Wer gestern Abend die ORF-Sendung ,Vorarlberg heute' gesehen hat, musste fassungslos mitansehen, wie ein Pferd aus einem Riedgraben gezogen und dabei tödlich verletzt wurde. Der Landwirt wurde angezeigt.
Man brauchte gestern Abend gute Nerven und einen guten Magen, um den Beitrag ,Pferdebergung im Ried', der in der Sendung ,Vorarlberg heute' gezeigt wurde, auch nur einigermaßen ertragen zu können. Den Beitrag kann man sich hier in der ORF-TVThek ansehen.
Der Vorfall, von dem berichtet wird, hat sich offenbar bereits am Mittwoch letzter Woche im Vorarlberger Lustenau ereignet: Zu sehen war, wie eine Norikerstute hilflos in einem Riedgraben feststeckte, umringt von Schaulustigen, aber auch von Feuerwehr und Polizei. Man wollte das Pferd bergen. Aufgrund des feuchten, weichen Untergrunds konnte die Feuerwehr nach eigener Aussage nicht mit dem schweren Bergekran bis zum Unglücksort vorfahren. Daher nahm der Pferdebesitzer, ein Vorarlberger Landwirt, die Bergung selbst in die Hand und zog das Tier mit seinem Traktor aus dem Graben – dies jedoch, indem er fatalerweise den Bergegurt um den Hals des Pferdes legte und es so herauszog. Bei dieser Aktion erlitt die Stute schwere Verletzungen an der Halswirbelsäule und eine Querschnittlähmung, sodaß sie nicht mehr aufstehen konnte. Sie mußte vom Tierarzt eingeschläfert werden.
Vor die Kamera wollte der Landwirt – vom ORF auf den Vorfall angesprochen – nicht treten, meinte jedoch gegenüber Reporter Franz-Michel Hinteregger auf die Frage, wieso er denn den Bergegurt um den Hals des Tieres und nicht etwa um dessen Rumpf gelegt habe, daß diese Methode bisher immer funktioniert habe.
Für einiges Erstaunen sorgte auch die Aussage des Amtstierarztes Erik Schmidt im Beitrag: „Wobei in diesem Fall sicher kein Vorsatz vorliegt, also eine gerichtliche Strafe fällt hier von Anfang an weg, weil der Besitzer das ja nicht absichtlich gemacht, sein Tier gequält oder verletzt hat, sondern er hat versucht, das Pferd zu bergen." Immerhin gab er zu, daß die Bergemethode des Landwirts, die Schlinge um den Hals des Pferdes zu legen, nicht sachgemäß war.
Der Landwirt wurde wegen fahrlässiger Tierquälerei bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft angezeigt. Lt. Recherchen des ORF droht ihm eine Verwaltungsstrafe mit einem Strafrahmen bis zu 3.000,– Euro.
Unverständliches Verhalten
Seit dem Bekanntwerden des Vorfalls gehen in den diversen Foren und sozialen Medien die Emotionen hoch: Für Fassungslosigkeit und Kopfschütteln sorgt nicht nur das Verhalten des Landwirts, sondern auch das der umstehenden Schaulustigen, Helfer und leider auch Rettungskräfte, die nicht eingeschritten sind, sondern von der gedankenlosen Bergeaktion des Pferdebesitzers noch Fotos und Videos gemacht haben. „Wie blöd können Menschen eigentlich sein?" und „Alle, die dabei waren und zugeschaut haben, gehören angezeigt." waren noch die harmlosesten Kommentare. Die Emotionen sind durchaus verständlich – denn zumindest die anwesenden Feuerwehr-Mitarbeiter hätten wohl erkennen können, daß man eine Pferde-Bergung so nicht durchführen soll und das Wohl des Pferdes hier leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde. Das traurige Resümee des Vorfalls: Mit ein wenig mehr Hausverstand (von Sachverstand gar nicht zu reden) bzw. Zivilcourage wäre der qualvolle und völlig unnötige Tod der armen Norikerstute zu vermeiden gewesen.
Veralteter Tierquälerei-Paragraph
Dieser Vorfall macht auch einmal mehr deutlich, daß der im Strafgesetzbuch (StGB) verankerte Tierquälerei-Paragraph längst veraltet ist und nachgeschärft werden müsste. Selbst bei schwersten Fällen von Tierquälerei sieht der § 222 StGB lediglich eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr bzw. eine Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen vor. Und selbst dieser Strafrahmen wird nur in äußerst seltenen Fällen ausgeschöpft – generell gilt die Rechtssprechung in Sachen Tierquälerei in Österreich als äußerst mild. Aus diesem Grund wurde von zwei Wiener Rechtsanwälten im Vorjahr eine Parlamentarische Bürgerinitiative ,Mehr Rechte für Tiere' eingebracht, die eine deutliche Erhöhung des Strafrahmens auf bis zu drei Jahre Haftstrafe fordert – und auch eine Verlagerung der Tierquälerei-Verfahren von Bezirks- auf die Landesebene. Auch viele Tierschutzorganisationen und Medien haben diese Initiative unterstützt – die offenbar vor einer erfolgreichen Umsetzung steht: Das Justizministerium hat in Aussicht gestellt, den Tierquälerei-Paragraphen im Strafgesetzbuch zu verschärfen und die Höchststrafe auf bis zu zwei Jahren Haft hinaufzusetzen. ProPferd wird weiter darüber informieren.