferde noch besser gerecht werden zu können. Doch die Untersuchungen sind auch Teil eines grösseren Forschungsprojekts, das erkundet, wie sich das Mitteilen von Emotionen im Verlauf der Evolution bei verschiedenen Huftieren entwickelt hat. Im Fokus steht hier vor allem der Aspekt der Domestizierung. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob Haustiere und ihre wilden Artgenossen Emotionen auf vergleichbare Weise äussern oder ob die domestizierten Tiere sich in ihrer Kommunikation dem Menschen angepasst haben. Dazu sind vergleichende Untersuchungen mit Reitpferden und Przewalski-Pferden – einer Wildpferdart –, Haus- und Wildschweinen sowie Rindern und Bisons vorgesehen.
Literaturhinweis
Briefer EF, Maigrot AL, Roi Mandel R, Briefer Freymond S, Bachmann I, Hillmann E: Segregation of Information about Emotional Arousal and Valence in Horse Whinnies. Scientific Reports, 21. April 2015, DOI: 10.1038/srep09989
Quelle: ETH Zürich